Aus wechselnden Richtungen null bis sechs

Anholt -> Mariager Fjord Start: 8:30 Ende: 19:30 Distanz: 56,2 sm Gesamtdistanz: 223,9 sm

von Anholt -> in den Mariager Fjord

von Anholt -> in den Mariager Fjord

In der Takelage pfeift es ordentlich. Noch bevor der Wecker klingelt, will der Schlaf nicht mehr zurückkommen. Unsere Ohren lauschen auf jedes Geräusch und wir erspüren jedes Schuckeln im Rumpf der PINCOYA. Zusammen mit unserer Erfahrung bastelt unser Kopf daraus ein Bild von draußen zusammen. Ich weiß, dass Astrid genauso wach ist wie ich und wir beide nur scheinbar schlafend mit geschlossenen Augen daliegen und genau dasselbe denken: „Südwest bis West mit 20 kn. Mal etwas mehr, mal etwas weniger. Also nördlich um den Windpark. Welle ca. 1,5 m mit Kattegat-Feeling. Erstmal nichts zum Frühstück außer etwas Tee und ein Reff ins Groß. Segel setzen im Vorhafen. Vom Steg kommen wir ablandig gut weg.“

Um 6:30 frage ich Astrid: „Woll’n wa los?“ Mit einem „Jupp!“ krabbelt die Capitana aus der Koje.
Ein Blick aus dem Fenster bestätigt unsere Kopfbastelei und fügt noch etwas blauen Himmel und Sonne hinzu. Der Däne und der Norweger sind sich einig, dass heute der einzig vernünftige Tag für einen Aufbruch ist, auch wenn es nicht gerade gemütlich wird. Von morgen bis einschließlich Dienstag wird es definitiv schlechter. Die für die nächsten Tage berechnete Entwicklung der Tiefdruckgebiete verspricht keine Besserung. Wie an einer Perlenschnur zieht eins nach dem anderen vom Atlantik zu uns herüber, und bildet sich mal eine Lücke, dann nur deswegen, um Platz für das Entstehen eines neuen Tiefs zu machen.

Bis 8:00 sind wir fertig und haben alles seeklar gemacht und mit allen Stegnachbarn die Lage bequatscht. Die eine Hälfte unserer Nachbarn will auch los, um nicht noch länger auf Anholt festzusitzen, der anderen Hälfte ist es zu viel.

Anholt liegt hinter uns, es ist ruppig und nicht alles bleibt dort, wo wir es hingelegt haben.

Anholt liegt hinter uns, es ist ruppig und nicht alles bleibt dort, wo wir es hingelegt haben.

Um 8:30 werfen wir los, setzen die Segel im Vorhafen und stürzen uns Kurs Nordwest in die ruppige See. Bei runden 20 -> 25 kn, also guten 5 bis 6 Beaufort, liegt unsere dicke Dame gutmütig hart am Wind und in der Welle. Wir haben ein Reff im Groß und nur etwas mehr als die halbe Genua stehen. Das reicht völlig.

Gegen Mittag wird’s im Westen schwarz und wir drehen die Genua auf Geschirrhandtuchgröße ein, obwohl der Wind sich inzwischen auf runde 10 kn abgeschwächt hat. Die Ruhe vor dem Sturm. Wir nutzen sie, um noch einmal alles zu checken und extra seefest zu machen. Dann beginnt das Wasser in Luv zu kochen, 1000 neue kleine Windwellen reißen den alten großen Wellen die Köpfe ab und lassen die geschredderten Reste waagerecht über das Wasser zischen. Der Spuk mit Spitzenböen um 38 kn dauert gut eine halbe Stunde. Unglaubliche Regenmassen ergießen sich über uns und teilweise ist es wie im Nebel. Regen und Gischt vermischen sich und fliegen dahin. Dann sehen wir die Front nach Osten abziehen.

Bedrohlich rückt die Front näher.

Bedrohlich rückt die Front näher.

Der Wind pendelt sich wieder bei runden 20 kn ein, allerdings nimmt schon wieder die nächste Schauerfront Aufstellung an der Startlinie im Westen, um über den Kattegat zu ziehen. Was nun folgt, erinnert irgendwie an unseren Gewittertango im letzten Jahr auf dem Limfjord. Überall vor uns tauchen immer neue, schwarze Schauerfronten auf. Manche treffen uns voll, andere streifen uns steuerbords oder backbords. Der Wind folgt dem Spielchen zwischen Sonnenschein und Wolkenbruch und bläst aus verschiedenen Richtungen mit 0 bis 6 Beaufort.

Sommer ist anders….

Sommer ist anders….

Gegen 16:30 sind wir gut 4 sm östlich der Ansteuerung zum Mariager Fjord und haben die Faxen dicke. Wir wollen noch in den Fjord bis hinter Hadsund, dort wo der Fjord sich dann öffnet. Das sind noch insgesamt 18 sm. Mit viel Geduld könnten wir die Ansteuerung auch unter Segeln erreichen, aber das bedeutet nach dem letzten Schauer wieder ein mühseliges Kreuzen bei gerade mal 8 kn Wind. Also werfen wir den Motor an. Im Mariager Fjord ist das Fahrwasser ohnehin so eng und vertrackt, dass wir sowieso motoren müssen.

Also brummen wir unter Motor zur Ansteuerung und dann in den Fjord hinein. Wie schön muss es hier bei ruhigem und sonnigem Wetter sein, wenn es schon bei diesem Mistwetter ganz einladend aussieht. Regenduschen wechseln sich mit Trocknungssonne ab. Jetzt könnten wir zum dritten Mal unseren Innensteuerstand gut gebrauchen, aber leider ist die Hydraulik am Innensteuerstand inzwischen richtig kaputt, so dass wir die Duschen beim Steuern im Freien genießen können. Um 19:00 passieren wir die Brücke von Hadsund, der Brückenwärter winkt uns freundlich zu und wünscht uns eine gute Fahrt. Eine gute halbe Stunde später schnappen wir uns die freie Gästemooring kurz vor dem Sportboothafen Kongsdal. Wir wählen doch die südliche Seite des Fjords, weil es nur kurz auf Nordwest drehen soll und der größte Mist der nächsten Tage aus West bis Süd kommen soll.

Endlich am Ziel. Im Mariager Fjord.

Endlich am Ziel. Im Mariager Fjord.

im Mariager Fjord
56° 41′ 6,4″ N, 10° 05′ 1,5″ E