Trysunda, Mjältön, Ulvön und »Surströmming«


Örnsköldsvik -> Ulvön Distanz: 30,2 sm Gesamtdistanz: 2.648,4 sm

„von Örnsköldsvik -> nach Ulvön“

„von Örnsköldsvik -> nach Ulvön“

„Ein Abschiedsblick auf Örnsköldsvik“

„Ein Abschiedsblick auf Örnsköldsvik“

Ab Örnsköldsvik fahren wir nun tatsächlich in den Bereich der Höga Kusten ein, der sich im Süden bis Härnösand erstreckt. Die Höga Kusten wurde 2000 zum UNESCO Weltnaturerbe erklärt und 2006 kam »Nörra Kvarken« auf der finnischen Seite des Bottnischen Meerbusens hinzu. In der letzten Eiszeit türmte sich hier das Eis ziemlich unglaubliche 3 Kilometer hoch und drückte durch sein Gewicht das Land herunter. Und als das Eis schmolz, hob sich das Land wieder, und das tut es heute noch um etwa 1 cm pro Jahr. Bis heute hat es sich um etwas mehr als 280 Meter gehoben, wobei hier die ältesten Küstenlinien nur etwa 3 km von den heutigen Küstenlinien entfernt liegen, denn die Höga Kusten fällt steil in den Bottnischen Meerbusen ab, ganz anders als die Küste auf der finnischen Seite. So fahren wir nun durch ein Gebiet, dessen Inseln es lange Zeit nach der Eiszeit noch gar nicht gab und in dem viele frühere Inseln aufgrund der Hebung nun Teil des Festlandes geworden sind.

„Die Höga Kusten empfängt uns silbrig glitzernd“

„Die Höga Kusten empfängt uns silbrig glitzernd“

„Es wird bergiger an der Höga Kusten“

„Es wird bergiger an der Höga Kusten“

„Trysunda voraus und schon bei der Einfahrt steht fest, dass wir auf diesen Felsen, Bild unten, drauf müssen“

„Trysunda voraus und schon bei der Einfahrt steht fest, dass wir auf diesen Felsen, Bild unten, drauf müssen“

Als das Fischerdorf Trysunda im 16. Jahrhundert von Gävle-Fischer gegründet wurde, führten noch drei Sunde zu dem Hafen des Dorfs. Daher auch der Name Trysunda. Durch die Landhebung der letzten Jahrhunderte, ist davon allerdings heute nur noch ein Sund als Zufahrt übrig geblieben, denn die drei Inseln, in deren Mitte der Hafen lag, wuchsen zu einer zusammen.

„Trysunda ist ein echtes Idyll“

„Trysunda ist ein echtes Idyll“

„Rechts die Entwicklung: oben vor 1000 Jahren, in der Mitte heute und unten in 1000 Jahren“

„Rechts die Entwicklung: oben vor 1000 Jahren, in der Mitte heute und unten in 1000 Jahren“

Auf unserem Inselrundgang treffen wir vor der Kirche eine ältere Dame, die ihrer Enkelin und deren Freund gerade zeigt, wie und wo ihre Urgroßeltern noch gelebt haben. Da wir mit dem riesigen Schlüssel, der für den eigenständigen Gebrauch gleich neben der Kirchentür hängt, die Tür doch nicht richtig auf bekommen, kommen wir ins Gespräch.

„Trysunda“

„Trysunda“

„Vor der Kirche von Trysunda“

„Vor der Kirche von Trysunda“

In ziemlich gutem Englisch erzählt sie uns, wie das früher hier auf Trysunda war. Ihre Generation hat Trysunda verlassen, nicht zuletzt weil das Leben hier auf der Insel einfach nur hart und entbehrungsreich war. Es gab zwar ein Dorfleben mit einigen Familien, einer Schule und einer Kirche, aber das Leben hatte nichts, aber auch gar nichts mit dem Idyll zu tun, das heute die Touristen hier sehen und so genießen. Es war einfach nur furchtbar und eben auch furchtbar hart. So ungefähr ihr Originalton. Aber heute kommen die Enkel und Urenkel der damaligen Fischerfamilien zurück und beginnen alles zu bewahren und zu erhalten. Ihre Generation war nur froh, auf’s Festland zu kommen, um dort eine Arbeit und ein Leben zu finden, das nicht ganz so entbehrungsreich war wie das Leben der Fischer auf Trysunda. Heute lebt nur noch die alte Lehrerin ganzjährig auf Trysunda, aber das ist im kommenden Winter auch noch nicht ganz gewiss, denn im Frühjahr ist ihr Mann gestorben und die beiden waren lange Jahre die einzigen, die auch im Winter hier geblieben sind. Die alte Dame zeigt uns das Haus ihrer Lehrerin und die Schule und natürlich auch die Kirche. Sie kennt von jedem Haus die Geschichte und zeigt uns, wo heute noch ihre Klassenkameraden von damals wohnen, die aber auch nur noch so wie sie im Sommer hierher kommen.

