Hartes Segeln nach Dieppe


Boulogne-sur-mer (F) -> Dieppe (F) Start: 6:50 Ende: 17:45 Wind: W 10 – 22 – 14 kn Distanz: 58,8 sm Gesamtdistanz: 554,6 sm

Am Samstagnachmittag, als wir unsere zweite Nacht im Hafenbüro bezahlen, fragen wir nach, ob man vielleicht doch schon am Sonntagabend wieder als Tourist nach Dieppe rein darf. Ganz selbstverständlich greift der Hafenmeister zum Telefon und ruft einfach für uns in Dieppe an. Sonntagabend können wir kommen, nicht zu früh, am Nachmittag werden die ersten Regattateilnehmer aber ganz sicher den Hafen verlassen und dann ist wieder Platz für die normalen Segler.

Wir hatten ja etwas Bedenken wegen unserer mangelnden Sprachkenntnissen und dem Ruf der Franzosen, partout kein Englisch sprechen zu wollen. Aber bisher geht das eigentlich alles ganz gut und wir müssen wirklich sagen, dass sich bisher alle Franzosen wirklich bemüht haben, unsere Sprachbarriere irgendwie mit zu überwinden. Nicht immer springt einen das Verstehen direkt an, aber wir finden bisher immer irgendwie zueinander und es geht. Die größere Hürde sind da die französischen Webseiten und auch sämtliche Aus- oder Beschilderungen. In den allerseltensten Fällen findet sich dort eine andere Sprache als Französisch. Das ist schade und wäre mit so wenig Aufwand anders zu machen.

„von Boulogne-sur-mer -> nach Dieppe“

„von Boulogne-sur-mer -> nach Dieppe“

Und da wir nun am Sonntag doch schon in Dieppe willkommen sind, klingelt unser Wecker um 5:30. Wenn wir um 6:30 auslaufen, haben wir auf dem Weg nach Dieppe noch gute 2 Stunden Strom-mit, dann die volle Zeit gegenan, aber auf dem Rest der gut 55 sm nach Dieppe wird es uns dann wieder etwas schieben. Die Navigation ist einfach, immer geradeaus, wobei der Wind mit 15 – 18 kn aus West kommen soll.
Das ergibt nach Dieppe mehr oder weniger einen Anlieger und sollte wohl hinhauen.

„Die wuchtigen Molenköpfe von Boulogne-sur-mer sehen ganz danach aus, als ob sie ein Teil des Atlantikwalls waren.“

„Die wuchtigen Molenköpfe von Boulogne-sur-mer sehen ganz danach aus, als ob sie ein Teil des Atlantikwalls waren.“

Und draußen passt auch alles wie berechnet und vorhergesagt, nur der Wind ist etwas kräftiger als versprochen. Ziemlich schnell wird unsere Genua immer kleiner und auch das Groß bekommt sein erstes Reff. Pünktlich zum Kentern des Stroms legt sich dann auch der Wind richtig ins Zeug. Ein wahrer Wind von rund 22 Knoten bedeutet auf unserem Kurs einen scheinbaren Wind von rund 26 bis 27 Knoten. So reffen wir das Groß noch einmal ein und nehmen die Starkwindfock. Je mehr der Tidenstrom nun gegen uns setzt, desto unangenehmer werden die Wellen. Wir können aber insgesamt ganz gut einen Kurs von 40 Grad zum Wind halten. Das ist nicht ganz ein Anlieger nach Dieppe, aber auch gar nicht so schlecht. Und dieser Kurs passt zu den Wellen, nur ab und zu werden wir im Cockpit geduscht. Nun ja, nicht wir, sondern ich, denn mir gelingt es ganz außerordentlich gut, immer zum falschen Zeitpunkt am falschen Platz zu stehen, wobei Astrid leer ausgeht, mir aber immer wieder gerne das Handtuch reicht.
Gemütlich ist die Sache nicht! Immer wieder werden wir richtig gespült und nehmen einiges Wasser über. Leider sind unsere Luken vorn nicht 100% dicht, da müssen wir uns echt mal drum kümmern. Auch die Verriegelung der Kühlschranktür kommt an ihre Grenzen und zweimal ergießt sich der gesamte Kühlschrankinhalt auf den Boden und versammelt sich in der Schiffsmitte, um lustig herumzukullern. Dabei lernen wir, dass es erstaunlich schwierig ist, einen schrägen und auskippbereiten Kühlschrank wieder zu befüllen. Das gelingt unter diesen Bedingungen selbst mit 4 Händen nur mäßig. Nach der zweiten Leerung des Kühlschranks blockieren wir die Tür mit dem Tischbein unseres Grilltisches für die Badeplattform. Danach ist Ruhe! Auch um diese Sache müssen wir uns dringend kümmern, und da dachten wir, dass wir nun alles haben.

