Wandertag auf der Halbinsel São Lourenço


Ungeachtet unserer phantastischen und vollkommen unbestreitbaren Off-Road-Fähigkeiten mit unseren Klapprädern, entscheiden wir uns heute doch für unsere Wanderschuhe. Die Sonne scheint von einem strahlend blauen Himmel und von der Marina ist es nur ein kurzer Weg entlang der Straße bis zu dem Parkplatz, wo der eigentliche Wanderweg beginnt. Es ist Sonntag und nicht nur wir sind auf die Idee gekommen, heute zu wandern. Doch der Wanderweg ist lang und so hoffen wir, dass sich die vielen, tapferen Wanderer auf dem langen Weg auch ganz gut verteilen.

„Ein echte Wanderung, 10,6 km!“

„Ein echte Wanderung, 10,6 km!“

„Unten der »Marina-Felsen«“

„Unten der »Marina-Felsen«“

„Schon am Ausgang des Resorts der »Rote Berg«, dazu aber später noch mehr...“

„Schon am Ausgang des Resorts der »Rote Berg«, dazu aber später noch mehr…“

„Noch etwas an der Straße entlang... oben die Marina.“

„Noch etwas an der Straße entlang… oben die Marina.“

„Wasserfarben...“

„Wasserfarben…“

Vor uns liegen mehr als 10 km, aber wir ahnen noch nicht, was das für Kilometer sein werden. Schon ab dem ersten Kilometer unserer Wanderung sind wir von einer atemberaubenden vulkanischen Felslandschaft umgeben und hinter jeder Kurve bieten sich neue Perspektiven. Der rot-braune Felsen, unter dem die Marina liegt, gibt einem ja schon einen kleinen Vorgeschmack auf diese urvulkanische Landschaft, aber nun betreten wir eine rot-braune Felsenhalbinsel, die wirklich ihres gleichen sucht. Wild farbig geschichtete Felsen stürzen mal fast senkrecht in den Altantik, mal streckt sich ein karg bewachsener Hang hinunter zum Wasser.

„Unser Ziel die Halbinsel São Lourenço“

„Unser Ziel die Halbinsel São Lourenço“

„Die Islas Desertas, die mit der Tarantel, aber auch das kommt noch später...“

„Die Islas Desertas, die mit der Tarantel, aber auch das kommt noch später…“

Das Farbenspiel der Vulkanfelsen mit dem blau-türkisen Atlantikwasser, das sich weiß schäumend an den schroffen Felsen bricht, ist unvergleichlich. Immer wieder bleiben wir stehen und sehen uns staunend um. Diese Felslandschaft ist wirklich einzigartig und das Farbspiel dieser Vulkanfelsen bietet alles von einem giftigem Gelb, das ins Braun spielt, über graue Adern, die sich durch ein mal hell- und mal dunkelbraunes Gestein ziehen, bis hin zu bizarren, rostroten Felsen, die wohl als härtestes Gestein seit Jahrtausenden allen Atlantikwellen und allen Wettern trotzen. Rottöne aller Art bestimmen die Landschaft, mal ein helles Rostrot, mal ein fast schwarzgraues Dunkelrot, dazwischen aufgestellte beige-braune bis gelblich-graue Schichten. Teilweise sind sie recht glatt und teilweise vollkommen zerklüftet mit ausgewaschenen Hohlräumen und herausgewaschenen scharfen Graden. Zerfurcht von der Erosion oder unzerstörbar hart über Jahrtausende. Staunend laufen wir weiter, so etwas haben wir wirklich noch nicht gesehen.

„Die Baia d'Abra, dort werden auch wir bald ankern.“

„Die Baia d'Abra, dort werden auch wir bald ankern.“

Gleich nach dem ersten Kilometer führt uns der Wanderweg hoch oben über der Baia d’Abra entlang. Die Baia d’Abra ist eine der wenigen Ankerbuchten auf Madeira und sie ist ganz sicher unser nächstes Ziel nach der Marina Quinta do Lorde. Von oben sieht das schon phantastisch aus und wir können es kaum erwarten, unseren Anker dort fallen zu lassen. Die Bucht ist der Hammer und die Gelegenheit, genau dort zu ankern, wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Ein Weg führt herunter in die Bucht, aber wir bleiben oben und gehen weiter auf die Halbinsel.

