Wetterwartetage


Ría de Arousa: vor Playa de La Secada der Isla de Arousa <-> vor A Pobra do Caramiñal Distanz: 3,0 sm hin und 3.6 sm zurück Gesamtdistanz: 351,4 sm

„einmal hin und einmal zurück: Playa de La Secada der Isla de Arousa <-> vor A Pobra do Caramiñal“

„einmal hin und einmal zurück: Playa de La Secada der Isla de Arousa <-> vor A Pobra do Caramiñal“

Astrids Geburtstag beginnt im Nebel und endet stürmisch. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass wir uns das in Spanien etwas anders vorgestellt haben. Den ganzen Tag über kramt das Wetter dann eine herbstliche Novembervariante nach der anderen heraus, wobei die nächsten meist ebenso schlecht sind wie die vorhergehenden. Als es gegen Mittag mal aufhört zu regnen, legen wir schnell um. Alle Wettervorhersagen sind sich inzwischen einig, dass es ab heute Abend für 24 h recht stürmisch werden soll. Für diesen Spaß suchen wir uns dann doch lieber ein etwas geschützteres Eckchen. Allerdings ist die Auswahl dafür im Ría de Arousa bei südlichen und südwestlichen Winden gar nicht so groß. Alle Rías sind nach Südwesten offen und sammeln so wie ein Trichter den ganzen Mist aus eben diesen Richtungen ein. Wir entscheiden uns am Ende für den Strand vor A Pobra do Caramiñal. Hinter der kleinen Landzunge können wir recht dicht unter Land, so dass die Windwellen keinen allzu großen Anlauf nehmen können. Bleibt nur noch zu hoffen, dass die Wellen aus dem Atlantik, die in die Mündung des Rías laufen, es nicht doch um die Ecke schaffen. Da haben wir ja schon die erstaunlichsten Fähigkeiten von Wellen kennengelernt, um sich doch noch irgendwie in eine sicher geglaubte Ecke hereinzumogeln.

„Ein nebelig trüber Geburtstag mit etwas Beifang für den Geburtstagssalat“

„Ein nebelig trüber Geburtstag mit etwas Beifang für den Geburtstagssalat“

Obwohl der Regen aufhört, hält sich der Nebel hartnäckig. Nur kurz reißt er ab und zu mal auf, um zu einem dickem Dunst zu werden. Doch es dauert nie lange, bis er die Ufer des Rías wieder in sein Einheitsgrau hüllt und sie still verschwinden lässt. Unser Radar ist gold wert, wir hätten nie gedacht, dass wir uns gerade hier so sehr darüber freuen. Die wenigsten Arbeitsboote haben AIS und die unzähligen Muschelzuchtgestelle natürlich schon mal gar nicht. Nur schemenhaft setzen sich immer wieder die Einzelheiten zu einem Bild zusammen, wenn man ihnen näher kommt. Das Radar hilft uns sehr, aus einem Näherkommen nicht ein »Zu nah« werden zu lassen. Und dort, wo der Mensch nicht mit Muschelfarmen gespart hat, hat ja auch die Natur nicht gerade mit Untiefen und Felsen gespart. So gibt es im dicken Nebel viel zu gucken, was man nicht sieht.

„A Pobra do Caramiñal, trüb, nass und stürmisch“

„A Pobra do Caramiñal, trüb, nass und stürmisch“

Abgesehen davon können wir im Nebel Abstände überhaupt nicht richtig einschätzen und so führen wir einen recht merkwürdigen Dialog. Auf meine Frage “Mole auf fünf?” antwortet Astrid von unten “Nullkommazwei!” “Gestell auf acht?” “Sechsundneunzig!” “Holländer auf zwei?” “Hä, welcher Holländer?” “Na da muss einer sein, auf Marinetraffic is da einer.” “Der vordere nullkommazweizwei, der hintere etwas mehr.” “Der hintere könnte der Katamaran sein, hat kein wohl kein AIS an, aber da is so’n dickes weißes Ding.” “Ja Holländer etwas davor.” “Graue Aluboote sollten verboten werden, die verstecken sich im Nebel wie Kriegsschiffe! Was hat das Gestell jetzt?” “Hundertsechsunddreißig, bei fünf lassen wir fallen, ok?” “Ja, fünfkommavier ist jetzt, kommt hoch, ich geh nach vorn.”
Leider konnten wir unserem Radar noch nicht abgewöhnen, alles ab nullkommaeiner Seemeile in Seemeilen und nicht in Meter anzugeben. Das ist schon irgendwie blöd, weil man plötzlich nullkommaeinsachtdrei mit 1850 oder besser einskommaachtdrei mit 185 multiplizieren muss. Wie schön wäre es, wenn wir ihn doch noch dazu überreden könnten, alles unter einem Kilometer einfach in Metern anzugeben. Hier vor A Pobra do Caramiñal werden wir ja nun etwas Zeit haben, mal sehen, ob das klappt.