Doch unsere Segelabstufung ist fantastisch und auch die Tatsache, dass wir alles aus dem Cockpit bedienen können. Alles funktioniert total einfach und ist dabei maximal sicher, denn keiner von uns muss das Cockpit verlassen. Und das ist auch gut so, denn wir werden ordentlich und nicht zu knapp hin und her geworfen. So ein Amwindkurs ist bei diesen Bedingungen immer noch problemlos fahrbar, aber alles andere als gemütlich. Zumal es auch von gestern auf heute einen echten Temperatursturz gab. Genauso wie wir einreffen, werden auch unser Klamottenschichten dicker. Am Ende haben wir fast das komplette Winterprogramm an und sogar Fleecemützen auf dem Kopf. Unglaublich, und gestern sind wir in Boulogne-sur-mer fast eingegangen vor Hitze.

„Diese Steilküste, die Alabaster-Küste, sehen wir wieder nach ganz viel Wasser als erstes Landzeichen .“

„Diese Steilküste, die Alabaster-Küste, sehen wir wieder nach ganz viel Wasser als erstes Landzeichen .“

Gegen Mittag macht der Wind ein Päuschen und gibt uns die Gelegenheit, Aus- und Einreffen zu üben. Kaum, dass wir wieder unter Vollzeug sind, legt er langsam aber stetig wieder zu, bist wir wieder bei 22 kn, im zweiten Reff und vor Starkwindfock unterwegs sind. So geht das bis kurz vor Dieppe. Dort legen wir noch einen kleinen Kreuzschlag ein, um dann bis direkt vor die Mole zu segeln. Eigentlich wollten wir reinsegeln, aber dann kommt dieser komische Sprechfunkverkehr, den wir so verstehen, dass gleich die Fähre ausläuft. Das würde ja auch absolut passen, denn Fähren laufen immer genau dann aus, wenn Astrid irgendwo ankommt. Bei mir ist das nicht so schlimm, aber Astrid hat so eine Art Berufsschifffahrts- und Fährenmagnetismus.

Aber eines darf auch nicht unerwähnt bleiben. Mit jeder AIS-Kennung und später jedem Segel, dass den Hafen von Dieppe verlässt, steigt die Stimmung der Capitana. Sie war schon etwas skeptisch, ob wir wirklich ein Plätzchen finden, denn auf Marine Trafic schien der Hafen übervoll zu sein. Aber ab 15:00 können wir auf AIS sehen, dass die ersten Boote den Hafen verlassen und ab 16:30 zieht eine wahre Armada von Regattabooten davon und der Capitana ist die Erleichterung anzumerken. Sie freut sich lange über jedes einzelne Schiff, dass sie beim Auslaufen ertappen kann.

„Wir kommen, sie fahren, fast alle.“

„Wir kommen, sie fahren, fast alle.“

Insgesamt war das ein harter Segelschlag, der uns aber nach der stürmischen Anfahrt auf Terschelling wieder gezeigt hat, was die PINCOYA alles kann und wie einfach man die richtige Segelabstufung finden kann. Uns war nicht immer richtig gut, doch nach einigen Stunden wurde es immer besser.
Im Hafen empfängt uns dann auch gleich einer der Hafenmeister und ist überaus hilfreich, freundlich und dienstbeflissen, erklärt uns alles mehrmals und weist uns auf einen Platz, der seiner Meinung nach der Beste für uns ist. Und der Platz ist auch nicht wirklich schlecht und mit Sicherheit ruhiger als einer der weiter außen liegenden. Wir haben fast das Gefühl, dass er sich wirklich freut, dass wir nun hier sind. Und die Regatta ist nun in der Tat in Auflösung begriffen. Einige wenige Regattaboote liegen noch im Hafen, die letzte Partystimmung klingt aus und der Abbau der Zelte und Buden hat begonnen.

„Noch zwei von den Rennziegen“

„Noch zwei von den Rennziegen“

Gut, dass wir nun hier sind. Und wir sind auch rechtschaffen müde. So ein Segeltag schafft uns schon. Wenn man 11 Stunden lang ununterbrochen hin und her geschupst wird, von den Duschen wollen wir mal ganz absehen, dann macht das müde und hungrig. So fallen wir früh nach einem Berg Nudeln und einem Glas Rotwein in die Kojen, während draußen noch verhalten gefeiert wird.

in Dieppe (F)
49° 55′ 42,7″ N, 001° 05′ 0,4″ E