„Zu Beginn ist der Weg noch ein Weg.“

„Zu Beginn ist der Weg noch ein Weg.“

„Der Schiffsjunge schleppt natürlich alles mit, um auch Panoramen zu machen.“

„Der Schiffsjunge schleppt natürlich alles mit, um auch Panoramen zu machen.“

Und genauso atemberaubend, wie die Landschaft ist, wird auch nach und nach der Weg. Und das im wörtlichsten Sinne des Wortes »atemberaubend«. Was zunächst recht moderat als Wanderweg beginnt, steigert sich Stück für Stück zu einem echten Bergpfad. Oft geht es über Stufen steil hinauf und dann auch wieder herunter, oft führt uns aber auch nur ein schlottriger Bergziegenpfad durch die wilde Felslandschaft. Als wir uns dann nach einer tollen Passage umdrehen, sehen wir erst, dass wir uns kurzzeitig auf einer echten Gratwanderung befunden haben.

„Farbenspiel im Atlantik“

„Farbenspiel im Atlantik“

Die eher gefährlichen Stellen sind mit Drahtseilen gesichert. Oft geht es direkt neben dem Weg senkrecht bis zum Atlantik hinunter. Teile der zerklüfteten Felsen sehen aus wie weggebrochene Krater und an vielen Stellen sind in den Felswänden die Magmaschlote noch genau zu erkennen. Immer wieder geht es steil hinauf, um dann ebenso steil wieder herunter zu gehen. Nach den ersten »Bergprüfungen« nimmt die FlipFlop- und Sandalendichte auch sehr schnell ab und kurz darauf treffen wir eigentlich nur noch Wanderschuhe. Nicht selten schnaufen die dazugehörigen roten Köpfe wie eine Dampflok in den Alpen. Bei vielen Pärchen sieht man deutlich, wer die Idee zu dieser Wanderung hatte, und dass es da noch Diskussionsbedarf gibt, zu dem aber zurzeit die Kraft schon fehlt.


Obwohl man ja meinen könnte, dass Stufen am Berg eine prima Sache sind, saugen die kontinuierlich und Stufe für Stufe doch mehr Kraft aus unseren Waden als eine Schotterpiste oder der nackte Felspfad. Jede Stufe ist unterschiedlich hoch und lang und natürlich auch immer irgendwie krumm und schief. Da hält sich die Freude hoch wie auch runter in Grenzen. Ein Hochgenuss sind die seltenen, fast geraden Strecken, aber natürlich auch die verschiedenen Aussichtspunkte, die phantastische Aus- und Einblicke in diese vulkanische Felslandschaft bieten. Mal kann man zur einen, mal zur anderen Seite auf den Atlantik heruntergucken.

„Seit Jahrtausenden trotzen die Felsen den Wellen des Atlantiks.“

„Seit Jahrtausenden trotzen die Felsen den Wellen des Atlantiks.“

„Eine Gratwanderung“

„Eine Gratwanderung“

Und falls es bis jetzt noch nicht ganz klar sein sollte, unsere Wanderung ist der absolute Oberhammer und obwohl wir nach einigen Kilometer schon echt abgekämpft sind, müssen wir weiter. Nun wollen wir auch noch bis zum letzten Aussichtspunkt, dem Miradouro Ponta do Furado. Aber kurz vor dem letzten Anstieg lockt uns erst einmal eine kleine Taverne. Unsere Rettung, denn wir haben wieder einmal zu wenig Wasser zum Trinken mitgenommen. Aber der Bedarf des Schiffsjungen ist auch groß, so viel kann man gar nicht mitschleppen. Die Capitana versucht sich da eher in der Camel-Taktik, was da am Ende erfolgreicher ist, wissen wir noch nicht. Die Sonne brennt ziemlich gnadenlos und heizt zudem auch noch die dunklen Felsen sehr schön auf, so dass für die Wanderer auch wirklich keine Wärme verloren geht. Von oben und auch von unten werden wir schön beheizt.

