Nach 1.618,5 Seemeilen und zum Ende der Saison


„Da sind wir nun bzw. die PINCOYA.“

„Da sind wir nun bzw. die PINCOYA.“

Nach vier Tagen in der Marina Arrecife sind wir fertig und alles ist vorbereitet. Die Befürchtung der Capitana, den Flieger zu verpassen, führt zu einem strengen Regiment. Da heißt es für den Schiffsjungen, gefügig sein und keine Widerworte haben. Doch unsere Nachbereitungen bzw. Vorbereitungen dauern auch, denn wir müssen nicht nur alles entsalzen, sondern auch von einer braunroten Staubschicht befreien, bevor wir etwas wegräumen können. Der Wind der letzten Woche hat jede Menge Saharastaub mit herüber gebracht. Insider erzählen uns zwar, dass das noch gar nichts ist und es noch viel schlimmer kommen kann, aber uns reicht das so schon mal.

„Brauntrübes Wetter.“

„Brauntrübes Wetter.“

„Alles ist rotbraun eingefärbt.“

„Alles ist rotbraun eingefärbt.“

Eigentlich kann man fast täglich spülen, denn es gibt bei diesen Windrichtungen genügend Nachschub. Den Schiffen, die hier länger allein liegen, sieht man ihr Schicksal an. Irgendwann beißt sich der rotbraune Staub in jedes Gelcoat und färbt jede Persenning und jeden Tampen ein. Obwohl wir bisher ja nur 3 Monate auf Madeira und den Kanaren unterwegs waren, sieht man inzwischen sehr genau, wie unsere neu genähten Fensterabdeckungen und das Bimini normalerweise aufgerollt sind. Die erste Färbung haben sie schon im Sommer in Portimão bekommen. Und das, obwohl wir regelmäßig alles gespült haben. Sei es mal mit Süß- oder auch mit Salzwasser.

„Restarbeiten...“

„Restarbeiten…“

Das ist auch der Grund, warum wir uns die Arbeit machen, die Vorsegel herunter zu nehmen. Und alle Tampen, die sich nicht einfach abschlagen lassen, stopfen wir irgendwo drunter oder irgendwo rein. Wir sind gespannt, wie die PINCOYA in 6 Wochen aussieht. Viel Regen zum Spülen wird es hier nicht geben. Das Groß lassen wir angeschlagen, die Persenning deckt alles gut ab und eine neue Persenning können wir uns ggf. nun ja auch mit der Sailrite mal schnell selbst nähen. Einige Eigner, die ihr Schiff hier länger liegen lassen, haben offensichtlich einen »Spüldienst« engagiert. Das ist sicher nicht die schlechteste Idee, wenn man länger nicht vor Ort sein kann.

„Die beiden kamen 24h nach uns an. Direkt aus Sardinien 😳 in 4 Tagen ⛵️💨“

„Die beiden kamen 24h nach uns an. Direkt aus Sardinien 😳 in 4 Tagen ⛵️💨“

„Unser Winterliegeplatz“

„Unser Winterliegeplatz“

Insgesamt vergehen die Tage zwar schnell, aber ganz ohne Hektik. In Norddeutschland musste man ja immer ein passendes Wetterfenster finden, um die Segel trocken unter Deck zu kriegen. Hier kann einem höchsten der Wind einen Strich durch die Rechnung machen und wenn es mal einige Tropfen gibt, dann ist das auch nach einer Tasse Kaffee schon wieder vergessen.

„An so ein Adventswetter kann man sich gewöhnen.“

„An so ein Adventswetter kann man sich gewöhnen.“

Den ganzen Kram, den wir bestellt haben, bekommen wir vor unserem Heimaturlaub leider nicht mehr. Aber Marion und Paul von der Luna Mare bleiben ja über Weihnachten hier und wenn die Batterien und all das andere Zeug dann kommen, stellen sie die Sachen auf die PINCOYA. So können wir Anfang Februar gleich mit dem Einbau beginnen. So herum ist es uns auch lieber, denn mit neu eingebauten Lithiums hätten wir die PINCOYA nur ungerne gleich 6 Wochen allein gelassen.