„Die Kirche von Trysunda“

„Die Kirche von Trysunda“

Dann empfiehlt sie uns einen Rundweg um die Insel und gibt uns einige Tipps, wenn wir nicht mehr weiterzukommen und meinen, zurückgehen zu müssen. Also machen wir uns auf den Weg. Eigentlich wollten wir ja nur auf den glatt polierten Riesenfelsen im Süden von Trysunda klettern, aber nun haben wir die Inselumwanderung als Ziel. Doch leider verzieht sich die Sonne, aber es bleibt trocken. Wie schön wäre es gewesen, wenn wir bei Sonnenschein über die von den Eiszeiten so glatt geschliffenen Felsen hätten klettern können.

„Durch den Wald geht's rüber zur felsigen Küste der Insel“

„Durch den Wald geht's rüber zur felsigen Küste der Insel“

„Wunderbar glatte Felsen erwarten uns.“

„Wunderbar glatte Felsen erwarten uns.“

Aber auch ohne Sonne ist die Kraxelei über die Felsen schon jetzt ein absolutes Highlight unserer Tour hier entlang der Höga Kusten. Unsere Felsentour nah am Wasser und um Trysunda herum steht in einem krassen Gegensatz zu dem pittoresken Fischerdorf in der Mitte der Insel. Urzeitlich urwüchsig kommen einem diese Felsen vor und unwillkürlich fragen wir uns ein ums andere Mal, wie unglaublich groß die Kräfte gewesen sein müssen, die hier am Werk waren.

„Der Schiffsjunge auf dem Felsen“

„Der Schiffsjunge auf dem Felsen“

„Wir und die Weite!“

„Wir und die Weite!“

„Roter Granit“

„Roter Granit“

„Der Inselrundweg ist nicht gerade ein ausgetretener Wanderweg und der Baum hat's auch nicht gerade leicht.“

„Der Inselrundweg ist nicht gerade ein ausgetretener Wanderweg und der Baum hat's auch nicht gerade leicht.“

„Perspektiven“

„Perspektiven“

Am Ende unserer Wanderung erwartet uns dann noch der »Strand« von Trysunda. An diesem Strand ist der Sand etwas gröber und besteht aus rund und glatt geschliffenen Granitsteinen aller Größen zwischen einem Golf- und einem Handball. Die verschiedenen Größen haben sich aber doch schon mehr oder weniger gut sortiert an verschiedenen Abschnitten des Strandes zusammengefunden. Das Besondere dabei ist, dass diese Steine aus den drei verschiedenen Granitsorten dieser Region bestehen und ein buntes Bild von grauen, fast weißen und roten Kullersteinen bilden.

„Der Strand von Trysunda“

„Der Strand von Trysunda“

Nach der Wanderung haben wir keine Lust mehr weiterzufahren. Die Wege zu den nächsten schönen Ecken sind hier zwar nicht weit, aber das Nichtstun ist heute dann doch verlockender.

In der Nacht hören wir, wie neben uns jemand anlegt. Am morgen sehen wir, dass Julius und Reinhard mit ihrer Beaufort wieder neben uns liegen. Die Welt ist klein. Julius und Reinhard mussten in Umeå lange auf günstigeren Wind warten, bis sie mit ihrer Friendship 22 wieder los konnten. Jetzt drängt sie die Zeit noch mehr, denn sie wollen schon Anfang September zurück auf Usedom sein. Wir empfinden unsere Rückfahrt schon als »stramm«, aber was die beiden sich da vorgenommen haben, ist schon ziemlich sportlich. Und das Wetter der nächsten Woche wird es ihnen auch nicht wirklich leicht und angenehm machen.