Erst zum späten Nachmittag lichtet sich der Nebel, sein Rest bleibt aber noch als graue Wolke an den Bergen oberhalb von A Pobra do Caramiñal hängen. Die Sonne ist nur einmal kurz zu erahnen, bevor es sich von Westen wieder zuzieht. Über dem Atlantik, genau im Westen von uns, braut sich ordentlich etwas zusammen. Je mehr der ganze Mist nach Norden abzieht, desto besser für uns. Um 22:00 haben wir Böen bis 25 Knoten und wir lassen noch mal 10 m Kette raus, um eine ruhige Nacht zu haben. Wir liegen bei Hochwasser auf knapp 8 m und haben nun 50 m draußen. Das sollte reichen, auch wenn es noch deutlich mehr als 30 Knoten werden sollten. Über Nacht legt der Wind dann tatsächlich auch noch mal streckenweise ordentlich zu. Ganz automatisch werden wir alle Stunde wach und checken die Lage. Draußen herrscht ein ausgemachtes Sauwetter, der Regen fliegt waagerecht über das Wasser und der Wind heult und es zerrt an uns herum. Die Stadt, der Hafen und auch die anderen Ankerlieger sind nur zu erahnen. Dennoch liegen wir verhältnismäßig ruhig, denn der Atlantikschwell schafft es tatsächlich nicht, zu uns um die Ecke zu kommen. So geht Astrids Geburtstag mit viel Wind und viel Regen zu Ende. Nicht gerade das, was sie sich gewünschte hatte. Da werden wir wohl noch mal etwas nachfeiern müssen. In drei Tagen soll ja das Azorenhoch wieder bei uns sein. Das wäre auch gut so, denn nach 3 Tagen Dauerschüttregen ist alles klamm und feucht. Und außerdem hätten wir gerne unseren spanischen Sommer zurück, so macht das hier alles nicht ganz so viel Spaß.


„Etwas mehr Regen und etwas mehr Wind.“

„Etwas mehr Regen und etwas mehr Wind.“

Der Mittwoch vergeht mit Starkwind, der sich knapp unter der 30 Knotenmarke einpendelt. Nur in den Schauerböen sind es mal etwas mehr. Unser Ankerplatz ist ok, aber nicht ruhig. Bei Licht betrachtet, hätten wir noch etwas weiter in die Bucht reinfahren und uns vielleicht auch noch 100 m näher an den Strand heranpirschen können. Doch als wir im Nebel hier den Anker gesetzt haben, war uns das alles schon nah genug. Vier weitere Segler ankern direkt vor dem Hafen. Aber hier, etwas weiter außen, haben wir die Mole nicht mehr direkt im Rücken und auch einen größeren Abstand zu den anderen Ankerliegern. Beides finden wir bei Starkwind immer ganz gut, besonders das freie Wasser im Rücken macht ein gutes Gefühl.

„Das Ende der Front, ein sogenanntes Frontend ?.“

„Das Ende der Front, ein sogenanntes Frontend ?.“

Im Wetterradar beobachten wir die Fronten, wie sie herüberziehen. Um 16:30 beginnt das Finale. Unglaubliche Mengen von Regen werden waagerecht über die Bucht gepeitscht. Der Wind heult und in Böen fummelt er immer wieder an der 33 Knotenmarke herum. Und dann… dann ist plötzlich Schluss. Einfach so! Als ob jemand den großen Sauwetterschalter ausgeschaltet hat. Der Regen hört auf und innerhalb von 30 Minuten ist es fast windstill. Die Front ist durch, der Wind dreht etwas auf West und vorsichtig malt die Sonne noch schnell im Osten einen Regenbogen.

