Weiter, nur schnell weiter!


17. + 18.09.2018
Simrishamn (S) -> nördlich Møn (DK) (A): 91,5 sm Gesamtdistanz: 3.588,1 sm

„von Simrishamn (S) -> in den Norden von Møn (DK) vor Anker“

„von Simrishamn (S) -> in den Norden von Møn (DK) vor Anker“

Die neue Wettervorhersage macht es für uns nicht besser. Es ist wie verhext. Nicht, dass es damit genug wäre, dass der Wind auf unabsehbare Zeit auch nicht nur ein einziges kurzes Mal aus einer östlichen Richtung kommt, nein, für die nächsten 8 Tage kündigt sich ein Sturmtiefensemble nach dem nächsten an. Und dann weht es nicht nur aus der falschen Richtung, dann stürmt es von dort sogar so sehr, dass wir uns verstecken müssen. Die ersten beiden Sturmtiefs am Donnerstag und Freitag gehen etwas nördlich von uns durch. D.h., je weiter wir nach Süden vorankommen, desto besser für uns. Aber das dritte soll uns zum Beginn der kommenden Woche mit Orkanstärke erwischen und mehr oder weniger direkt über uns hinwegziehen.

„Die letzten Reserven müssen ganz von unten aus der Backskiste geholt werden.“

„Die letzten Reserven müssen ganz von unten aus der Backskiste geholt werden.“

So hatten wir uns unsere Rückreise ganz bestimmt nicht vorgestellt. Sicher…, das sind alles nur Vorhersagen, aber im Mittel liegen die eben für die nächsten drei bis fünf Tage auch nicht voll daneben. Schließlich kann man ja auch heute schon ganz gut sehen, was sich südwestlich von England zu uns auf den Weg macht.

Wir überlegen hin und her, wie wir es machen, und schmieden dann den folgenden Plan: von Ystad aus versuchen wir, uns nördlich von Møn zu verdrücken. Dazu scheint Dienstag der richtige Tag zu sein. Deswegen müssen wir uns auch heute, am Montag, unbedingt bis Ystad vorankreuzen. Dann verdrücken wir uns durch das Innenfahrwasser westlich von Møn in Richtung Smålandsfarvandet. Dort kann das erste Sturmtief dann gerne kommen, denn wir sind dann schon so südlich, dass es uns vielleicht auch gar nichts mehr tut. Von dort huschen wir dann hinter Langeland und pirschen uns via Svendborg hinter Aerø weiter in Richtung Westen vor. Hier kann dann das zweite Sturmtief durchziehen, genügend gute Häfen gibt es hier und die kennen wir auch alle ganz gut und können abschätzen, ob sie für einen Sturm aus dieser Richtung passen oder nicht. Den Hammer hoffen wir dann, Anfang nächster Woche schon an der deutschen Ostseeküste nördlich von Kiel empfangen zu können. Optimal wäre Strande, aber mal sehen, nun muss erst einmal der Wind zu unseren Plänen passen. Und ob das klappt, weiß ja nur der Geier, denn oft genug kommt es ja eh anders als vorhergesagt, aber dann ist es eben so, wie es ist und wir müssen das Beste draus machen.

„Der Yachthafen von Simrishamn“

„Der Yachthafen von Simrishamn“

Ganz so hektisch hatten wir uns unsere Rückreise nicht vorgestellt. Eigentlich sollte es mit 10 bis 15 Knoten irgendwie aus Ost wehen, wobei das spätherbstliche Hoch tagsüber immer noch erstaunlich viel Sonne mit sich bringt und die Nächte eigentlich für die Jahreszeit zu warm sind. ☺️ So war das geplant! Und nun haben wir dieses Theater ?und keiner hört auf uns und unsere Planung ?. Ok, seglerisch betrachtet, ist das schon eine interessante Aufgabe, aber entspannungstechnisch ist es doch eher eine Nullnummer. Ein gesunder Mix wäre gut, aber den gibt es wohl nicht so einfach.