„Abschied von Trysunda, Julius und Reinhard bleiben noch etwas.“

„Abschied von Trysunda, Julius und Reinhard bleiben noch etwas.“

„Momente an der Höga Kusten“

„Momente an der Höga Kusten“

„Farbspiel ?“

„Farbspiel ?“

Es ist gut, dass wir es nicht ganz so eilig haben. So fahren wir bei fast vollständiger Windstille nach Mjältön. Im Südosten von Mjältön liegt die fast kreisrunde Lagune Baggviken, in die man durch eine schmale Einfahrt kommt. Dort fahren wir rein und werfen in der südlichen Hälfte den Anker. Normalerweise liegt man hier vor Heckanker an einigen Schwimmstegen, aber wir haben keinen. Das ist aber jetzt nicht mehr ganz so schlimm, denn die Saison ist vorbei und wir behindern niemand mehr mit unserer freien Ankerei.

„Einfahrt in die Lagune Baggviken auf Mjältön“

„Einfahrt in die Lagune Baggviken auf Mjältön“

„Aussicht von Mjältön“

„Aussicht von Mjältön“

Und weil die Sonne gerade so schön scheint, klettern wir auf den Felsen südlich der Lagune. Die Aussicht von Mjältöns richtigem Berggipfel verkneifen wir uns, obwohl es der höchste Inselberg hier an der Höga Kusten sein soll. Und der Ausblick von diesem kleinen Felsen auf die Lagune, die PINCOYA und auf die ganze Höga Kusten ist grandios.

„Die Höga Kusten“

„Die Höga Kusten“

„Überall wächst Moos“

„Überall wächst Moos“

Für den Abstieg beschließt diesmal die Capitana, die ausgetretenen Pfand zu verlassen und in einem hübschen Bogen wieder zurückzugehen. Nach meinem Abkürzungsdisaster von Hölmön, halte ich mich im Augenblick mit solchen Vorschlägen doch lieber etwas zurück. Nachdem wir uns dann aber 2 Stunden über abenteuerliche Felsen und durch ein Unterholz geschlagen haben, das die Hecke von Dornröschen locker in den Schatten stellt, fasse ich wieder etwas Mut, doch wieder die nächsten Vorschläge zu neuen Wegen zu machen, denn schlimmer kann es nun auch nicht mehr kommen.

„Der See oberhalb der Lagune und wir in der Lagune“

„Der See oberhalb der Lagune und wir in der Lagune“

„Abendstimmung mal anders“

„Abendstimmung mal anders“

Am nächsten Nachmittag, es ist ein Mittwoch, der dritte Mittwoch im August, trödeln wir nichts ahnend die 4 Seemeilen rüber nach Ulvön, der Wolfsinsel, auf der es vermutlich niemals einen Wolf gegeben hat. Ihren Namen bekamen Nörra und Södra Ulvön wohl eher von einem der drei Brüder, die die Inseln früher besaßen, denn der Älteste von ihnen hieß Ulv.

„Die Einfahrt nach Ulvön“

„Die Einfahrt nach Ulvön“

„Ulvön“

„Ulvön“

„Ulvön“

„Ulvön“

Aber auf Ulvön steht auch die Wiege des »Surströmming«, des weltbekannten »sauer Herings«. Und wenn die Wiege dieser Heringsdelikatesse doch nicht hier steht, dann macht das auch nichts, denn er stinkt so erbärmlich, dass sowieso halb Schweden etwas davon hat. Selbst die härtesten Schweden öffnen die Dosen nur in einem Becken mit kaltem Wasser. Julius und Reinhard haben in ihrem jugendlichem Leichtsinn probiert und uns sehr geraten, es zu lassen, denn es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die man nicht ausprobieren muss. Bei dem »Surströmming« handelt es sich eigentlich um ganz normale, harmlose und zunächst durchaus wohlschmeckende Heringe, die im Frühjahr gefangen werden. Diese Heringe sind auch essbar, solange bis einer der »Surströmming«-Hersteller sie in die Finger bekommt. Denn der legt den armen Fisch, -Gott sei Dank ist der ja dann schon tot und merkt gar nicht mehr, was da Schlimmes mit ihm passiert -, in eine Salzlake ein. Das alles beginnt dann zu gären. Etwa 4 Wochen vor der »Surströmming«-Premiere wird der noch gärende Fisch in Dosen gepackt. Fertig zum Verzehr ist das Ganze, wenn die Deckel der starken Metalldosen unter dem Überdruck des bestialischen Gestanks im Innern sich aufbäumen.

