hochsommerliche Saisonvorbereitungen


– Der Ankommenstag –

Im Hotel bekommen wir kein Frühstück, dazu müssten wir gegenüber ins Café gehen. Dort ist die Zeit irgendwann zwischen Astrids und meiner Geburt stehen geblieben. Der Sohn hat das Café mit der Paneteria wohl von seinem Vater übernommen und diesen Zustand liebevoll durch keinerlei Veränderung erhalten. Nur der Kaffeeautomat ist neu hinzugekommen. Wir versuchen uns ja auch in der spanischen Kaffeekultur und sind nun bei einem gewöhnlichen »Café solo doble« hängen geblieben. Das »doble« am »solo« ist unsere Kreation und funktioniert recht gut. Das ist dann wie ein »deutscher« doppelter Espresso, nicht wie so ein »italienischer« mit nur drei Tropfen Wasser, der ganz natürlich nach einer Verlängerung mit Grappa verlangt, um etwas flüssiger zu werden. Unser »solo doble« ist dann schon fast wie ein kleiner Café creme.
Das mit dem »doble« hat übrigens auch in Frankreich funktioniert, wobei dort allerdings unser vollkommenes, sprachliches Versagen doch irgendwie alles wieder erschwert hat, aber hier in Spanien funktioniert’s.

Unser einfaches und frühstücksloses Hotel hat aber auch echte Vorteile. Und heute, am Freitag, sind es sogar gleich drei. Das ist in der Tat auf Augenhöhe mit einem Ü-Ei und kaum ein anderes Hotel kann das wohl von sich behaupten. Also erstens ist preiswert eben preiswert und zweitens liegt das Hotel nur 5 Fußminuten von der Werft entfernt. Und drittens hält einen ein frühstücksloses Hotel eben nicht auch nicht mit einem Frühstück auf, wenn man ganz schnell zu seinem Schiff will. Ein Vorteil jagt also den nächsten, wenn man nur genau hinsieht.

„Erstmal gucken, ob alles ok ist und Wasser holen für einen Gutenmorgenkaffee ☕️“

„Erstmal gucken, ob alles ok ist und Wasser holen für einen Gutenmorgenkaffee ☕️“

Auf dem Werftgelände lächeln und nicken uns die Mitarbeiter zu und so rufen wir zielsicher: »Hola, estamos de vuelta!« Den Satz haben wir uns im Hotel noch schnell aus unseren spärlichen, spanischen Sprachkenntnissen zusammengebaut und wir kommen offensichtlich ziemlich authentisch rüber. Denn der Redeschwall der spanischen Antworten und Fragen übersteigen bei weitem die Möglichkeiten unseres noch soooo kleinen spanischen Verarbeitungszentrums im Kopf. So gucken wir ziemlich schnell ziemlich hilflos aus der Wäsche und das Oberwasser unserer Hotelanmeldung versickert rückstandslos in unseren Sprachlücken.

Aber egal, nach einem lustigen Gemisch aus Spanisch und dann doch einer ganzen Menge Englisch, wird eine Leiter herbeigeschleppt und wir können auf die PINCOYA klettern. Alles ist ok und ein erster Schnüffeltest unter Deck lässt uns entspannen. Alles ist gut, trocken und sauber. Und die schon im März gebunkerten Aufbackbrötchen und -baguettes haben auch noch nicht ihre Plastikhüllen verlassen und eine Schimmelparty angezettelt. Wir hatten Schlimmeres befürchtet! So kann es ohne Katastrophen losgehen.

Das Trockensalz und besonders die Trockensalzaufhängedinger, die wir zwischen die Klamotten in den Schränken gehängt haben, haben ganze Arbeit geleistet. Wir kippen wieder mehr als 10 Liter Wasser weg. Von den Trockensalzaufhängedingern haben wir noch welche, so bekommt einfach jeder Schrank einen frischen Aufhängetrockner, dass kann bestimmt auch über die Saison nicht schaden. Die Dinger sind echt klasse und richtig effektiv.

Nach dieser ersten Kontrolle bringen wir erst einmal unsere Schwimmwesten zur Wartung. Die sind fällig und die Geschichte mit den Westen ist uns schon wichtig. In Nordspanien gibt es die Firma Docal für Marine Security. Dort hat zwar keiner auf unsere eMail aus Deutschland geantwortet, aber die WebPage macht einen professionellen Eindruck, also fahren wir einfach mal hin. In der Halle stehen Rettungsinseln und hängen diverse aufgeblasene Rettungswesten verschiedenster Hersteller. Unsere Marinepool Westen können sie auch warten, das ist kein Problem. Aber nach 2 Stunden bekommen wir einen Anruf. Mit einem Test ist es leider nicht getan, die LED-Flashlights und die Auslöser müssen getauscht werden. So landen wir bei ungeplanten 153 € für 2 Westen. Ärgerlich! Doch der Ärger relativiert sich sicher schnell, wenn wir sie dann doch mal brauchen und wir uns in der wilden See an einem frischen LED-Flashlight erfreuen können. Also los, schon Dienstag soll alles fertig sein.

