Die letzten 170 Meilen….


Rønne -> HHafen / Orthmühle Start: 11:20 (08.09.) Ende: 20:00 (09.09.) Wind: SE 15-20-18 SW-W-WNW 10-24-13-5 kn Distanz: 172,0 sm Gesamtdistanz: 1215,3 sm

„von Rønne -> nach HHafen / Ortmühle“

„von Rønne -> nach HHafen / Ortmühle“

Unsere Zeit in Rønne reicht gerade so zu einer kleinen Erholung, einer langen Dusche und einer großen Pfanne Bratkartoffeln. Gleich morgens machen wir schon wieder alles startklar. Schon früh weht ein zarter Hauch des angekündigten SE, das macht Hoffnung auf mehr.

„Mehr als einige Bilder können wir von Rønne nicht mit nach Hause nehmen.“

„Mehr als einige Bilder können wir von Rønne nicht mit nach Hause nehmen.“

„Unser nächster Wegepunkt ist Staberhuk, bis dahin sind es 124 sm.“

„Unser nächster Wegepunkt ist Staberhuk, bis dahin sind es 124 sm.“

Als wir um 11:20 auslaufen, ist der zarte Hauch auch schon kräftiger geworden. Unter strahlend blauem Himmel setzen wir zunächst die Standardsegel, wechseln dann aber recht schnell von der Genua auf den Parasailor. Was dann folgt, läßt alle Schwierigkeiten der Überfahrt nach Bornholm im Handumdrehen vergessen.

„Auf dem Decksalon sitzt schon bald wieder unser nächster Gast, er ist aber viel scheuer als unser Fliegenfänger-Grünfink.“

„Auf dem Decksalon sitzt schon bald wieder unser nächster Gast, er ist aber viel scheuer als unser Fliegenfänger-Grünfink.“

Aus dem kleinen Hauch wird ein ordentlichen 5er und wir rauschen bis zum Sonnenuntergang unter Groß und Parasailor in rekordverdächtiger Zeit bis nach Rügen. Und wer glaubt, dass die Ostsee leer, weit und fast unendlich bis zum Horizont ist, wird hier eines besseren belehrt. Es ist offensichtlich Rush Hour zwischen Bornholm und Rügen.
Erst zum Sonnenuntergang nehmen wir kurz vor Arkona den Parasailor wieder runter. Hätte der Wind etwas abgenommen, vielleicht auf eine freundliche 3 bis 4, hätten wir ihn stehen lassen. Aber so, bei gut 20 achterlichen Knoten und einer ansehnlichen achterlichen Welle, ist uns die Geschichte mit einem Parasailor bei Nacht doch zu heiß.

So geht es in unsere letzte Urlaubsnacht mit Normalbesegelung. Und es rauscht weiter! Wir haben sogar Strom mit und machen hinter Arkona trotz abnehmendem Wind auf einer inzwischen fast glatten See über 7 kn über Grund. So soll Fahrtensegeln sein und so könnte es auch unendlich weitergehen.

„Fährbegegnungen zum Sonnenuntergang.“

„Fährbegegnungen zum Sonnenuntergang.“

„Mitten zwischen Bornholm und Rügen liegt ein einziger Messturm, ohne Kursänderung hätten wir ihn mittig genommen. “

„Mitten zwischen Bornholm und Rügen liegt ein einziger Messturm, ohne Kursänderung hätten wir ihn mittig genommen. “

Fast eine halbe Stunde schwebt hinter uns eine Möwe. Es ist absolut faszinierend, wie sie minutenlang ohne jeden Flügelschlag unsere Geschwindigkeit hält und einfach nur so dahingleitet. Es muss sich wohl um eine sogenannte Steiner-Möwe handeln, denn nur Steiner-Möwen liegt dieses eurythmisch-gleitende Schweben im Blut.

„Kupferfarbene Lichtspiele, es ist faszinierend, welche Variationen die Natur so hinbekommt.“

„Kupferfarbene Lichtspiele, es ist faszinierend, welche Variationen die Natur so hinbekommt.“

Kurz nach Mitternacht, irgendwo zwischen Hiddensee und Darßer Ort beginnt der Wind herumzumäkeln. Aber das ist nicht schlimm, bei der Windvorhersage hätten wir nicht gedacht, dass wir jetzt schon hier sind. Langsam, ganz langsam beginnt er aber von SE auf S zu drehen, um dann fast schlagartig mit mehr als 20 kn aus SW bis W zu kommen.

„Und dann wieder Stunde um Stunde eine ruppige See, die sich sehen lassen kann.“

„Und dann wieder Stunde um Stunde eine ruppige See, die sich sehen lassen kann.“

Das war nicht verabredet und das macht unseren Kurs zur Fehmarnsundbrücke nicht einfacher. Eigentlich hatten wir eine Motornacht befürchtet, dass wir aber nun wieder hart gegenan kreuzen, bringt uns gleich nochmal etwas Gelegenheit, unsere Kurs-zu-Wind-zu-Welle-Erfahrung auszubauen.