„Alles ist bereit zur »Surströmming«-Premiere“

„Alles ist bereit zur »Surströmming«-Premiere“

Unser Hafenmeister in Häggvik verrät uns 2 Tage später, dass er den »Surströmming« liebt, er ihn auch schon deutschen Freunden angeboten hat, die auch überlebt haben sollen, aber dass auch er die Dosen ausschließlich gegen Ende der Saison auf der Terrasse seines Sommerhauses unter Wasser öffnet. So sei sichergestellt, dass das Haupthaus über den Winter bewohnbar bleibt und das Wochenendhaus bis zum nächsten Mai wieder ordentlich ausgelüftet ist. Und am 16.08. ist nun der Schicksalstag, der dritte Donnerstag im August und dieser Tag ist der offizielle Tag der jährlichen »Surströmming«-Premiere! Und wir sind da, wollen aber ganz bestimmt nicht probieren. 1937 wurde vom schwedischen König verfügt, dass die Dosen des neuen »Surströmming«-Jahrgangs immer erst ab dem dritten Donnerstag im August geöffnet werden dürfen, damit der Fisch auch wirklich so lange gereift ist, dass er auch für den Verzehr geeignet ist. Wie man grundsätzlich auf die Idee kommen kann, dass so etwas für den Verzehr geeignet ist, ist uns ein Rätsel, aber da sieht man auch, dass selbst königliche Hoheiten so etwas für essbar halten.

„Noch sind die Stühle leer...“

„Noch sind die Stühle leer…“

Und wo wir gerade bei königlichen Hoheiten sind, muss auch dies noch erwähnt werden. Der noch junge und vollkommen unerfahrene schwedische König Karl XII. erzielte im Großen Nordischen Krieg 1700 bis 1721 gegen die Allianz aus Russland, Sachsen und Polen und aus Norwegen und Dänemark anfangs vollkommen überraschende Teilsiege, so dass bald nur noch die Russen als Kriegsgegner im Rennen waren. Aus gesicherten Quellen ist belegt, dass bei den Siegen über die Armeen von Sachsen, Polen, Dänemark und auch Norwegen der »Surströmming« eine entscheidende Rolle spielte. Nur die Russen waren am Ende hart genug, dem Gestank von hunderten, zeitgleich geöffneter Dosen »Surströmming« zu widerstehen, die selbstverständlich nicht unter Wasser, sondern strategisch günstig in Luv der Feinde geöffnet wurden. So kapitulierten alle Allianzmitglieder spontan und traten erst der kriegerischen Allianz wieder bei, als die »Surströmming«-resistenten Russen den Schweden eine empfindliche Niederlage beigebracht hatten. Kurz nach diesem Ereignis wurde übrigens der Wodka zum offiziellen Nationalgetränk der Russen erhoben und man reicht ihn heute noch gern zum »Surströmming«.

„Blick vom Lotsenturm auf Ulvön“

„Blick vom Lotsenturm auf Ulvön“

Wir begnügen uns an diesem schicksalsschweren Donnerstag damit, eine der »Surströmming«-Premieren auf Ulvön in ihrer Vorbereitung zu photographieren. Danach steigen wir auf den Lotsenturm, von dem aus die Lotsen jahrhundertelang nach Kundschaft Ausschau hielten, die Hilfe bei der Navigation an der Höga Kusten brauchte. Der Wind steht günstig, denn es ist ein Südwind, der den Gestank der »Surströmming«-Premieren geduldig nach Norden trägt, wo nur einige Rentiere rätselhaft verenden, aber wir nicht weiter in Mitleidenschaft gezogen werden können.

„Die neue Kirche von Ulvön“

„Die neue Kirche von Ulvön“

„Die alte Kirche von Ulvön“

„Die alte Kirche von Ulvön“

„Die alte Kirche“

„Die alte Kirche“


Stationen:

12.08. Örnsköldsvik -> Trysunda 15,2 sm: 63° 08′ 23,2″ N, 18° 47′ 09,1″ E

14.08. Trysunda -> Mjältön 10,6 sm: 63° 02′ 12,6″ N, 18° 31′ 59,8″ E

15.08. Mjältön -> Ulvön 4,4 sm: 63° 01′ 18,5″ N, 18° 39′ 29,5″ E