Mal wieder was mit Segeln!


In unserem Alltag findet sich zur Zeit nicht wirklich viel, was irgendwie mit »Segeln« in Verbindung steht. Das höchste der segelverwandten Gefühle ist da schon der wöchentliche Check der Corona-Lage in Portugal, Spanien und Frankreich. Aber nicht, weil wir gleich wieder in See stechen wollen, sondern eher um ein Zeitfenster zu finden, um die PINCOYA aus dem Wasser zu nehmen. Denn es sieht heute in der Tat eher danach aus, dass dieses Jahr nichts aus unseren Plänen wird und wir alles auf nächstes Jahr vertagen müssen.

Pläne sind zum Ändern da und wenn es Wichtigeres gibt, dann fällt eine Änderung leicht, auch wenn es etwas schmerzt. Aber es gibt ja manchmal trotzdem »indirekte Segelerlebnisse«, denn wir haben ja gerade auch Zeit, um Dinge anzugehen, die wir eigentlich schon längst hätten angehen sollen.

Ganz früher, als die Capitana auch schon »sweet«, aber eben auch noch »sixteen« war, da hat sie sich einen Laser gekauft und damit jahrelang das Wasser des Steinhuder Meeres zum Kochen gebracht. Mit dem Studium schlief das dann etwas ein und nur noch ein paar Mal haben wir zusammen mit Lin noch einmal den Laser über die Wellen des Steinhuder Meeres getrieben. Astrid unterstrich damals ihr professionelles Können dadurch, dass sie noch gleich am Steg auf Tauchstation ging und Lin rief zum Ufer “und wie halte ich das Ding wieder an?”. Was im übrigen ein Problem war, das ich gar nicht hatte, denn mit mir und meinen zarten Kilos, die unbemerkt inzwischen das obere Ende des zweistelligen Bereichs schmücken, wollte der Laser irgendwie gar nicht so recht ins Gleiten kommen.

So fristete Astrids Laser sein trauriges Dasein in einer Garage nahe ihres alten Segelclubs. Schon öfter hatten wir den Entschluss gefasst, den armen Laser zu verkaufen, denn vielleicht würde sich ja noch einmal ein Nachwuchssegler finden, der Spaß daran hat, Wasser zum Kochen zu bringen und dies nicht nur für das sonntägliche Frühstücksei.

Schnell war klar, dass unsere diesjährige Zwangspause der ideale Zeitpunkt ist, nun den Verkauf des Laser wirklich Wirklichkeit werden zu lassen. Da war nur ein Problem, der Laser schlummerte in Steinhude vor sich hin, während wir in unserer Vila Minimo am Deister sitzen.
Und wenn wir etwas verkaufen wollen, dann soll es auch ordentlich sein. D.h. also, der Laser muss zu uns, damit wir ihn bequem verkaufsfertig machen können.

Schiffsjunge: “Wie lang ist der denn so?”
Capitana: “Andere haben den damals immer auf nem Dachgepäckträger transportiert!”
Schiffsjunge: “Ich mein in Metern oder so!”
Capitana: “Äh wart mal..” Astrids harter Tastaturanschlag füllt das Wohnzimmer und kurz darauf kommt “4,23 mal 1,37, aber gar nicht so hoch.”
Schiffsjunge: “Wo sind denn die Papiere von Henry?” Nach einiger Zeit finden sie sich in dem Portemonnaie der Capitana, einem Portemonnaie, das gerade noch so als Handgebäck in einem Flieger durchgeht. Aber wer will heute schon noch fliegen? Erst Greta, dann Corona. Der Jacobsweg nach Spanien liegt voll im Trend, viel frische und vor allem ansteckungsarme Luft bei null Emission, – sieht man mal von den Socken ab, aber das ist eine andere Geschichte.
Nach kurzem Studium der Papiere steht fest, dass die Transportvariante auf einem Dachgepäckträger auf Henry nur einen Vorteil hat, er würde im wahrscheinlichen Fall eines plötzlichen Aprilregens ganz bestimmt nicht nass werden.

Vorsichtshalber gehe ich noch einmal mit einem Zollstock nach draußen, aber die 4,23 m bleiben hartnäckig länger, als die 3,93 m von unserem tapferen Henry. Er ist ja ein Kombi, ja sogar ein stattlicher Kombi, ein ganzer Kerl, aber gegen die Übermacht von 4,23 m muss auch er kapitulieren. Ich trete etwas zurück, halte die 2 m des Zollstocks waagerecht und peile von der Seite. Irgendwie würde das alles auch echt unästhetisch aussehen, so geht es jedenfalls gar nicht.