„Der einzige Platz, um endlich mal die Blogs fertig zu schreiben. Vor 3 Wochen undenkbar, dass ich dort bei so einem Wetter ruhig sitze und schreibe.“

„Der einzige Platz, um endlich mal die Blogs fertig zu schreiben. Vor 3 Wochen undenkbar, dass ich dort bei so einem Wetter ruhig sitze und schreibe.“

So kreuzen wir uns Meile um Meile Fehmarn entgegen. Die letzten Meilen, wenn man sich eigentlich schon am Ziel wähnt, sind mit Abstand die längsten. Diese Kreuzmeilen stellen an die Geduld die allerhöchsten Ansprüche und man hat nicht nur einmal das Gefühl, sich zu entfernen statt anzukommen. So erstellt man eine Ankommenshochrechnung nach der anderen, aber alle haben nur eines gemeinsam, sie sind alle schlicht falsch.

Zudem machen es uns der Wind und die Wellen wirklich nicht einfach. Ab 5 Beaufort ist die Welle definitiv nicht mehr egal und man muss seinen Kurs eher an den einlaufenden Wellen ausrichten, als nur stumpf am Wind. Immer wieder dreht die Wellenrichtung, wobei die Windrichtung eigentlich gar nicht so viele Zicken macht. Oft hilft eine Wende, denn dieses Mal haben wir ja Platz genug, manchmal aber eben auch nicht.

„Schon lange ist die Fehmarnsundbrücke in Sicht, aber wir kommen einfach nicht näher.“

„Schon lange ist die Fehmarnsundbrücke in Sicht, aber wir kommen einfach nicht näher.“

So kämpfen wir uns westwärts voran, während uns die Fehmarnsundbrücke schon seit Stunden angrinst. Vor Großenbrode dreht der Bursche sogar auf NW und nickert fast ein. Toll, da haben wir uns voll in die falsche Ecke vorgekreuzt! Hätte diese Drehung nicht vielleicht doch 2 Stunden früher kommen können? Unser Grib-File schweigt beschämt dazu und will mit dieser Entwicklung nichts zu tun haben.

„Dann ist es geschafft…..“

„Dann ist es geschafft…..“

Und um 18:00 ist dann Schluss mit Segeln, der Wind ist weg und die Fehmarnsundbrücke grinst immer noch aus 5,7 Seemeilen Entfernung zu uns herüber. Also werfen wir den Motor an und brummen den Rest nach Hause.

Um 20:00 sind wir nach 1.215,3 Seemeilen und 24 Tagen wieder fest in unserer Heimatbox.

Astrid sagt: „Eigentlich war es doch ein ganz moderater Törn.“ Ja, da hat sie recht, denn jeder weiß ja; moderat ist eben nicht nur im moderaten Sinne moderat.

Die letzten 3,5 Wochen waren wohl mit die intensivste Urlaubszeit, die wir beide zusammen, aber auch schon allein erlebt haben. Es ist schwer, die richtigen Worte dafür zu finden. Natürlich hat man auf der einen Seite etwas geschafft, was für einen persönlich ganz besonders ist. Auf der anderen Seite steht aber ein Erleben der Natur, dass kaum intensiver sein kann, als in den Momenten, in denen man wirklich allein mit ihr ist. Natürlich denkt man nun in ersten Linie an die Extreme der Natur, aber die drängen sich eigentlich nur aufgrund ihrer unnachgiebigen Gewalt in den Vordergrund. Die wirklich großen Momente sind die Stunden, die man unter diesem unbeschreiblich riesigen Sternenhimmel sitzt, der langsam aufschimmert, wenn der Tag geht und nach Stunden wieder langsam verblasst, wenn ein neuer Tag kommt. Wenn man in diesem Nächten nach oben schaut, bekommt man eine Idee von der Großartigkeit der Natur, die das ein oder andere Wichtige in unserem Leben wieder zurück an den ihm zukommenden Platz stellt.

Und nun noch etwas unvermeidliche Statistik:
24 Tage Urlaub
20 Fahrtage, 4 Hafentage
8 + 2 Nächte auf See
1215,3 Seemeilen (898,1 sm Segel = 74%; 317,2 sm Motor)
60,7 sm pro Fahrtag (kürzeste Tagesetappe 11,9 sm und die längste 206,8 sm)
1827 Photos (mit bestimmt 583 Sonnenunter- oder -aufgängen)

Und dann, gleich früh am nächsten Morgen, bekommen wir noch von Marita und Christian noch einen “inoffiziellen kleinen Empfang”. Eigentlich hatten die beiden einen “offiziellen großen Empfang” geplant, aber wir waren mit unserer Ankunftszeit am Freitagabend einfach etwas zu schnell für das “große Empfangsprotokoll”.
Wir fühlen uns schon nach 3 1/2 Wochen ein wenig wie echte heimkehrende Weltumsegler und sind echt gerührt.

„Danke Marita, Danke Christian.“

„Danke Marita, Danke Christian.“

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54° 22′ 20,4″ N, 11° 00′ 15,7″ E


2016.08_1_Estland_09.09.kml