Anschließend statten wir noch der Yates Marina einen kurzen Besuch ab. Die Yates Marina ist die zweite Marina in Gijón und so eben die Alternative zur Stadtmarina. Im letzten Jahr haben wir uns über die Abzocke der Stadtmarina etwas geärgert. Das gesamte Personal der Stadtmarina ist zwar ausgesprochen hilfsbereit und nett, aber die Preisgestaltung und die Modalitäten für Langzeittarife waren schlicht eine Abzocke in Reinkultur. Deswegen sind wir eigentlich auch fest entschlossen, nicht wieder dahin zurückzukehren. Zurzeit ist in beiden Marinas absolut nichts los. Nicht ein einziger Gast liegt in der Yates Marina und nur fünf Gäste haben sich bisher in die große Stadtmarina verirrt. Aber obwohl die sanitären Anlagen der Yates Marine corona-bedingt geschlossen sind, sollen wir dort immer noch 25 € für die Nacht bezahlen. Ein echter Schnapper ist das nicht, wobei die Yates Marina eher ungünstig fast schon im Industriehafen liegt. Da werden wir wohl doch erst noch einmal bei der Stadtmarina nachfragen. Befriedigend ist das alles nicht, so nett Gijón auch ist, so unbefriedigend ist die Situation mit den Marinas. Man weiß sehr genau, dass die nächste Alternative erst Avilés ist.


Nachdem nun alle »externen Dinge« erst einmal erledigt sind, kommt die PINCOYA an die Reihe. Als erstes polieren und montieren wir die Schraube wieder. Die Arbeitsbühne zum Polieren des Rumpfes können wir erst morgen haben. Die Werftmitarbeiter sind wirklich rührig und organisieren das für uns ganz selbstverständlich. Nachdem die Schraube in der Sonne blinkt, kommt die Rettungsinselhalterung dran, deren Montage wir im März ja abbrechen mussten.

„Die Schraube wird poliert und wieder montiert.“

„Die Schraube wird poliert und wieder montiert.“

„Schraube fertig.“

„Schraube fertig.“

Apropos Sonne… Die Sonne meint es echt gut mit uns nordischen Bleichgesichtern. Obwohl das Frühjahr ja auch in Deutschland recht trocken und sehr sonnig war, sind wir der spanischen Sonne noch nicht wirklich gewachsen. So werden wir norddeutschen Bleichlinge Stunde um Stunde geröstet und so langsam beginnen der Nacken und Kniekehlen des Schiffsjungen zu brennen. Astrid hat schon längst auf echten Sonnenschutz umgestellt, riecht wie eine Badenixe am Strand und nutzt jedes Schattenplätzchen aus. Wenn dies die Vorboten für unsere diesjährige Segelsaison sind, dann wird der Schiffsjunge sich wohl auch mal etwas in Sachen Sonnenschutz überlegen müssen.
Doch es ist einfach nur toll, bei diesen sommerlichen Temperaturen die üblichen »Winterarbeiten« zu erledigen. 14 Winter haben wir uns bei solchen Arbeiten den Arsch abgefroren, wie schön ist das alles doch im Sonnenschein! Aber viel Sonne ist auch anstrengend und so sind wir abends so kaputt und platt wie schon lange nicht mehr.


– Der Poliertag –

Der Samstag steht voll im Zeichen des Polierens. Der Rumpf hat es wirklich mal nötig und so ziehen wir unser volles Programm durch. Tiefenreinigung mit Rubbing, Teflon-Polish und dann eine Schicht Wachs.

„Polieren …. polieren...“

„Polieren …. polieren…“

Es gibt genau drei Situationen, in denen sich ein Eigner ein kleineres Schiff wünscht. Erstens beim Streichen des Unterwasserschiffes, zweitens beim Polieren und drittens beim Bezahlen der Hafengebühr. In allen anderen Fällen darf ein Schiff durchaus etwas größer sein. Und wie befürchtet nimmt das Polieren heute kein Ende. Die PINCOYA scheint sogar noch zu wachsen, je länger es dauert.

