Keine Hektik in Häggvik


Ulvön -> Häggvik Distanz: 31,0 sm Gesamtdistanz: 2679,4 sm

 

„von Ulvön -> nach Häggvik“

„von Ulvön -> nach Häggvik“

Inzwischen ist es hier oben schon deutlich herbstlicher geworden. Die Tiefdruckgebiete, die nun in kurzen Abständen durchziehen, haben mit ihrem Wind den Bottnischen Meerbusen ordentlich umgerührt. Die Wassertemperatur an der Oberfläche ist innerhalb weniger Tage von 20° auf klapperkalte 11° gefallen, was ja eher zu einem Saunatauchbecken passt als zu einem entspannten Morgenschwimmerchen.
Und in schöner Regelmäßigkeit sorgen die über Norwegen gen Norden ziehenden Tiefdruckgebiete hier für einen kräftigen Süd. Es ist schwierig, ein Wetterfensterchen mit einer anderer Windrichtung zu finden. So bläst es auch heute mit 15 bis 18 Knoten aus Süd. Den ganzen Vormittag haben wir an unserem Liegeplatz vor dem Hotel auf Nörra Ulvön schon die Brandung vor Södra Ulvön gehört. Und inzwischen wissen wir ja auch, welch hübsche Wellen schon 20 Knoten Wind im Bottnischen Meerbusen produzieren können. So ist es eigentlich gar keine Frage, auf welcher Seite wir zwischen den Ulvön Inseln herausfahren. Ordentlich schaukelig wird es aber in jedem Fall.

 

„Unser Liegeplatz vor dem Hotel auf Nörra Ulvön und die Stadt, wo hinter den Bootshäusern gerade die »Surströmming«-Premieren stattfinden.“

„Unser Liegeplatz vor dem Hotel auf Nörra Ulvön und die Stadt, wo hinter den Bootshäusern gerade die »Surströmming«-Premieren stattfinden.“

Noch fast in der westlichen Ausfahrt setzen wir das Groß im ersten Reff und lassen auch die Genua nur leicht gerefft raus. Das reicht, denn als uns die ersten Böen schnappen, geht es auch schon ordentlich los. Und in Nullkommanix gesellen sich auch wieder erstaunlich hohe Wellen hinzu, die aber wieder in einer eher angenehmen, langen Frequenz einlaufen. Auch die Westflanke von Ulvön ist nach Süden komplett offen, doch die Wellen, die von Süden ungehindert einlaufen können, steilen sich wegen der großen Wassertiefen nicht so häßlich auf. Es macht richtig Spaß, in dieser hohen Dünung aufzukreuzen. Das bringt uns zwar nicht wirklich voran, denn ein nordsetzender Strom nimmt unseren Wendewinkeln noch zusätzlich den Biss, aber es ist toll. Leider reicht der Wind nicht für das kleine Starkwindsegel auf der Selbstwendeschiene, dann hätten wir das Aufkreuzoptimum mit der PINCOYA. So müssen wir die Genua bei jeder Wende einrollen, wenden und wieder ausrollen. Das ist ein ganz ordentliches Trainingsprogramm, denn wenn der Wind den Genualappen erst einmal hat, will er ihn auch nicht wieder so einfach hergeben.

 

„Leider kommen die langen Wellen auf den Bildern gar nicht richtig raus ?, aber sie sind da ?, denn dem Schiffsjungen war gar nicht mehr gut! ?“

„Leider kommen die langen Wellen auf den Bildern gar nicht richtig raus ?, aber sie sind da ?, denn dem Schiffsjungen war gar nicht mehr gut! ?“

So kreuzen wir uns Stunde um Stunde vor, nur einmal schläft der Wind plötzlich fast vollständig ein, kommt aber nach 20 Minuten genauso kräftig zurück. Nach seiner Verschnaufpause kommt er sogar etwas südlicher rein und wir können in zwei langen Schlägen den südlichen Eingang nach Häggvik erreichen. Auch hier ist es nach Süden immer noch vollständig offen und so staut sich die einlaufende See ganz wunderbar und unsere Mägen werden noch einmal auf die Probe gestellt. Den ganzen Sommer über sind unsere Seebeine wegen des schönen Wetters wieder geschrumpft, nun müssen sie erst einmal wieder etwas wachsen. Im Endspurt nach Häggvik rauschen wir raumschots mit einem Affenzahn die ein oder andere Welle hinunter und zur Belohnung kommt sogar noch kurz die Sonne heraus. Die langen, von hinten anlaufenden Wellen sind schon beeindruckend, aber nie ein wirkliches Problem.

 

„Einfahrt nach Häggvik“

„Einfahrt nach Häggvik“

So können wir Häggvik wie geplant anlaufen. Die Einfahrt nach Häggvik ist ziemlich eng, aber sogar betonnt, was aus unseren Karten nicht zu ersehen war. Kurz vor acht machen wir in Häggvik fest und sind die einzigen Gäste. Die Saison in Schweden ist vorbei und der Sommer geht zu Ende, das haben wir heute deutlich gemerkt.

 

„Häggvik von der Südseite kurz hinter der Einfahrt“

„Häggvik von der Südseite kurz hinter der Einfahrt“

„Und die Marina von Häggvik hinter der Insel, die man auf den Bild vorher sieht.“

„Und die Marina von Häggvik hinter der Insel, die man auf den Bild vorher sieht.“

Häggvik ist wirklich ein hübscher, netter, kleiner Yachthafen, der zudem bestens geschützt liegt. Eine Einkaufsmöglichkeit gibt es in 4 km Entfernung in Nordingrå auch und auf dem Hafenparkplatz stehen mindestens 15 Fahrräder aller Größen und sogar eins davon mit Anhänger. Alles ist inklusive, auch die Fahrräder. Also radeln wir los und machen unseren Einkauf.