Auf meiner Festplatte stauen sich seit Stockholm inzwischen auch schon fünf Blogs. Die Schreiberei ist dabei nicht so das Problem, aber wenn wir ständig navigieren müssen, wir dabei ohne Ende auf der Backe liegen und ich mich am Salontisch nur so festklammern kann, dann geht eine Bild- und Collagen-Bearbeitung nicht mehr so einfach von der Hand. So bleibt das alles liegen und irgendwann gibt es dann ganz bestimmt ein »Veröffentlichungsfeuerwerk«.

Aber hier noch schnell die gute Nachricht für alle Hobbysegler, die ebenso wenig seefest sind wie wir. Die gute Nachricht ist, die Seebeine wachsen tatsächlich, je länger man ordentlich einen auf die Mütze bekommt ?. Es besteht also Hoffnung und uns geht es inzwischen bei jedem Wetter bestens ?. Das war nicht immer so ?!

In Simrisham tanken wir noch schnell den Rest unserer Kanisterreserve. Obwohl das Motoren bei Starkwind und Sturm ja auf Dauer sowieso nicht hilft, ist es trotzdem beruhigend, mit einem vollen Tank zu starten.
Die letzen 36 Stunden aus der Hanö-Bucht stecken uns noch in den Knochen. Wir können nicht wirklich behaupten, dass solche nächtlichen Kreuzschläge spurlos an uns vorübergehen. Die ganze Nacht hat es auch nicht wirklich aufgehört, aus Südwest zu wehen, und wir brechen aus Simrishamn nicht mit einem Hochgefühl und einem neuen, taufrischen Tatendrang auf. Eigentlich reicht es inzwischen für eine kleine Pause, aber wir müssen weiter, denn die Aussichten werden nicht besser, sondern eher schlechter.

„Abschied von Simrishamn“

„Abschied von Simrishamn“

Aber wider aller Erwartungen klappt die Kreuz in Richtung Sandhammaren, der südöstlichen Ecke Schwedens, erstaunlich gut. Vielleicht will sich die Gesamtsituation ja doch mit uns versöhnen… ?
Immer, wenn die Wellen dann doch wieder etwas unangenehm reinkommen, gehen wir wieder weiter unter Land. Die Taktik geht auf und mit dem letzten Kreuzschlag können wir die südliche Untiefe vor Ystad anhalten. Auf diesem nordwestlichen Kurs läuft es gut und je weiter wir uns von Sandhammaren nach Westen entfernen, desto gleichmäßiger läuft es.

„Sandhammaren, die südöstliche Ecke Schwedens“

„Sandhammaren, die südöstliche Ecke Schwedens“

„Die Fähren vor Ystad.“

„Die Fähren vor Ystad.“

„Abendstimmung vor Ystad“

„Abendstimmung vor Ystad“

So erreichen wir Ystad sogar noch knapp im Hellen. Auch die Marina von Ystad ist mehr oder weniger leer, obwohl Ystad auch zu dieser Jahreszeit noch eine Drehscheibe für Fahrtensegler vieler Nationen ist. Ein buntgemischtes Fahrtenseglervölkchen liegt hier und jeder lauert auf den richtigen Wind für seine Reiserichtung. Natürlich gibt es für fast alle nur noch die Richtung »Heimat« und für einige heißt das eben auch nicht Süd, sondern Nord oder Ost. Aber die Masse ist schon »southbound« unterwegs so wie wir.

„Der Yachthafen von Ystad“

„Der Yachthafen von Ystad“

Auch in Ystad gibt es noch keine Ruhe für uns. Wir müssen schnellstens weiter und rüber nach Dänemark. Die Sturmtiefs sind auf dem Vormarsch und alles deutet daraufhin, dass das kein Spaß wird, wenn die erst einmal hier sind. Uns bleibt noch der Dienstag und vielleicht auch noch der Mittwoch, danach wird es ungemütlich.