„Weihnachtsmarktbepflanzung!“

„Weihnachtsmarktbepflanzung!“

Und dann ist der 4te Advent da, alles ist fertig und wir sitzen bei 24 °C im Cockpit in der Sonne und tanken noch etwas Wärme. Man kann schon verstehen, warum hier so viele Segler hängen bleiben. Es ist einfach angenehm und bisher fehlt uns der norddeutsche Schmuddelwinter noch gar nicht. Es gibt zwar auch hier Tage, die durchwachsen sind, aber das sind eben Tage und nicht Monate.


„Steg E bei Nacht“

„Steg E bei Nacht“

Gestern Abend haben wir darüber nachgedacht, was wir machen, wenn es im nächsten Jahr nach unserem Azoren-Trip immer noch so schwierig ist, weltweit zu reisen. In diesem Fall kommt dann für uns eigentlich weiterhin nur Europa in Frage. Dort ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns als Europäer weitgehend frei bewegen können, noch am größten. Auf keinen Fall wollen wir uns in eine Situation manövrieren, in der wir nicht mehr nach Hause können, weil absehbar ist, dass wir nicht wieder zurück zur PINCOYA kommen. Doch ganz leise schwingt diese Befürchtung tatsächlich auch schon heute mit, denn niemand weiß, wie sich nun die Reisefreiheit selbst innerhalb von Europa entwickeln wird. Die letzten Meldungen deuten ja schon eher daraufhin, dass Schließungen wieder anstehen. Zusätzlich steht ja nun noch Weihnachten als Superspreader-Event vor der Tür. Omikron hätte sich keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können, um sich munter zu verbreiten. So richtig entspannt werden wir erst wieder sein, wenn wir geboostert wieder im Flieger zurück nach Lanzarote sitzen.

„Die Marina bei Nacht“

„Die Marina bei Nacht“

Und wenn es gelingen sollte, dass wir Anfang Februar problemlos zurückkommen, dann gehen wir auch mal davon aus, dass wir nächstes Jahr unsere Runde auf den Kanaren und den Azoren wie geplant drehen können. Von den Azoren geht es dann sicher erst einmal zurück nach Festland-Portugal, doch was danach kommt, steht wirklich noch in den Sternen. Wenn unsere Überseegedanken dann tatsächlich nicht funktionieren, dann werden wir uns wohl zwischen »warm« und »kalt« entscheiden müssen. Damit stellt sich dann die Frage, ob wir ins Mittelmeer gehen oder doch noch einmal eine Runde im Norden drehen. Dass wir ohne eine Option, rüber zu gehen, noch einen Winter auf den Kanaren verbringen, halten wir heute für eher unwahrscheinlich. Doch im Norden gibt es keine Ganzjahressaison. Zumindest nicht für Segler 😂. Das ist bitter 😢 bzw. bitterkalt 🥶, denn Wärme ist beim Segeln schon eine tolle Sache. Doch die Nord-Option ruft tatsächlich auch alte finnische Überwinterungspläne und den Wunsch, endlich mal echte Nordlichter zu sehen, wieder auf den Plan. Mal sehen, mal sehen, im Augenblick können wir nur von der Hand in den Mund planen und versuchen, uns dabei alle Optionen offenzuhalten, um am Ende nicht doch in diesem Loch zu versauern, an dem das Schild steht »Leider-hat-mein-Plan-nicht-funktioniert!«.

„Arrecife-City bei Nacht“

„Arrecife-City bei Nacht“

„Der Mond als Toplicht 😂!“

„Der Mond als Toplicht 😂!“


Doch nun geht die Saison 2021 gerade erst einmal ihrem Ende entgegen und 2022 liegt verheißungsvoll vor uns. In zwei Stunden landen wir in Hannover, bis dahin muss dieser Blog fertig geschrieben sein. Die vergangene Saison war ja zweigeteilt. Der kurze Sommertörn war eher eine Verschnaufpause und die 6.000 km quer durch Europa mit Henry waren das Abenteuer drumherum.

