Wir fliegen durch die Wellen


Peniche -> Cascais [A] Start: 8:30 Ende: 17:40 Wind: N 10 – 24 kn Distanz: 46,2 sm Gesamtdistanz: 751,7 sm

„von Peniche -> nach Cascais [A]“

„von Peniche -> nach Cascais [A]“

Der Mittwoch verspricht uns Nordwind. Es ist keine Frage, den wollen wir nicht nur, den MÜSSEN wir nutzen. Nicht nur, weil er uns verspricht, endlich mal wieder richtig zu segeln, auch weil 45 Seemeilen einfach zu viel für eine Fahrt unter Motor sind. In keinem Fall wollen wir wieder nur herumdümpeln und in einem Nicht-Wind wieder verhungern. Deswegen sind wir froh, als es am Morgen schon mit 15 Knoten aus Nord weht und sich die Vorhersage zu bestätigen scheint.

Nicht ganz so froh sind wir über unseren Nachbarn, der gestern Mittag noch bei uns längsseits gegangen ist. Ein kleiner deutscher Katamaran mit einem einhandsegelnden, älteren Herrn. Nicht alles auf dem Katamaran funktioniert noch ganz so einwandfrei und auch um die Seemannschaft ist es nicht unbedingt zum Besten bestellt. Da der Wind aus Norden kommt, drückt er uns beide direkt auf den Steg. Da sich auf dem Katamaran nur ein Fender fand, der diesen Namen auch noch verdiente, hatten wir gleich unsere drei zusätzlichen Notfallfender aus unserer Backskiste hervorgekramt, um für etwas Pufferung zu sorgen. Und nun ist es dem älteren Herrn zu waghalsig, kurz abzulegen, uns rauszulassen und direkt am Steg wieder anzulegen. Ein Ablegemanöver geht so nur halbwegs, wenn er sich unter Motor nach außen drückt, um die PINCOYA zu entlasten. Aber sein 8 PS Außenborder funktioniert auch nur noch manchmal, aber auch generell scheint ein solches Manöver nicht bekannt zu sein. Also ziehen wir langsam vor, während der Katamaran schon achterlich am Steg hängt. Das gelingt allerdings nur mäßig und wir müssen immer wieder stoppen und die Fender neu justieren, weil sie natürlich einfach wegrutschen. Am Ende kommt uns noch ein anderer Segler zur Hilfe, drückt uns ab und stopft immer wieder unsere Fender in Position. Dann sind wir frei. Man sollte sich auf solche schwachsinnigen Aktionen einfach nicht einlassen, auch wenn man Mitleid hat. Am Ende wäre ein möglicher Schaden an uns hängen geblieben, was objektiv gesehen, vollkommen unnötig gewesen wäre.

„Abschied von Peniche“

„Abschied von Peniche“


Noch im Hafen setzen wir das Groß, da wir sicher sind, dass schon gleich hinter der Mole wieder ein lustiger Schwell auf uns wartet. Zunächst versuchen wir, mit Groß und Genua voranzukommen, was auch anfangs ganz gut geht, aber zunehmend schwieriger wird, als der Wind wieder einmal nachlässt. So langsam entwickelt sich für uns das Segeln an der portugiesischen Küste tatsächlich zu einer Art Trauma. Immer, wenn wir kommen, schläft der Wind ein und lässt uns hängen. 45 Seemeilen mit 3 Knoten Fahrt bedeuten 15 Stunden. Solche Aussichten sind nicht gut für unsere Nerven, die für jeden nächsten Trip ohnehin nur noch an der Hoffnung hängen. Da der Wind genau achterlich reinkommt und inzwischen einfach zu schwach für die Standardbeseglung ist und wir auch nicht vor dem Wind kreuzen wollen, beschließen wir, es mit dem Parasailor zu versuchen. Also alle Plünnen runter, damit das Groß bei dem wenigen Wind nicht auch noch den Parasailor stört. Dann ziehen wir die Socke hoch und – der Parasailor entfaltet sich tatsächlich und schenkt uns bei 10 bis 11 Knoten Wind eine Fahrt von 4 bis 5 Knoten. Ab und an bringen ihn die Wellen zum Einfallen, aber eigentlich fängt er sich immer wieder ganz gut. Zufrieden setzen wir uns ins Cockpit, es rauscht jetzt zwar nicht und vielleicht wird es auch schon dämmern, wenn wir dann ankommen, aber so können wir schreiben, lesen und in der Sonne dösen.