 

„Tour le shoping“

„Tour le shoping“

„Passt und ein großes Glas Nutella ist nun bald auch wieder an Bord.“

„Passt und ein großes Glas Nutella ist nun bald auch wieder an Bord.“

Eigentlich wollten wir am Freitag nach unserem Einkauf gleich weiter, aber die Wettervorhersage ist ungünstig, denn zur Zeit scheint der Bottnische Meerbusen nur einen kräftigen Süd im Angebot zu haben. All die Jahre haben wir immer wieder die Segler beneidet, die einfach warten konnten, bis der richtige Wind kommt. Und nun fragen wir uns, wieso wir das jetzt nicht auch einfach so machen. Doch auch nach 4 Monaten fehlt uns immer noch etwas die Gelassenheit zum Abwarten. Permanent kribbelt es und man will doch noch hierhin und dorthin und irgendwie juckt die ganze Zeit so eine Art Aufbruchsstimmung im Hintergrund. Es ist schwer, einen guten Mittelweg zwischen dem zu finden, was man alles sehen und machen möchte und einem vernünftigen Umgang mit dem Wetters und der Zeit. Dazu braucht es eben Gelassenheit, von der wir dachten – wenn wir bisher überhaupt darüber nachgedachten haben ? -, dass es die bei unserem 6-monatigem Off gratis dazu gibt. Da diese Gelassenheit aber im Widerstreit mit der Neugier steht, die uns ja überhaupt erst hierher geführt hat, ist es mit der Gelassenheit am Ende doch gar nicht so einfach. Ausreichend Neugier und Aufbruchsstimmung haben wir ja, aber das mit der Gelassenheit müssen wir tatsächlich noch etwas lernen. Einer Gelassenheit, die dem aktuellen Moment genügend Raum gibt. Es ist schon merkwürdig, wie leicht man darin verfällt, den aktuellen Moment zu missachten, weil das Andere schon wieder lockt.
Und so sagen wir dem Hafenmeister abends, dass wir einfach noch eine Nacht bleiben und drücken ihm noch einmal die Hafengebühr in die Hand.

 

„Manche Ecken sehen schon etwas nach einem Bergsee aus, fehlen nur noch Heidi und der Alm-Öhi.

„Manche Ecken sehen schon etwas nach einem Bergsee aus, fehlen nur noch Heidi und der Alm-Öhi.

„Geburtstag in Schweden.“

„Geburtstag in Schweden.“

Samstag früh zeigt sich das Wetter von seiner besten Seite, denn schließlich hat Astrid ja auch heute Geburtstag. Wir hatten lange überlegt, wo wir sein wollen, wenn wir Astrids Geburtstag feiern. Und nun ist es etwas ungeplant Häggvik geworden. Das kleine Yachthafenidyll passt aber wirklich ganz prima als Geburtstagshafen und das Wetter setzt noch das I-Tüpfelchen obendrauf. Als wir gestern noch lange mit dem Hafenmeister gequatscht haben, hat er uns einen Aufstieg auf den Hausfelsen »Stortorget«, direkt hinter »Mannaminne«, dem wohl skurrilsten Museum Schwedens, empfohlen. Von dort soll man einen wunderbaren Ausblick über den ganzen Fjord und die Höga Kusten haben, was ja ganz prima passt, wenn man hier ist und Geburtstag hat.

 

„Wenn man hier liegt, ist es nicht so schwer, es etwas länger auszuhalten.“

„Wenn man hier liegt, ist es nicht so schwer, es etwas länger auszuhalten.“

Als wir gerade aufbrechen wollen, kommt der Hafenmeister noch einmal vorbei und lädt uns zum Kaffee ein. Seine Frau hätte schon Zimtschnecken und Brote fertig gemacht und sie würden sich riesig freuen, wenn wir einfach mal für ´nen Stündchen rumkommen. Am Ende quatschen wir mehr als 2 Stunden und genießen die tolle und herzliche Gastfreundschaft. Wir sind neugierig, wie es hier so im Winter ist, und wie man hier als Segler und Hafenmeister die Saison erlebt. Bis 2013 haben die beiden in Luleå gelebt, denn dort war er bis zu seiner Pensionierung Dozent an der Uni. Es gibt viel zu erzählen und wir finden nur langsam ein Ende und beginnen erst spät mit der Geburtstagsbesteigung des »Stortorget«.

 

„Der Aufstieg auf »Stortorget«“

„Der Aufstieg auf »Stortorget«“

„Nicht zu viel versprochen, der Ausblick ist super.“

„Nicht zu viel versprochen, der Ausblick ist super.“

„Rechts sieht man den Mast der PINCOYA.“

„Rechts sieht man den Mast der PINCOYA.“

Und danach? … ja danach sind wir faul, brechen auch an diesem Tag nicht mehr auf, feiern Geburtstag mit Zimtschnecken und kochen uns ein schönes Geburtstagsmenu, während es draußen beginnt zu pladdern und wir uns denken, dass die Entscheidung, noch einen Tag hier zu bleiben, gar nicht so schlecht war.


Stationen:

16.08. Ulvön -> Häggvik 31,0 sm: 62° 54′ 35,7″ N, 18° 17′ 31,9″ E

17. -> 18.08. Häggvik: 62° 54′ 35,7″ N, 18° 17′ 31,9″ E