Bastelzeiten II


An diesem Bastelwochenende erfüllt das Wetter wieder alle Erwartungen. Allerdings nur die, die man so landläufig in Norddeutschland an ein Wochenende Anfang März hat. Schon die ganze Woche ging eine Front nach der anderen durch, aber die letzte Gewitterfront von Donnerstag auf Freitag hatte es wirklich in sich. Mit gemischten Gefühlen beobachten wir das Geschehen von Hannover aus. Immer, wenn Wetteronline rote Windfähnchen zeigt, checken wir regelmäßig die tatsächliche Lage am Leuchtturm in Bremerhaven über Windfinder. Diese Woche waren es nicht selten 6 bis 7 und in Böen 8 bis 9. Über die WebCams der Marina im-jaich können wir die PINCOYA sehen. Nicht richtig gut, aber man sieht, ob alles weitgehend ok ist. Über die WebCam auf dem Atlantic Hotel hat man einen guten Überblick über den ganzen Neuen Hafen. Da kann man die PINCOYA zwar nur erahnen, wenn man weiß, wo man ahnen muss, aber die ganze Pracht des schlechten Wetters offenbart sich einem in ihrer ganzen nasskalten Schönheit.

So ein Hammerfrühlingswochenende wie vor 14 Tagen ist erstmal nicht in Sicht. Seit Anfang März geben sich hier nun die Tiefdruckgebiete im fliegenden Wechsel die Klinke in die Hand, und kein Hoch hat auch nur die kleinste Chance, sich auch nur mal kurz in Bremerhaven breit zu machen. So richtig ruhig ist es immer nur mal für einige Stunden, wenn eine Front gerade weg und die andere noch nicht ganz da ist.
Das sieht man inzwischen unseren Planen auch an, die sind nun nach diesem Winter schon arg mitgenommen. Wenn wir nochmal im Wasser oder draußen überwintern, werden wir uns wohl vorher eine richtige Persenning schneidern lassen müssen. Eine großzügige Abdeckung bringt schon richtig was, besonders über dem Cockpit ist das angenehm, auch wenn man nur ab und zu mal auf dem Schiff wohnt. Unsere normalen Gewebeplanen sind nun »durch«, einen weiteren Winter werden die nicht mehr zum Einsatz kommen können.

Nur gut, dass wir Dank des schönen letzten Wochenendes schon alle »Außenarbeiten« am Radarmast fertig haben. Dieses Wochenende wäre daraus definitiv nichts geworden.

Der nächste Sturm setzt in der Nacht zum Samstag gegen 2:00 ein. Eine Schauerbö jagt die nächste. Freitagabend war es relativ ruhig und so entspannt sind wir dann auch in die Koje gekrochen. Jetzt holt die PINCOYA mit jeder Bö ordentlich über. Die kommen genau aus NW, unsere Achillesferse am Liegeplatz. Ein Nordwest bläst ungebremst zwischen den Apartmenthäusern durch und trifft uns mit Düseneffekt aus etwa 120 Grad. Zum Segeln nicht schlecht, aber hier jetzt so am Winterliegeplatz eine ungünstige Richtung. Die Plane schlägt wie wild, während der Regen versucht, wagerecht zu entkommen. Gestern Abend war es zu ruhig, um daran zu denken, die Plane auf der Seite, an der wir an Bord gehen, wieder festzuzurren. Also steige ich missmutig in meine Jeans, stülpe mir ein Sweatshirt über, schiebe die Stirnlampe auf den Kopf und verschwinde nach draußen. Angenehm ist anders, besonders wenn man aus einer warmen Koje kommt. Mit klammen Fingern schnappe ich mir die Zurrstrippen der Plane. Der Regen jagt im Licht der Stirnlampe waagerecht durch die Nacht. Der Wind ist hinterhältig, und wenn eine Bö unter die Plane will, dann schafft sie das auch. Nach 10 Minuten habe ich aber alle Zurrstrippen wieder verknotet und kann zurück in die Koje. Gott sein Dank hat Astrid alles schön warm gehalten, was für ein Glück!

„Bisher gehen die Kabel nur rein...“

„Bisher gehen die Kabel nur rein…“

Am Samstag ist erstmal »Strippen ziehen« an der Reihe. Alle Kabel liegen zwar schon im Schiff, aber dort liegen sie eben nur so rum. Immerhin möchten 5 Kabel verlegt und angeschlossen werden. 1x Radar, 2x GPS, 1x AIS und 1x WLAN-Antenne. Die GPS- und Funkantennenkabel sind mit Stecker vorkonfektioniert. Und diese Stecker lassen wir auch dran und versuchen, die Kabel mit Stecker durchzuziehen.

