Roscoff


Wie vorhergesagt beginnt es in der Nacht zu Freitag zu blasen. Laut Vorhersage soll das erst die Vorhut sein, erst am Nachmittag kommt dann das dicke Ende. Durch die vielen Masten im Hafen hört sich der Wind schlimmer an, als er ist.

„Unsere irischen Nachbarn kämpfen gemeinsam im Sturm!“

„Unsere irischen Nachbarn kämpfen gemeinsam im Sturm!“

Etwas mehr Sorgen macht uns am Morgen allerdings unser Nachbar, an dem wir außen längsseits liegen. Es ist ein Deutscher, der sich in Portugal diese Lebensaufgabe von Aluschiff gekauft hat und sie nun nach Flensburg überführt. Auf den ersten Blick denkt man, ja ok, aber auf den zweiten Blick offenbart sich doch eine Baustelle nach der anderen. Da muss man so ein Schiff schon echt zum Schnäppchenpreis bekommen, um sich guten Mutes auf so viel Arbeit einzulassen.

„Festgemacht, obwohl wir in der Abdeckung sind, schwappt's ordentlich rein.“

„Festgemacht, obwohl wir in der Abdeckung sind, schwappt's ordentlich rein.“

Nun ja, und eben dieser Nachbar hat seinen 23 Tonnen schweren und 16,5 m langen Kahn nur mit vier verträumten Strippen festgemacht. Und nur die beiden am Heck haben wirklich etwas zu tun, denn dort steht der Wind voll drauf. Die beiden vorne haben bei dieser Windrichtung heute frei. Als ich dann am Vormittag bei ihm anklopfe, sind gerade die ersten 40er Böen durch den Hafen gesaust. Auf meine Anfrage, ob er nicht vielleicht doch noch mal zwei weitere Festmacher ausbringen könnte, denn schließlich liegen wir im Fall der Fälle mit der PINCOYA außen zwischen ihm und der Mole, reagiert er etwas merkwürdig mit der Bemerkung, dass die Klampen am Steg eh zu schwach sind. Er hätte vorgestern beim Anlegen schon eine rausgerissen ?, die halten nix ?. Auf meinem Hinweis, dass es vielleicht gerade dann unter Umständen richtig schlau sein könnte, die Last auf, sagen wir mal, zwei weitere Klampen zu verteilen, geht er ein. Erleichtert helfe ich gerne beim Ausbringen der weiteren Leinen. Nun liegen wir gut und wir dienen mit der PINCOYA nicht mehr nur als »Notfenderschiff« für der Fall der unwahrscheinlichen Fälle. Was aber durchaus auch ein besseres, ja sogar gutes Gefühl macht. Es gibt schon manchmal recht merkwürdige Situationen und Typen, aber alles muss man ja auch nicht verstehen.

„Der Hafen danach, für ein Währenddessen-Photo war nicht wirklich das Wetter.“

„Der Hafen danach, für ein Währenddessen-Photo war nicht wirklich das Wetter.“

Seit der Gewitterfront vor Saint-Vaast-la-Hougue, unserer letzten Station vor Cherbourg vor mehr als 14 Tagen, können wir die sommerlichen Tage an einer Hand abzählen. So kalt und herbstlich hatten wir uns unseren Törn in den Süden wirklich nicht vorgestellt. Und das Sturmtief, dass in Roscoff über uns herfällt, bringt noch einmal einen richtigen Schwapp kalte Luft mit und spart auch nicht mit Regen. So verkriechen wir uns auf der PINCOYA und warten die Lücken ab, die eine kleine Sightseeing-Runde oder eine Einkaufstour erlauben.

