Kattegat 4 Runaways

Kongsdal (Mariager Fjord) -> Helsingør Start: 01.06.2015 6:45 Ende: 02.06.2015 1:30 Distanz: 100,1 sm Gesamtdistanz: 334,0 sm

„vom Mariager Fjord -> nach Helsingør“

„vom Mariager Fjord -> nach Helsingør“

Um ehrlich zu sein, vor 2 oder 3 Jahren hätten wir uns das noch nicht zugetraut. Aber inzwischen sind wir und auch die PINCOYA langfahrttauglicher und seefester geworden. So trauen wir uns heute zu einen 100-Seemeilen-Schlag auf den Kattegat, obwohl stehende 6 bis 7 Beaufort angesagt sind.
Das sind keine wirklich kuscheligen Wetteraussichten, aber das Ganze soll mehr oder weniger aus Westsüdwest kommen, vielleicht auch etwas südlicher, aber nicht viel. Wir rechnen mit einem guten Halbwindkurs nach Helsingør und haben vielleicht sogar etwas Luft nach Süden. Bis ungefähr 3:00 in der Nacht soll das gelten, dann geht’s zunehmend auf Süd. Das sollte also für die 100 Meilen bis Helsingør reichen, wenn wir zeitig aufbrechen.

Aber den zeitigen Start verpatzen wir gleich nach 2 sm an der Hadsund Brücke. Wir verpassen die Öffnung der Brücke um 7:00 um 10 Minuten. Über Funk fragen wir nach der nächsten Öffnung. Die ist um 8:00, wer hätte das gedacht. Also gehen wir längsseits am Steg eines italienischen Restaurants direkt vor der Brücke.

„Abschied vom Mariager Fjord. Der Strom gegenan ist ordentlich.“

„Abschied vom Mariager Fjord. Der Strom gegenan ist ordentlich.“

Und dann passiert das, was eben nur in Dänemark oder in einem der anderen skandinavischen Ländern passieren kann, aber niemals in Deutschland, denn dort herrscht die deutsche Ordnung und die deutsche Wasserschutzpolizei lässt keine Widrigkeiten zu. Über Funk verfolgen wir auf dem Arbeitskanal 12 ein Gespräch des Brückenwärters auf dänisch, verstehen aber außer „Tyske = Deutscher“ absolut nichts. Eine Minute später sehen wir den Brückenwärter aus seinem Brückenturm kommen, sich draußen einen Pullover überziehen und mit seinem Motorroller davonbrausen. Wir sind bis zu dem Moment, in dem der Motorroller neben unserer PINCOYA zum Stehen kommt, davon überzeugt, dass der Brückenwärter sich nun Brötchen zum Frühstück holt. Das wäre auch sehr dänisch, denn bis 8:00 ist ja schließlich noch genügend Zeit. Aber nun steht der Brückenwärter selbst vor uns und erklärt uns, dass er die Brücke gleich öffnen wird, denn ein Schiff von Osten wird durchfahren. Danach dürfen wir, das wolle er uns nur sagen. Nicht vorher, sondern danach! Klar? Bevor wir uns richtig bedanken können, ist er schon wieder weg und kurze Zeit später sehen wir den Brückenwärter in seinem Brückenturm verschwinden und die Laternen zur Öffnung der Brücke beginnen zu blinken.

So kommen wir zwar nicht um 7:00 durch, aber immerhin um 7:40. Der Brückenwärter guckt aus seinem Fenster, winkt und ruft: „God rejse!“ Wir freuen uns riesig über so viel Freundlichkeit und rufen: „Tak og farvel!“
So mäandern wir uns Meile um Meile aus dem Mariager Fjord heraus und dem Kattegat entgegen. Schon hier im Fjord haben wir immer wieder Böen mit fast 30 kn. Die brauchen wir allerdings auch dringend, denn wir haben einen sehr kräftigen Gegenstrom, der teilweise mit 3 kn in den Fjord läuft. Um kurz vor 10:00 verlassen wir das Fahrwasser zum Mariager Fjord und nehmen Kurs Helsingør. Vor uns liegen runde 80 Seemeilen Kattegat. Dass es a….kalt ist, muss wohl nicht auch noch in diesem Blog erwähnt werden.