„Goodbye Ystad“

„Goodbye Ystad“

Die drei deutschen Herrencrews neben uns brechen in aller Herrgottsfrühe, kurz vor Sonnenaufgang, auf. Die Fahnen ihrer Vercharterer deuten auf Heiligenhafen als Charterbasis hin, also wird deren Ziel heute wohl Klintholm auf Møn sein. Da aber überhaupt kein Wind ist, legen wir uns erst einmal wieder hin, um noch eine Mütze Schlaf zu bekommen. Auf Motoren haben wir keine Lust, dazu ist die Strecke einfach zu lang. Wir wollen Segeln, egal wie lange es dann dauert. Deswegen haben wir uns auch nicht Klintholm als Ziel vorgenommen, sondern beschlossen, einfach nördlich von Møn den Anker zu werfen. Dann ist es vollkommen egal, wann wir dort ankommen. Bei jeder Witterung und zu jeder Tageszeit gehen wir dort einfach etwas unter Land und werfen den Anker. Denn alles ist wahrscheinlich, nur nicht, dass es irgendwann aus Nord oder Ost bläst. So sind wir dort sicher und außerdem können wir dann nördlich von Møn durch das Bogestrøm Fahrwasser gehen. Das ist zwar flach, aber sollten die Tiefs früher eintreffen, ist das immer noch möglich. Ein schnelles und frühes Sturmtief würde uns in Klintholm festtackern.

„Schweden verschwindet langsam am Horizont“

„Schweden verschwindet langsam am Horizont“

„Auf dem Weg von Ystad nach Møn.“

„Auf dem Weg von Ystad nach Møn.“

Als wir 2 1/2 Stunden später aufbrechen ist immer noch absolute Flaute. Erst 30 Minuten später kommt ein erstes, leises Lüftchen auf. Wir setzen die Segel und plätschern anfangs mit 2 Knoten voran. Aber wie gesagt, es ist ja eben egal, wann wir ankommen. Kurze Zeit später frischt es etwas auf und was dann kommt, sucht seines Gleichen als wunderbarer Segeltag. »Voll und bei« fahren wir mit einem 4 bis 5er Südost unter einem sonnenblauen Himmel unserem Ziel entgegen. Dieser Tag entschädigt für all die kalten und harten Kreuzschläge und vor allem für die bitterkalte Nacht auf der Hanö-Bucht. So schön kann Segeln auch sein und so schnell kann man all die Widrigkeiten der letzten Tage vergessen.

„Schweden geht, Dänemark kommt“

„Schweden geht, Dänemark kommt“

„Klint Møn gibt es nie ohne die TT-Line und die Stena-Line ?, das war schon vor 25 Jahren so und ist heute immer noch so.“

„Klint Møn gibt es nie ohne die TT-Line und die Stena-Line ?, das war schon vor 25 Jahren so und ist heute immer noch so.“

Schon um 18:30 fällt unser Anker im Norden von Møn und wir genießen einen traumhaften Sonnenuntergang und unser allerletztes schwedisches Bier. Nun sind wir zurück in Dänemark und müssen uns nun nur noch durch die dänische Südsee verdrücken und verstecken, wenn es zu heftig wird. Unser Törn neigt sich dem Ende zu, aber die letzten Meilen bleiben noch spannend.

„Klint Møn“

„Klint Møn“

„Mal ein Sonnenuntergang in Etappen“

„Mal ein Sonnenuntergang in Etappen“

„Der Sonnenaufgang am nächsten Morgen.“

„Der Sonnenaufgang am nächsten Morgen.“


Stationen:

17.09. Simrishamn -> Ystad 36,7 sm: 55° 25′ 31,3″ N, 13° 48′ 54,9″ E

18.09. Ystad (S) -> nördlich Møn (DK) (A) 54,8 sm: 55° 01′ 36,6″ N, 12° 24′ 37,9″ E