Zwischenzeitlich hat unser Anhänger in meiner Erinnerung begonnen, zu wachsen. Nur noch mal kurz zur Kontrolle gehe ich in die Garage und halte den Zollstock an den Anhänger. Irgendwie ragt der Zollstock aber trotz der schier unendlichen Größe unseres Anhängers vorn und hinten über den Anhänger hinaus. Aber wenn man den Bug des Laser vorn etwas über die Deichsel stehen lassen würde, dann würde er ja hinten nur noch… ich verwerfe den Plan bei dem Gedanken an einen zweiten Zollstock und der Erkenntnis, dass dann immer noch 23 Zentimeter fehlen würden.

Mist! Auf dem Rückweg schlendere ich wie zufällig an Schwiegerpapas Auto vorbei und mache gymnastisch große Einmeterschritte. Das Auto ist zwar größer, aber definitiv auch nicht Laser-tauglich. Waren Laser früher eigentlich einmal kleiner? Und können die unter Umständen in Garagen unkontrolliert auf 4,23 m wachsen? Eines ist klar, wir brauchen einen Trailer oder einen Transporter und wir müssen den Laser schnell holen, bevor er noch größer wird.

Wie lang ist eigentlich so eine Ladefläche von einem Vito? Die Recherche im Internet ist ernüchternd, in einem Vito kann man sich gerade mal ausstrecken, was ja zu zweit auch durchaus schön sein kann, aber von einer Laser-Transport-Tauglichkeit kann definitiv keine Rede sein. Wir bräuchten einen Sprinter XXL extra lang, Ladefläche 4,30 m, die Türen würden dann gerade noch so zugehen. Es ist zum verzweifeln, das kann doch alles nicht wahr sein. Namhafte Autovermietungen wollen für so einen Transporter für 4 Stunden mehr als 200 € sehen, nicht so namhafte immer noch knapp 100 €. Das sind echte Lufthansa-Preise, nur ohne das man abhebt.

Na ja, vielleicht hat sich in all unsere Längen-Recherchen ja auch irgendwie ein systematischer Fehler eingeschlichen. Und am Ende wirken 4,23 m ja auch nur mit einem Zollstock so groß und der Laser selbst macht einen viel vernünftigeren und vor allem kürzeren Eindruck. Also fahren wir erst einmal nach Steinhude, um Astrids Laser in Augenschein zu nehmen. Der Zollstock aber darf natürlich auch mit, die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zu letzt.

Da steht er dann und die Tatsache, dass er die ganze Länge der Garagenbox locker ausfüllt, lassen in mir Zweifel aufkeimen. Als ich den Zollstock ausklappe, klingt es wie ein hämisches Lachen. 4,23 m bleiben offensichtlich doch 4,23 m. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, wenn Astrids Laser zu uns nach Hause kommen soll.


Auf dem Weg zurück nach Hause reift die Erkenntnis, dass wir keine ein- oder zweihundert Euro für den Transport des Laser ausgeben wollen. Aber was dann? Wir kennen niemand, der irgendetwas Geeignetes zum Transport hat und Henry hat nur eine Anhängerkupplung und wir haben dafür nur einen viel zu kleinen Anhänger. So klappern wir im Internet die möglichen Anhängerverleihe ab. Bevor wir uns selbst diesen kleinen Anhänger gekauft haben, haben wir uns immer mal wieder einen geliehen. Manchmal haben wir nur einen recht großen bekommen, so dass es auf der Autobahn für die Überholenden lange so aussah, als ob der Anhänger ganz allein unterwegs sei. Erst im letzten Moment kam dann Henry zum Vorschein. Ein oftmals ungleiches Gespann, auch wenn es nicht verboten war, war es doch eher … sagen wir mal … ein ungewohnter Anblick. Vielleicht ist Henry auch so ziemlich der einzige Mini mit einer Anhängerkupplung, aber man konnte das damals so bestellen.

Nun haben Anhänger die unangenehme Eigenschaft, mit zunehmender Länge auch immer dicker zu werden. Bei Menschen ist das ganz anders, die können wachsen ohne dick zu werden und meist werden sie sogar dick ohne zu wachsen. Aber Anhänger sind eben anders. Es gibt keine langen schlanken Anhänger, sondern nur dicke große. Wahrscheinlich ist das Problem, einen Laser zu transportieren, ja auch nicht wirklich weit verbreitet. Aber am Ende finden wir einen Mietanhänger, der zwar lang genug ist, auf dem wir Henry aber auch ohne Probleme parken könnten. So etwas wäre für die Stadt gut, mit so einem Anhänger hätte man immer gleich einen Parkplatz vor der Tür, aber wir wollen ja erst einmal nur einen Laser transportieren.