„Puuuuuuuh!!!!!“

„Puuuuuuuh!!!!!“

In der Taverne bekommen wir einen Schattenplatz. Was für ein Glück, denn unterwegs gibt es alles, aber keinen Schatten. Schnell bestellen wir gleich mal zwei große Bier. Der Schiffsjunge ist noch etwas aus der Puste und noch nicht wieder so sprachgewandt und bestellt “Dos beer grande, obrigado!”, wird aber verstanden, was vielleicht doch eher an seiner Gesamtverfassung liegt und weniger an seiner Sprachgewandtheit. Und der Kellner hat ein ausgefeiltes Businesskonzept. Wir erkennen das erst im Nachhinein. Grundsätzlich kommt er immer mit einem Bier mehr und erzählt den rotköpfigen und schnaufenden Wanderern, dass er nun gerade zufällig noch ein weiteres Bier dabei habe, und ob man das nicht auch gleich haben wolle. Der Trick funktioniert und das nicht nur bei uns 😂.


„Der letzte Anstieg“

„Der letzte Anstieg“

Frisch gestärkt geht’s dann an den letzten Aufstieg zum Miradouro Ponta do Furado. Der Pfad dort hinauf ist in großen Teilen so ausgewaschen, dass es leichter ist, neben dem Pfad auf dem Fels zu klettern, als den Pfand selbst zu nehmen. Dann haben wir es geschafft. Mit viel Klettern könnte man wahrscheinlich noch etwas weiter und auch bei Niedrigwasser wohl herüber zur nächsten Insel. Aber ich bin inzwischen so kaputt, dass ich diese Möglichkeit bei der Capitana gar nicht erst anspreche. Vielleicht auch ein klein wenig deswegen, weil ich glaube zu wissen, was sie mir zu diesem Plan sagen würde.

„Ein Blick zurück ...“

„Ein Blick zurück …“

„Ein Blick voraus ...“

„Ein Blick voraus …“

„Miradouro Ponta do Furado“

„Miradouro Ponta do Furado“

„Zum Leuchtturm Punta da São Lourenço kommen wir leider (Gott sei Dank) nicht...“

„Zum Leuchtturm Punta da São Lourenço kommen wir leider (Gott sei Dank) nicht…“

Dann kommt der Rückweg und wir sehen alles, was wir eben vorwärts gesehen haben, nun noch einmal rückwärts. Unsere Schritte werden aber zunehmen schwerer. Wir sind definitiv keine Wanderer, uns fehlt da einfach die Power in den Waden.

„Der Rückweg ...“

„Der Rückweg …“

„Man kann sich wirklich kaum satt sehen...“

„Man kann sich wirklich kaum satt sehen…“

Und den ganzen Weg zurück höre ich diese Melodie und die Verse dröhnen in meinen Ohren “These boots are made for walking – and that’s just what they’ll do”. Ich kann diesen Song wirklich hören. Ohne Scheiß! Die Melodie kommt von den Vulkanfelsen aus den Spalten und von den Wellen, wenn sie weiß schäumend und weit unten an den Felsen knallen. Sogar die Möwen summen diese Melodie, wenn sie der Aufwind über uns auf das Meer hinaus trägt. Und sie Salamander piepsen sie zwischen den Steinen. Und wenn ich dann so auf meine Füße schaue, wie sie ohne Pause vor sich hin gehen, Stufen um Stufe erklimmen und Schotterwege herunterstolpern, dann ist eins klar. »My boots might be made for walking, but definitely not my feet and legs«.

„»These boots are made for walking and that's what they've walked today«“

„»These boots are made for walking and that's what they've walked today«“

wieder zurück in der Marina Quinta do Lorde
32° 44′ 30,1″ N, 016° 42′ 41,4″ W