„Weihnachtliche Marina Lanzarote.“

„Weihnachtliche Marina Lanzarote.“

Auf unserem Herbsttörn hatten wir dann unsere ersten beiden Offshore-Etappen. Und diese beiden Etappen haben für zukünftige Etappen noch viel Entwicklungspotential offen gelassen. Für nachfolgende Offshore-Etappen ist es so ein Leichtes, sich an dieser Stelle hinsichtlich Entspannung, Gemütlichkeit und auch Romantik noch deutlich zu steigern. Das alles wäre auch gar nicht schwer und ginge auch ganz ohne eine einzige neue Herausforderung, denn darauf können wir durchaus verzichten. Irgendwie scheinen wir wirklich etwas Pech gehabt zu haben, denn fast alle Berichte von Seglern, die wir vorher und auch hinterher gehört und gelesen haben, zeichnen ein ganz anderes Bild. Aber vielleicht liegt das ja auch daran, dass schlechte Erinnerungen schneller verblassen als gute, und wir auch unsere Überfahrten nach Madeira und zu den Kanaren in wenigen Jahren in ganz anderer Erinnerung haben. Aber heute wirkt das alles noch frisch nach und so ist es eben nicht schwer, dass im nächsten Jahr solche Etappen positiver werden, was ja auch besonders einfach ist, wenn man unter Null beginnt.

Doch am Ende hatten unsere ruppigen Erfahrungen auch ihr Gutes. Wir haben erlebt, wie gutmütig sich unsere dicke Erna auch Offshore verhält. Richtig schlechtes Wetter und auch Sturm haben wir mit ihr ja schon häufiger durchgestanden, aber dass sie nun auch Offshore so gut läuft, macht uns echt froh und gibt uns ein wirklich gutes Gefühl. Außerdem ist sie schneller, als wir gedacht haben. Was aber vielleicht auch daran liegt, dass wir immer versucht haben, ein Wetterfenster zu finden, dass guten Segelwind verspricht und uns nicht zwingt, zu motoren.

„Astrids neues Boot ist schon auf ihren Namen zugelassen!“

„Astrids neues Boot ist schon auf ihren Namen zugelassen!“


Als Segelrevier hat uns Madeira enttäuscht. Im Nachhinein müssen wir zugeben, dass uns das vielleicht auch im Vorhinein hätte klarer sein können. Sicherlich ist heute, eben nach Madeira, unser Blick für solche Gegebenheiten auch schärfer als vorher. Madeira ist hübsch, ohne Frage, aber eben auch alles andere als ein gutes Segelrevier. Das Archipelago Madeira hat nur drei Häfen und zwei Ankerbuchten, die aber auch ausnahmslos alle ihre Problemzonen haben. Eine Segelzeit, wie wir sie uns wünschen, ist dort wirklich nur sehr eingeschränkt möglich. Sicher kann man seinen Anker an vielen Stellen fallen lassen, aber für alle Ankerplätze und auch selbst die Marinas gilt, dass es immer Wetterlagen gibt, die es verbieten, dort zu sein. Solange es aus Norden weht, ist auf Madeira alles ok, aber wehe es kommt mal nicht aus Norden.

Ebenso ernüchternd waren bisher die Kanaren. Angeblich soll dieser Herbst ja der Ausnahmeherbst schlechthin gewesen sein. So einen Andrang will man auf den Kanaren noch nie gesehen haben. Sicherlich hat Corona zu einem gewissen Stau der Segler geführt, die nun endlich mal in die Karibik und umme Welt wollen. Aber an die große und noch nie dagewesene Ausnahmen können wir nicht so recht glauben, auch wenn es dieses Jahr vielleicht etwas voller war als sonst. Im Herbst drängelt sich naturgemäß immer alles auf den Kanaren, was auf die Barfußroute will. Und der Punkt »Barfußroute« ist für die Fahrtenseglergemeinde hier auch durchaus prägend bzw. charakterisierend. Die Karibik ist für ganz viele der einzig vorstellbare Fluchtpunkt ihrer Seglerträume. Alles bis zu den Kanaren ist Transit und dann soll es endlich rüber gehen. Man tut sicher keinem Unrecht, wenn man feststellt, dass bestimmt die Hälfte der Segler, die auf den Kanaren unterwegs sind, auf eine eher überschaubare Vorruhestandssegelkarriere zurückblickt, der bisher lediglich einige Chartertörns vorangegangen sind. In fast jedem Gespräch wurden wir etwas ungläubig bestaunt, weil wir die PINCOYA nun schon fast 12 Jahren haben, vorher auch noch ein anderes Schiff hatten und selbst davor schon gesegelt sind.
Wir sind sehr gespannt, wie es im Frühjahr auf den Kanaren sein wird. Wenn die dritte ARC die Kanaren verlassen hat und auch all die individuellen Übersegler aufgebrochen sind.