„Partielle Regenbögen.“

„Partielle Regenbögen.“

„Und da hinten wird's schon wieder heller!“

„Und da hinten wird's schon wieder heller!“


Nach vier Tagen Sauwetter haben die ersten Sonnenstrahlen einen ganz besonderen Glanz und ihre Wärme fühlt sich noch etwas wohliger an als sonst. Unseren Morgenkaffee nehmen wir im Cockpit. Kein Regen, kein Nebel, kein Windgeheule und kein wildes Rumgezerre. Es ist still um uns herum. Ab und zu fährt eines der Arbeitsboote vorbei und lässt uns etwas schaukeln. Auch wenn wir nie einen Zweifel daran hatten, es ist immer wieder ein schönes Gefühl, wenn man solch ein Sauwetter vor Anker liegend hinter sich gelassen hat. Irgendwie schmeckt dann der Morgenkaffee auch ein klitzekleines bisschen besser, während man sich umschaut.
Im Hafen herrscht Aufbruchsstimmung. Einige brechen wirklich auf, andere wechseln auf den Ankerplatz. Nun sind wir doch froh, etwas abseits des in der Karte eingezeichneten Ankersymbols zu liegen, so bleiben wir weiterhin außen vor, während es sich dort nun zu drängeln beginnt .

„Sommerspaziergang am Strand von A Proba do Caramiñal.“

„Sommerspaziergang am Strand von A Proba do Caramiñal.“

Die kleine Landnase, die uns die Abdeckung nach Süden gibt, liegt verlockend im Sonnenlicht. Das Wasser läuft zwar schon wieder auf, aber wenn wir nicht zu sehr trödeln, könnten wir es vielleicht noch »untenherum« schaffen. Es ist Springzeit und die lässt das Wasser gerade sehr hoch auflaufen. Schon zu normalen Zeiten bleibt bei Hochwasser von dem Strand nur ein kleiner Streifen übrig, aber nun verschwindet er alle 12 Stunden ganz und gar. Sicherheitshalber binden wir unser Gummiboot an der Mauer der Promenade fest, nehmen uns aber auch ganz fest vor, spätestens 2 Stunden vor Hochwasser zurück zu sein.

„Unterwegs...“

„Unterwegs…“

„Am Strand mit dem umgestürzten Baum ist Schluss, unten rechts geht's nicht mehr weiter.“

„Am Strand mit dem umgestürzten Baum ist Schluss, unten rechts geht's nicht mehr weiter.“

Ganz schaffen wir es nicht mehr, unten herum um die kleine Landnase zu gehen. Hinter dem letzen Strandabschnitt schneidet uns die auflaufende Flut den Weg an den Felsen ab. Doch von dem kleinen Strand gibt es einen Trampelpfad hoch in den Wald. Hier stehen die Eukalyptusbäume und einige Pinien dicht an dicht und durch den Regen der letzten Tage ist die Luft so dick und feucht, dass man sie in Würfel schneiden könnte. Nur vereinzelt hat sich hier und da noch mal eine Eiche dazwischen gemogelt, aber die Eukalyptusbäume dominieren den Wald. Früher gab es hier dichte Eichen- und vor allem Korkeichenwälder. Die sind aber dem Menschen und speziell seinem Schiffsbau zum Opfer gefallen. Erst im 19. Jahrhundert kamen die ersten Eukalypten als eine Hand voll Samen nach Spanien. Ein Missionar soll sie aus Australien an seine Familie in Galizien geschickt haben. Rund um den Eukalyptus scheiden sich die Geister. Über Pros und Contras wird heftig gestritten. Aber der Eukalyptus verbreitet sich auch nicht einfach so und schon gar nicht von selbst wie eine Seuche. Mit dem Eukalyptus hat sich nicht nur in Nordspanien, sondern auch Portugal eine große Holzindustrie etabliert. Über 50% des EU-Zellstoffbedarfs wird von hier aus gedeckt. Eine für die Regionen, aber auch für ganz Europa lebenswichtige Industrie. Man denke nur an das Klopapier-Gap zu Beginn der C19-Pandemie. Wie gut ist es da, dass es so viel schnell wachsenden Rohstoffnachschub gibt.