„… und polieren und polieren… Puuuh!“

„… und polieren und polieren… Puuuh!“

Wir polieren mal mit rechts und dann auch mit links. Am Ende tut einfach nur noch alles weh und wir fallen wieder um 20:00 wie zwei Tote ins Bett. Doch wir sind fertig und morgen kommt nur noch etwas Vorbereitung zum Kranen und dann wird aufgeräumt.
Angesichts der sonnigen Aussichten hat sogar der Schiffsjunge heute gleich sein volles 20er Sonnenschutzprogramm aufgelegt. Das will schon was heißen, denn er macht so etwas eigentlich nie. Zudem geht nur ein leichtes Lüftchen und wir haben unseren Wasserbedarf total unterschätzt. Ganz locker gluckern wir unseren 6er-Pack Agua con gas weg, der eigentlich für’s ganze Wochenende reichen sollte. Doch wir haben auch Glück, denn aus Versehen haben wir letztes Jahr eine 24er Palette spanisches Radler gekauft. Keiner von uns mag dieses Zeug, deswegen finden wir noch 23 Dosen in der Backskiste. Das ist nun unsere Rettung, je wärmer es wird, desto besser schmeckt sogar dieses spanische Radler.


– Der Kloventiltag –

„Das Wetter ist ein Traum, aber wir werden ganz schön gegrillt.“

„Das Wetter ist ein Traum, aber wir werden ganz schön gegrillt.“

Aufräumen und Vorbereiten sollten eigentlich die »Zauberworte« für diesen Sonntag sein. Und das wären sie sogar auch fast geworden, wenn sie nicht auf der Zielgerade von dem Wort »Kloventil« überholt worden wären. Als alles fertig ist, wollen wir nur noch einmal schnell alle Seeventile testen, also bewegen.

„Und dann noch etwas Pockenpampe an die Schraube. Und fertig!“

„Und dann noch etwas Pockenpampe an die Schraube. Und fertig!“

Das lassen auch fast alle der Burschen sehr bereitwillig mit sich machen, nur das Kloventil weigert sich. Es sitzt einfach nur fest und lässt sich durch nichts bewegen, sich zu bewegen. Was für ein Scheiß! Es ist 16:30 und eigentlich sollte genau JETZT Feierabend sein!

„Sie glänzt wieder, so kann es ins Wasser gehen.“

„Sie glänzt wieder, so kann es ins Wasser gehen.“

Alles ist fertig, alles ist aufgeräumt (!) und alles ist bereit zum Kranen, als der Schiffsjunge das schwere Werkzeug aus der untersten Backskiste hervorkramt und die Capitana in der Mittekoje verschwindet, um den Heißluftfön zu holen. Nach wenigen Minuten ist von der schönen Ordnung nichts mehr übrig. Riesige Engländer, mächtige Wasserpumpenzangen und eben ein Heißluftfön sind die einzigen Dinge, vor denen sich Fäkalienschläuche und 1 1/4″-Kloventile fürchten. Natürlich sitzt das Kloventil denkbar ungünstig. Tief unter dem Waschbecken im Bad muss erst der widerspenstige Schlauch ab und dann das Ventil ausgebaut werden. Ein elendes Gewürge, doch irgendwann löst sich der Fäkalienschlauch doch von der Ventilmuffe. Mit dem Heißluftfön haben wir ihn maximal angefeuert, kalte Hände bekommt man bei einer solchen Aktion nicht! Danach ist dann das Kugelkopfventil dran. Ganz langsam machen wir es auch ringsherum gleichmäßig warm. Dann ein erster Drehversuch und … ein kleiner Ruck geht erst durch das Ventil und dann auch durch den Schiffsjungen. Was ist heute nur los? Unser Glück scheint uns nicht zu verlassen! Nach weiteren 10 Minuten ist der Übeltäter ausgebaut.

„Das Mistventil!“

„Das Mistventil!“

Nun brauchen wir nur noch Ersatz, aber das sollte das kleinste Problem sein, denn erstens hat die Werft bestimmt so etwas und zweitens gibt es zwei Straßen weiter Martin Vega, die Mutter aller Eisenwarengeschäfte. Ein skurriler Laden mit einem skurrilen Sortiment von Schrauben, Pumpen, Werkzeugen und Eisenwaren aller Art. Dieser Laden ist ein echter Glücksfall, wohl nicht nur für uns hier in Gijón. Schon im Herbst haben wir dort V4A-Schlauchschellen gekauft und vorgestern bin ich mit einer Musterschraube hin und habe selbstverständlich 10 exakt gleiche V4A-Schrauben bekommen. Immer verschwindet einer der Angestellten mit einen selbstverständlichen »Si claro« nach hinten und kommt etwas später mit den passenden Teilen zurück. Wenn der nicht auch solche seewasserfesten Kloventile hat, dann gerät mein Weltbild wirklich ins Wanken.

Aber nun muss unser Krantermin morgen erst einmal auf den Nachmittag verschoben werden, denn wir müssen erst ein neues Kloventil besorgen und dann auch noch einbauen. Aber dann, dann geht’s venga venga wieder zurück ins Wasser!

in Gijón (noch auf dem Trockenen in der Werft)
43° 32′ 34,1″ N, 005° 40′ 07,6″ W