„Polarforscher Martin“

„Polarforscher Martin“

Schon kurz hinter der Küste erreichen die Wellen erstaunliche Höhen und der Wind bläst beständig mit 24 bis 28 kn. Wir binden das 2te Reff in’s Groß und setzen die Genua in Badehandtuchgröße. So läuft die PINCOYA gut bei halbem Wind, nur die Wellen werfen uns immer wieder recht unsanft auf die Seite. Und dann passiert, was nicht passieren darf: eine besonders hohe Welle wirft uns so sehr auf die Seite, dass die große Nikon langsam von ihrem Platz unter der Sprayhood abhebt und in hohem Bogen gegen die gegenüberliegende Schiebelukkante kracht, um dann im Niedergang zu verschwinden. Während ich mich doch noch irgendwie festhalte, sehe ich, wie meine gute Kamera erst gegen den Salontisch donnert, um dann die Stufen herunter auf den Fußboden zu purzeln. Bevor der Gedanke mit diesen Fäkalausdrücken durch meinen Kopf sausen kann, sehe ich mich um. Ok, Astrid ist noch am Ruder, nichts ist kaputt, die PINCOYA fährt geradeaus, nur die Kamera liegt mit einigen anderen Dingen, die dort vorher auch noch nicht waren, auf dem Salonboden. Mist, ich hab’s echt verpennt. Bei so einem Wetter liegt die große Nikon nie unter der Sprayhood. Ich sammele alles wieder ein, die Espressokanne hat es aus der Spüle nur halb in die Mittelkoje geschafft. Ich packe die Kamera unter die Bettdecken in die Mittelkoje und räume auf. Es ist jetzt gerade nicht die Zeit für weitere Schadensbegutachtungen an der Kamera. Ich rechne nicht damit, das die Kamera das überlebt hat.

Es geht so ruppig weiter, nur nördlich der Festlandnase von Grenå wird’s mal etwas ruhiger. Aber im Südwesten versammeln sich schon wieder dicke, schwarze Schauerwolken für ihr Rennen über den Kattegat nach Schweden. Auf Höhe von Grenå, genau südlich des neuen Windparks, erwischt uns die böse Mutter all dieser Schauerwolken. Unser Windmesser, der gerade mal wieder geht, will nicht mehr unter 30kn fallen und nagt immer wieder an der 40kn Marke. Dazu Regen. Der kommt aber gar nicht dazu herunterzufallen, weil er einfach waagerecht bis Schweden weiterfliegt, wenn er nicht zufällig an Anholt hängen bleibt. Astrid und ich stehen unter der Sprayhood und im Niedergang. Draußen gibt der Autopilot alles und wir sind überrascht, dass er das so gut hinbekommt. Natürlich kommt nun auch noch die Fähre aus Grenå, aber das AIS sagt, dass die mit 500 m hinter uns durchgeht, wenn wir weiterhin mit mehr als 7 Konten Fahrt durch die Wellen krachen. So langsam kommt bei Astrid und mir so etwas wie Genugtuung auf. Wir sind zufrieden, werden locker und fassen von Böenspitze zu Böenspitze immer mehr Vertrauen. Unsere PINCOYA ist schon eine gutmütige Dame, selbst unter diesen Bedingungen. Kurz gehen uns einige Gedanken zu Alternativhäfen durch den Kopf, die stecken wir aber angesichts der Seefestigkeit unserer dicken Erna schnell wieder weg. Nach einer halben Stunde nimmt der Wind wieder ab und pendelt sich wieder bei den üblichen 25 kn ein.

„Bordroutine stellt sich ein.“

„Bordroutine stellt sich ein.“

Erst gegen 17:00 wird es deutlich ruhiger und der Wind kommt nur noch ab und zu über 20kn. So segeln wir recht gemütlich in die Nacht hinein und sind dann gegen 1:30 in Helsingør.

„Sonnenuntergang satt“

„Sonnenuntergang satt“

„Moving Helsingborg bei Nacht“

„Moving Helsingborg bei Nacht“

in Helsingør
56° 02′ 38,6″ N, 12° 37′ 1,8″ E