„Sturmansichten.“

„Sturmansichten.“

„Bilderrätsel! Wo ist der Unterschied? Auflösung unten im Blog...“

„Bilderrätsel! Wo ist der Unterschied? Auflösung unten im Blog…“

„Und manchmal gibt das Licht doch alles und noch etwas mehr.“

„Und manchmal gibt das Licht doch alles und noch etwas mehr.“

Eines der besten Dinge in Roscoff ist »Les Rosko Bus«. Das ist die Sommer-Buslinie, die mit zwei Bussen in Roscoff immer im Kreis fährt und so alle 20 Minuten eine der Stationen anfährt. Der Bus ist kostenlos, man muss nur einsteigen und mitfahren. Ein total coole Sache, die wir gleich mal nutzen, um einen ersten Eindruck von Roscoff zu bekommen. Mit dem Rosko-Bus fahren wir dann auch zum Supermarkt, diesmal nur »bewaffnet« mit unserem Einkaufstrolley. Und dann ist es machmal auch gut, wenn man die Landessprache nicht spricht und dumm gucken kann wie ein Auto. Als wir nämlich mit unserem vollbepackten Trolley an der Supermarkt-Haltestelle wieder in den Rosko-Bus einsteigen und zusammen den schweren Trolley in den Gang des Busses wuchten, bricht von der Fahrerin ein wahrer Wortschwall über uns herein. Wir verstehen nicht ein einziges Wort und versuchen so vorsichtig wie möglich und unterstützt durch die Worte »pardon vielmals«, »excuse madam und »mille regrets merci« den Trolley durch den echt schmalen Eingang zu wuchten. Irgendwie ist der Bus für solche Transporte nicht vorgesehen und uns schwant, was die vielen französischen Worte der Fahrerin uns sagen wollen. Auf Astrids Satz, dass wir leider kein Französisch sprechen, pardon, pardon, und nur Englisch verstehen, pardon, ruft die Fahrerin »Oh mon Dieu! No no, anglaise!« aus und nach einer Pause, »Bon, ok, bon!« und … lächelt. Geschafft ?!

„Hier sind Beiboote gefragt.“

„Hier sind Beiboote gefragt.“

„Roscoff-Hafenansichten“

„Roscoff-Hafenansichten“

Da am Sonntag die Windrichtung noch nicht zu unserer Reiserichtung passt, fahren wir noch einmal mit dem Rosko-Bus auf Sightseeing-Tour und schlendern durch die Straßen. Roscoff ist wirklich ein nettes Städtchen und die zur Legende erhobenen Roscoff-Zwiebeln sind auch echt wirklich total lecker. Nur dezent zwiebelig mit einer leichten Süße ?.

„Eglise Notre-Dame de Kroas Batz“

„Eglise Notre-Dame de Kroas Batz“

„Der Hof der Eglise Notre-Dame de Kroas Batz“

„Der Hof der Eglise Notre-Dame de Kroas Batz“

„Selfi und Roscoff-Zwiebel“

„Selfi und Roscoff-Zwiebel“

Leider kaufen wir nur einen Zopf, im Nachhinein hätten wir uns mit den leckeren Zwiebeln doch etwas üppiger eindecken sollen. Roscoff hat eine alte Gemüseliefertradition mit England und die Roscoff-Zwiebel ist wegen der Onion-Jonnys sozusagen das Highlight dieser Tradition. Die Onion-Jonnys sind nach England gesegelt und haben dort im Direktvertrieb per Fahrrad von Tür zu Tür ihre Zwiebeln verkauft. Und aus dieser Tradition heraus soll nun auch tatsächlich die Brittany-Ferry-Company hervorgegangen sein, die heute von Roscoff nach England und Irland fährt. Vielleicht ist diese Geschichte lediglich eine Fortsetzung der Zwiebellegende, aber die Zwiebel schmeckt definitiv legendär.

„Roscoff-Ansichten“

„Roscoff-Ansichten“

„Blick zur Île de Batz“

„Blick zur Île de Batz“

„Bretonische Friedhofs-Ansichten. “

„Bretonische Friedhofs-Ansichten. “

Als wir dann zur Rückfahrt auf den nächsten Rosko-Bus warten, überrascht uns die Nachhut des Sturmtiefs mit einer Gewitterfront und einem legendären Platzregen. Bisher sind wir ja dem Regen eigentlich immer ganz gut entkommen, aber diesmal erwischt er uns voll. Und nicht nur uns, sondern auch noch gleich unzählige andere Sonntagstouristen und Spaziergänger. Noch nie waren die Waffel- und die Crepes-Buden am Hafen so belagert wie in dieser halben Stunde. Wie die Sardinen stehen wir unter den Markisen der Buden, aber es hilft alles nichts. Der Wolkenbruchregen fährt waagerecht dazwischen und läßt uns wie begossene Pudel zurück. Durch den Platzregen hat der Bus Verspätung und so steht eine triefende Horde vor dem Bus, und den Aussteigenden sieht man an, dass sie überlegen, ob sie nicht doch besser einfach noch eine weitere Runde fahren sollen. Und da es so erbärmlich schüttet, hält der Bus auch mal auf freier Strecke, so ganz ohne Haltestelle, um noch andere begossene Pudel und eine tropfende Familie mit Kind aufzunehmen. Zurück auf der PINCOYA legen wir uns erst einmal trocken. Bei diesem Wetter wird es etwas dauern, bis die Sachen wieder trocken sind. Etwas Sonne könnte nicht schaden.

Auflösung:
Ja, eines der beiden Photos ist schwarz-weiß. Aber welches? Man sieht es fast nur an den gelblichen Algen unten links! ?!

in Roscoff
48° 42′ 58,9″ N, 003° 57′ 52,1″ W