Also rufen wir bei dem Verleih an und fragen den Experten. Die Ladefläche des Anhänger hat 3,90 m mal 1,80 m. Dabei muss man wissen, dass Henry stolze 1,68 m breit ist. Bei näherem Hinsehen wird da wohl seitlich etwas überstehen, zumal die Ladefläche sich ja zwischen den Rädern aufspannt. Wir fragen den Anhängerexperten unserer Wahl, wie es denn so um die Regularien von Gespannen bestellt ist. Wenn nicht ganz klar ist, wer da wen zieht, zieht immer der, der ein Lenkrad hat. Hammer! Punktsieg für Henry! Der Anhänger ist zwar länger und erheblich breiter als Henry, aber Henry hat eben ein Lenkrad! Und gewichtsmäßig kommt es auch hin, denn das Feld O1 in den Papieren besagt, dass Henry 750 kg ziehen darf. D.h. ganz praktisch, Astrid und ich könnten uns mit noch einem haushaltsfremden Gast zu einer Freiluftparty von Henry ziehen lassen, was uns weder mit den Corona-Regeln noch mit der Strassenverkehrsordnung in Konflikt bringen würde. Und bei dem Leergewicht von 500 kg, könnten wir sogar noch eine Kiste Bier mitnehmen. Die übrigen Maße des Anhängers sind zwar rubensmäßig üppig, aber zulässig.

Doch Zweifel bleiben uns trotzdem. So verabreden wir uns mit dem Verleiher, um mal Maß zu nehmen und zu schauen, ob alles auch noch so halbwegs im »verantwortbaren Bereich« liegt. Es ist wie beim Dating, bevor es zu mehr kommt, muss es halbwegs passen. Aber Henry und der Anhänger mögen sich auf Anhieb und Henry streckt dem Anhänger sofort seine Anhängerkupplung entgegen und der Anhänger lässt seine Deichsel freudig einrasten. Das Gespann ist gewaltig, macht aber am Ende auch einen gewaltig seriösen Eindruck.

„Zusammen sind sie stark!“

„Zusammen sind sie stark!“

Das Kurvenfahren ist zugegeben etwas gewöhnungsbedürftig. Auch enge Landstraßen sind enger als bisher. Rechts und links knapp 30 cm mehr zu haben und insgesamt mehr als doppelt so lang zu sein, gleicht dem Gefühl, auf Stelzen mit Trekkingrucksack und Isomatte in Öffis unterwegs zu sein. Die Dimensionen sind ungewohnt und wir gewöhnen uns in den ganzen vier Stunden auch nicht an die Ausmaße. Zu tief sitzt das nun schon seit 300.000 km eingefahrene Gefühl, einen wendigen Mini zu fahren.

„Voll verladen!“

„Voll verladen!“

„Passt doch!“

„Passt doch!“

„Auf geht's nach Hause.“

„Auf geht's nach Hause.“

Wir fahren Landstraße und meiden größere Ortschaften. Das lässt sogar ein irgendwie konspiratives Gefühl aufkeimen, was zugegeben schon etwas prickelt. Die Gefahr, einen Dorfpolizisten zu treffen, dem wir vorrechnen müssen, dass das, was groß aussieht, gar nicht zu groß ist, ist uns wiederum zu groß. Gerade, als wir den Laser in Steinhude auf den Anhänger laden, kommt ein Pärchen entlang des Weges. Der Mann bleibt stehen und fragt: “Darf der das?” und ich sage selbstsicher: “Klar, ist doch nen großer Mini, er ist mit seinen 13 Jahren auch schon volljährig. Sie wissen ja, beim Autoalter ist das ähnlich wie mit dem Hundealter!” Er nickt anerkennend und geht weiter.

„Zuhause angekommen“

„Zuhause angekommen“

Der Rest ist schnell erzählt. Geschickt schlängeln wir uns zurück durch Dorfpolizisten-freie Zonen, laden den Laser zuhause ab und geben den Anhänger nach genau 3:58 Minuten wieder ab. Henry guckt etwas traurig, aber er versteht, dass es nur ein kleines, flüchtiges Abenteuer war. Ein Abenteuer, dass uns am Ende nur 25 € gekostet hat, aber dafür auch jede Menge Spaß gemacht hat.

„Da liegt er nun und warte darauf, verkaufsfertig gemacht zu werden.“

„Da liegt er nun und warte darauf, verkaufsfertig gemacht zu werden.“