„Durch den Wald gehen wir noch bis an die Spitze.“

„Durch den Wald gehen wir noch bis an die Spitze.“

Dessen ungeachtet laufen wir wieder einmal begeistert durch die duftenden Wälder und gucken mal hier und da auf’s Meer heraus. Doch so langsam wird es auch Zeit für den Rückweg, denn das Wasser nähert sich zusehends der Hochwassersaumkante am Strand und an den Felsen. Doch kurz bevor wir wieder die ersten Häuser von A Pobra do Caramiñal erreichen, hüllt uns auf einer Lichtung ein ganz neuer Duft ein. Erst können wir den gar nicht so recht zuordnen, obwohl wir ihn kennen. Aber so langsam fällt der Geruchsgroschen. Es ist Dill! Wir gehen durch ein Meer aus wildem Dill. Wahrscheinlich hat den vor Jahren mal die Frau eine glücklosen Fischers angepflanzt, um damit die selbstgefangenen Fische zu würzen. Doch dann erging es dem glücklosen Fischer wie uns und auch er konnte nicht einen einzigen Fisch fangen. So verwilderte der Dill und der Fischer widmete sich fortan der Muschelzucht.

„Unterwegs und zurück nach A Proba do Caramiñal.“

„Unterwegs und zurück nach A Proba do Caramiñal.“


Inzwischen liegen wir schon wieder 6 Tage vor Anker. Unser Frischwasser reicht zwar noch für 2 oder 3 Tage, aber in unserer Planung findet sich zunächst einmal kein Hafen. So fahren wir noch am Donnerstag mit unserem Gummiboot zum Hafenmeister von A Pobra do Caramiñal und fragen, ob wir auch einfach nur Wasser nehmen können, ohne eine Nacht zu bleiben. Natürlich haben wir unsere Frage auf Spanisch fein säuberlich vorbereitet und werden auch sofort verstanden. Allerdings ist es um unser Verstehen noch nicht ganz so gut bestellt, wie um das Zusammenstellen der Fragen. Es handelt sich sozusagen immer noch um eine Art One-Way-Kommunikation und Antworten können wir noch nicht spontan in ein deutsches Verständnis recyceln. Aber es gibt ja Google und der spanische Hafenmeister zückt sein Handy und spricht diesen langen spanischen Satz, den wir auch beim zweiten Mal nicht verstehen, dem Google-Dolmetscherchen vor. “Sie können nehmen Wasser wenn frei Schiff an Steg außen gerne!” Wir bedanken uns brav auf Spanisch und freuen uns sehr über so viel Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Erst hinterher fragen wir uns, warum das Google-Dolmetscherchen mit uns Deutsch gesprochen hat. Wir hätten ja überall herkommen können, nur das wir keine Spanier sind, war offensichtlich. Hmm…


„Wieder zurück in die Bucht La Secada der Isla de Arousa“

„Wieder zurück in die Bucht La Secada der Isla de Arousa“

Und am Freitag beginnt es dann wieder Sommer zu werden. Wir nehmen kurz Wasser am äußeren Steg und fahren dann gleich zurück in die Bucht vor dem Playa de La Secada der Isla de Arousa. Dorthin müssen wir noch einmal zurück, damit ich noch zwei Panoramen aufnehmen kann, zu denen es wegen des schlechten Wetters vor 5 Tagen nicht mehr gekommen ist.

„Fast zu langsam, nach der ersten Panorama-Runde will mir schon wieder das Hochwasser den Weg abschneiden.“

„Fast zu langsam, nach der ersten Panorama-Runde will mir schon wieder das Hochwasser den Weg abschneiden.“

„Und noch schnell ein Abendpanorama auf der anderen Seite am Leuchtturm.“

„Und noch schnell ein Abendpanorama auf der anderen Seite am Leuchtturm.“


Stationen:
18. -> 20.08. Ría de Arousa: vor A Pobra do Caramiñal: 42° 36′ 04,1″ N, 008° 55′ 45,7″ W

21.08. Ría de Arousa: vor Playa de La Secada der Isla de Arousa: 42° 34′ 10,4″ N, 008° 53′ 17,7″ W