„Viel Fummelei bis zum ersten Bild.“

„Viel Fummelei bis zum ersten Bild.“

Es ist eine elende Fummelei, die Burschen mit Stecker voraus durch die Löcher zu bekommen, an die man noch nicht einmal mehr mit den Fingerspitzen kommt. Aber nach 2 Stunden kommen dann tatsächlich alle Kabel dort raus, wo sie rauskommen sollen. Nun müssen wir sie »nur« noch anschließen. Eine Fleißarbeit, wenn man alles übersichtlich haben möchte und auch gleich noch einige »Verkabelungssünden« aus grauer Vorzeit beseitigt. Aber am späten Mittag laufen AIS und Furuno wieder und am Nachmittag erwacht der B&G-Plotter erstmals zum Leben. Doch auch das Bastelchaos ist inzwischen grenzenlos und nach einigen ersten kleinen Plotterkonfigurationen beschließen wir, erst einmal aufzuräumen und heute nur noch einige »Schönheitsverkabelungen« zu machen.

„Das schon aufgeräumte Chaos!“

„Das schon aufgeräumte Chaos!“

Dann ist Feierabend. Für heute reicht es! Wenn man 10 Stunden auf den Knien in den hinterletzten Ecken Kabel verfummelt, sich auf engsten Raum immer wieder wie ein Hund dreht, der seinen Schwanz erwischen will, und dabei mit dem Hintern regelmäßig irgendwelche Kistenstapel mit bastelwichtigem Gedöns umreißt, um dann festzustellen, dass nun auch der dritte Seitenscheider weg ist und das Kabel eigentlich unter einem durch müsste, um am Sicherungspanel ein freies Plätzchen zu erreichen, dann reicht es auch mal….

Am Sonntag schießen wir dann noch den Radar an. Da wir den Radar separat ein- und ausschalten wollen, verlegen wir die Spannungsversorgung des Radar-Interface schaltbar. Das Erstaunliche hierbei ist nicht, dass es schaltet, sondern dass wir hierzu in unseren Bastelkisten auch tatsächlich einen passenden, rot leuchtenden LED-Schalter finden. Der Schiffsjunge ist definitiv ein Sammler und manchmal darf es bei einer Schiffsjungen-Bestellung bei Conrad auch etwas mehr sein, was sich dann nach Jahren doch irgendwann auszahlt. Astrid ist beeindruckt, als ich siegesgewiss das rote Schalterchen aus den Tiefen der gelben »Dieses-elektrische-Zeugs-haben-wir-irgendwie-über«-Kiste ziehe. Es ist schon wichtig, dass man als Schiffsjunge solche Sammelkisten pflegt, denn damit kann man in unvermuteten Situationen tatsächlich mal richtig punkten und die Capitana tief beeindrucken! Dann ist alles fertig und wir erwarten gespannt das erste Radarbild. Astrid drückt auf dem Plotter herum, aber irgendwie ist da nichts mit Radar. Kein Signal! Ok, reboot tut gut! Also alles aus und wieder an. Aber… immer noch kein Radarbild. Mist! Das Herz rutscht uns in die Hose. Da haben wir nun so toll alles zusammengebastelt und dann … nichts. Die Erinnerung an den Windsensor wird wach, wo uns ein klitzekleines, hinterhältig rausstehendes Drähtchen der Abschirmung zwei geschlagene Bastelwochenenden immer wieder das ganze NMEA-Spielchen vermasselt hat, um uns so geradewegs an den Rand eines fortgeschrittenen, aber formvollendeten Bastelwahnsinns zu treiben.

„Sicherungsprobleme!“

„Sicherungsprobleme!“

Astrid drückt auf der Suche nach »etwas Radar« gerade wieder auf dem Plotter herum, als mein Blick auf ein kleines unscheinbares Plastiktütchen fällt. Sicher verschweißt grinst mich aus dem Tütchen die 5A Flachsicherung an, die genau jetzt eigentlich in dem Sicherungshalter stecken sollte, aber hier nun offensichtlich gerade Urlaub in dem Tütchen macht.

„Ganz klar! Der Neue Hafen in Bremerhaven.“

„Ganz klar! Der Neue Hafen in Bremerhaven.“

Ok, und was soll man sagen? Nachdem die Sicherung drin ist, kommt es auch zu unserem ersten Radarbild. Geschafft! Es »radart« so vor sich hin und wir starren auf unser erstes, doch noch recht gewöhnungsbedürftiges Radarbild und erschließen uns langsam die Umrisse des vertrauten Hafenbeckens, in dem wir seit Monaten liegen. Da werden wir uns noch etwas »reingucken« müssen, bis uns aus dem Radarbild die navigatorische Erkenntnis direkt anspringt.

„Es gibt noch viel zu entdecken...“

„Es gibt noch viel zu entdecken…“

Außerdem fehlt uns noch ein letztes Kabel. Das Radar-Interface hat einen Simnet-Ausgang und wenn wir das Interface mit dem NMEA 2000-Netzwerk sprechen lassen möchten, brauchen wir ein Adapterkabel. Es gibt auch Dinge, die nicht in einer der vielen Zauberkästchen schlummern. Aber nun haben wir Radar und am nächsten Bastelwochenende geht es weiter, und dann robben wir uns noch ein kleines Stückchen näher an die unaufhaltsam vorrückende Bastelvollendung 2019 heran.


in Bremerhaven im Jaich
53° 32′ 52,6″ N, 08° 34′ 11,6″ E