„Wenn's mal länger dauert“

„Wenn's mal länger dauert“

Langsam, ganz langsam nimmt der Wind allerdings weiter zu. Und wir werden schneller und schneller. Etwa 5 Seemeilen hinter uns sehen wir, wie nun auch 5 weitere Yachten auslaufen. Vier setzen auch einen Spi und einer versucht es konventionell. Das Rennen mit unserer alten Dame ist eröffnet. Mal sehen, ob wir unseren Vorsprung halten können. Inzwischen fahren wir runde 7 Knoten, die anderen aber leider auch. Der zunehmende Wind führt natürlich auch gleich wieder zu zunehmenden Wellen, aber wenn 15 Knoten im Parasailor stehen, dann lässt er sich auch von größeren Wellen nicht mehr so leicht aus der Ruhe bringen. Wir bekommen den zunehmenden Wind als erste ab. Hihi, wir 7 bis 8 Knoten, die anderen nur 6 bis 7. Doch leider bekommen auch unsere Verfolger bald von dem stärkeren Wind etwas ab, was unsere Geschwindigkeiten wieder ausgleicht. Je weiter wir nach Süden kommen, desto mehr Wind bekommen wir. Gute 17 Knoten stehen nun in unserem Parasailor und wir fliegen nur so durch die Wellen. Stunde um Stunde geht das so und nur einer holt deutlich auf. Der Schwede fährt beständig 1 bis 1 1/2 Knoten schneller. Er ist etwas größer als wir und hat einen richtig großen Spi oben. Ich glaube, solch einen Lappen würden wir uns bei diesem Wind nicht mehr trauen. Aber zu allen anderen halten wir den Abstand oder vergrößern ihn sogar. Ab und zu wird uns etwas unheimlich, aber wir lassen unsere alte Dame weiter rennen. Der Autopilot macht seinen Job großartig und meistert im High-Speed-Modus auch fiese Wellen mit Bravour.

„Zwischendrin vor der Küste auf Südkurs“

„Zwischendrin vor der Küste auf Südkurs“

Drei Seemeilen vor dem Cabo da Roca, also noch gut 8 Meilen vor dem Cabo Raso, wo wir dann links abbiegen müssen, müssen wir den Parasailor schiften. Der Wind hat leicht gedreht. Das erste mal probieren wir hier den Luv-Leinen-Trick aus, den wir uns ausgedacht haben, um die neue Luv-Schot möglichst schnell in den Spibaum zu bekommen. Das klappt auch recht gut und schwupps geht die Rauschefahrt weiter. Der Wind nimmt hinter dem Cabo Roca noch etwas zu und bald haben wir fast 20 Knoten in unserem Parasailor. Wir sehen die 9 Knoten auf der Logge, während drei unserer Verfolger ihren Spi runternehmen. Nur der Schwede lässt ihn oben und so ist er uns auch schon dicht auf den Fersen. Gegen ihn haben wir keine Chance. Vor dem Cabo Raso, der Name ist heute irgendwie Programm ?, müssen wir wieder schiften, diesmal ziehen wir allerdings die Socke runter, schiften und lassen sie wieder hochgehen. Zum freifliegenden Schiften ist uns da zu viel Knatter drin. Auch dieses Manöver klappt fast reibungslos. Der Schwede hat auf eine halbe Seemeile aufgeholt und ist mit einem ungeheuren Speed unterwegs. Er knackt manchmal minutenlang die 10. Aber wenn er uns kriegen will, dann muss er auch schiften. Und er schiftet freifliegend, aber die Wellen vor dem Cabo Raso verbreiten inzwischen schon ein ziemliches Chaos und sie versauen ihm wohl sein Manöver. Er dreht sich eine Acht in seinen Spi und fällt zurück. Fast 30 Minuten braucht er, um die Acht wieder rauszukriegen und wieder Fahrt aufzunehmen. Diese Chance lassen wir uns natürlich nicht entgehen und drängeln uns soweit es irgend geht mit unserem Parasailor an den Wind heran.

„Die letzten Meilen nach Cascais“

„Die letzten Meilen nach Cascais“

Doch die Wellen laufen so nun ziemlich quer ein und ein zusätzlich quer ziehenden Parasailor ist in einer solchen Situation und bei fast 20 Knoten Wind vielleicht nicht die allerbeste Beseglung. Also runter mit der Socke und weg mit dem Parasailor ins Vorschiff. Dann schnell Groß und Genua wieder raus. Der Moment ist perfekt, denn kurz darauf beschert uns der Kapeffekt am Cabo Raso bis zu 26 Knoten Wind. Wir reffen die Genua ein und sausen dahin, aber der blöde Schwede will sich einfach nicht geschlagen geben ?. Er hat nun auch seinen Spi runtergenommen, geht aber ungerefft hinter uns her. Er will Erster sein, wie blöd und unnötig ist denn so was? Er sollte mal einfach über den Dingen stehen und klein beigeben. Wir geben alles und er gibt alles. Und kurz bevor er uns hat, dreht einer am Ufer den Wind ab. Bums, aus, vorbei! Wir schauen uns erstaunt an. Hinter uns Wind und vor uns und um uns herum nichts. Das blanke nackte Nichts. Der Schwede macht noch 100 m gut, dann steckt er auch im Nichts.

Zusammen mit ihm lassen wir die Segel noch 20 Minuten ungläubig schlagen und warten auf ein Windwunder. Da Windwunder aber gerade heute ausgegangen zu sein scheinen, starten wir die Motoren und brummen die letzten 3 Meilen weiter nach Cascais.

„Angekommen vor Cascais“

„Angekommen vor Cascais“

Was für eine Entschädigung und was für ein Segeltag! Erst dachten wir, dass wir im Dunkeln ankommen werden und nun fällt unser Anker schon nach 9 Stunden und 46 Seemeilen um 16:30 vor Cascais. Und das alles nach einem schwachen Start. Super toll, so kann es auch gehen. Wir sind happy!!!

„Abend vor Cascais“

„Abend vor Cascais“

Cascais [A]
38° 41′ 49,0″ N, 009° 24′ 50,7″ W