Aber so richtig viel haben wir von den Kanaren ja auch noch gar nicht gesehen. Und so wirklich entspannt war unsere Zeit dort ja auch noch nicht. Dazu haben uns unsere technischen Probleme zu sehr in Atem gehalten. Im Nachhinein betrachtet hätten wir fast alle dieser Probleme mit etwas Nachdenken vermeiden können. Einzig der durchgerostete Fäkalientank und die spröden Wasserfilter sind wohl einem unvermeidbaren »Dumm-gelaufen« zuzuordnen. Doch in den Geschichten des ausgelaufenen Boracols, dem Knacken der losen Halterung an der Selbststeueranlage und in dem Ableben der AGMs und der Motorbatterie lässt sich durchaus ein guter Anteil an Eigenverschulden und Dusseligkeit finden. Das ist im Nachhinein ärgerlich, gerade dann, wenn man erkennt, an welcher Stelle man eigentlich etwas hätte anders machen können, ja müssen. Manchmal kommen wir uns ja schon etwas zu verkopft vor, aber irgendwie scheint die Lernkurve immer noch steil nach oben zu zeigen.
Doch auf der anderen Seite konnten wir all die Probleme auch lösen und etwas stolz sind wir schon auf den neuen Fäkalientank. Die Organisation war nicht ganz ohne, hat aber am Ende super geklappt. Auch weil Fuerinox und der Schweißer einen echt tollen Job gemacht haben.


Und nun geht’s erst einmal zurück in den Weihnachtsheimaturlaub!

„Abfahrt bzw. Abflug“

„Abfahrt bzw. Abflug“

„Lanzarote und der Vollmond über dem Atlantik. Den müssen wir ganz schnell mal wieder von unter haben.“

„Lanzarote und der Vollmond über dem Atlantik. Den müssen wir ganz schnell mal wieder von unter haben.“

„Wieder zuhause.“

„Wieder zuhause.“


Die Statistik

„Unsere Saison 2021“

„Unsere Saison 2021“

2021 war der nördlichste Punkt unserer Reise unser Ankerplatz im Rio Piedras in Andalusien. Der östlichste Punkt war unser erster Ankerplatz in der Bucht von Cádiz. Beide Punkte haben wir auf unserem Sommertörn angesteuert.
Unseren westlichsten Punkt haben wir dann auf unserem Herbsttörn auf Madeira in der Marina Calheta erreicht und unseren südlichsten kurz vor der Marina Gran Tarajal auf Fuerteventura.

Sommertörn: 407,9 sm -> Segelschnitt 82,9 %
Herbsttörn: 1.210,6 sm -> Segelschnitt 89,1 %
gesamt: 1.618,5 sm -> Segelschnitt 87,5 %

Sommertörn: 25,2 Motorstunden
Herbsttörn: 39,6 Motorstunden
gesamt: 64,9 Motorstunden

Sommertörn: 15 Fahrtage
Herbsttörn: 24 Fahrtage
gesamt 39 Fahrtage

Was pro Fahrtag eine durchschnittliche Motorstundenzahl von 1,66 ergibt.

Und insgesamt:
5 Reisemonate
91 Ankertage
5 Seetage

„Die weihnachtliche Marina..“

„Die weihnachtliche Marina..“