Karibische Ernüchterung


Laut Cruising Guide und auch der einhelligen Meinung aller Fahrtensegler, die wir bisher getroffen haben, soll die Versorgungslage auf Martinique mit großem Abstand die beste und preiswerteste der ganzen Karibik sein. Hier gibt es den sagenumwobenen Leader Price, der eigens sogar ein Dinghy-Dock hat, um den Einkauf für Yachties zu erleichtern.

„Der Leader Price!“

„Der Leader Price!“

Doch Leader Price entpuppt sich als Supermarkt auf mittleren Penny-Niveau mit eingeschränktem Angebot zu XXL-Preisen. Der Kilopreis für Billigkäse liegt bei 20 €, ein Leerdammer entpuppt sich als gute Geldanlage, wenn er nicht so schnell vergammeln würde, ein Kilo Hähnchenbrust liegt bei 24 € und durchwachsenes, tiefgefrorenes Rindfleisch toppt preislich bei weitem noch jedes Rinderfilet der eigentlich nach oben offenen Angus-Klasse. Gemüse und Obst gibt es zu Preisen, die die Vitaminversorgung auf ein Minimum herunterfahren und die Qualität liegt oftmals in dem Bereich von fortgeschrittener Selbstkompostierung. Doch es gibt auch Auchan und Carrefour, die dieses Preisniveau zwar locker toppen, sich aber bei der Qualität angeglichen haben. Die zwei Bier in der Hafenbar erreichen fast unseren bisherigen Rekord vom Osloer Flughafen aus dem Jahr 2017. Dafür gibt es den lokalen Rum in 2 oder 3 Liter Schläuchen, so wie in Frankreich und Portugal den Wein. Das allerdings auch zu Preisen, die einen zweimal überlegen lassen, ob man seinen Einkaufsfrust denn nun ersäufen soll oder doch lieber nicht.

„Manch einer findet die großen roten Moorings sicherer. “

„Manch einer findet die großen roten Moorings sicherer. “

„Traditionell wird hier mit einem Spannbettlaken gesegelt. Die wurden übrigens auf Martinique erfunden und nicht vom Dänischen Bettenlager!“

„Traditionell wird hier mit einem Spannbettlaken gesegelt. Die wurden übrigens auf Martinique erfunden und nicht vom Dänischen Bettenlager!“

Als wir an einem Samstag in die Marina fahren, sehen wir einige Kleintransporter mit der Verproviantierung von neuen Chartercrews. Einige Mitarbeiter von Auchan und Carrefour rollen mehrere große Transportkarren und auch Europaletten auf den Steg. Wir sind uns nicht ganz sicher, was nun einen höheren Wert hat. Die Ladung oder der Kleintransporter. Schon das Limit unserer Kreditkarten würde für uns so einen Einkauf vereiteln.

„Wieder mal in der Marina“

„Wieder mal in der Marina“

Da in den Supermärkten allerdings auch die ganz normalen Menschen, die hier leben, einkaufen, nehmen wir an, dass das Gehaltsniveau auf Martinique schon einen gewissen Anreiz bieten würde, hier wieder zu arbeiten. Da wir allerdings ausschließlich vor Anker liegen, können wir die gesparte Hafengebühr nun hemmungslos in eine Käsestulle investieren. Es ist ein Segen, dass wir uns noch in Portugal und auf den Kanaren wie blöde verproviantiert haben. Vielleicht können wir die Putensteaks, die wir noch tiefgefroren haben, ja gegen, sagen wir mal, die neuen Backstagen tauschen. 😂


Nachdem die ersten Schritte in Richtung Reparatur recht verbindlich anmuteten, kämpfen wir nun seit mehr als einer Woche darum, ein korrigiertes Angebot und vor allem auch noch einen konkreten Reparaturtermin zu bekommen. Nach den ersten beiden Terminen, die wir noch recht leichtfüßig genommen haben, sind wir nun offensichtlich in diesem Mañana-Mañana-Sumpf versackt. Jeder weitere Schritt ist zäh und unkonkret. Alles dauert und ohne Nachfrage passiert schon mal gar nichts. Und man muss persönlich nachfragen und auf der Matte stehen, alles andere hat sowieso gar keine Wirkung.

„Auf dem Weg zum Rigger“

„Auf dem Weg zum Rigger“

So etwas ist nicht meins und die Capitana gibt mir jedes Mal Instruktionen für das nächste Intro. Positiv beginnen, lächelnd das wenig Gelungene oder noch gar nicht Geschehene aufgreifen und sich dafür bedanken, um dann mit etwas Konkretem aus der Abdeckung zu kommen. Smalltalk — ha ha — und wie wäre es mit einem konkreten Termin für die Reparatur? So viel Unverbindlichkeit nervt. Wir verstehen ja, dass die Auftragsbücher angeblich voll sind. High season, you know! Ja, aber das kann man doch auch einfach sagen und uns nicht immer irgendwie halbgar hinhalten. In Le Marin gibt es noch einen zweiten Rigger und auch in Fort-de-France gibt es einen. Aber sollen wir mit einem von denen nun nach 14 Tagen von vorn beginnen, nur weil sich kurz vor dem erhofften Termin alles so zäh gestaltet? Und ist es dann dort wirklich anders? Keine Socke weiß das!

„Der kleine Strand von Le Marin.“

„Der kleine Strand von Le Marin.“

Unsere Tage hier hatten wir uns anders vorgestellt. Da wir recht weit draußen liegen, ist es immer ein Akt, mit dem Dinghy reinzufahren. Mal abgesehen von dem ganzen Benzin, das wir so unnötig verballern. Unser kleiner Honda musste noch nie so viel leisten wie hier.
Doch heute konnte ich alle drei Protagonisten, zwischen denen das Mañana-Mañana-Spielchen abgeht, kurz vor Feierabend im Büro stellen. Und nun haben wir den 28.02. als Termin und alle benötigten Teile sollen auch am Lager sein. Mal sehen, was als nächstes kommt…

Ganz zufrieden sind wir mit der Lösung für die Achterstagen (noch) nicht. Eigentlich sollte auch bei zwei Einzelstagen eine leichte Umlenkung am Geräteträger möglich sein. Schließlich werden ja Wanten an den Salingen auch »umgelenkt« und knicken nicht gleich ab, nur weil dort eine Saling ist. Aber die machen hier nur Standard und eine noch längere Diskussion, ohne einen Termin zu haben, wollten wir auch nicht mehr führen. Mal sehen, vielleicht können wir noch was erreichen, wenn es konkret an die Montage geht.


Da wir gerade einen kleinen Artikel für die Mitgliederzeitschrift des OCC schreiben, habe ich ein Photo von uns und auch der PINCOYA in unseren Bildern aus 2022 gesucht. Gott, was hatten wir auf den Kanaren für einen blauen Himmel! Etwas ungläubig bestaune ich unsere Bilder. Seit wir auf Martinique sind, hatten wir noch nicht einen Tag ohne Regen. Es gibt Tage, an denen die Sonne auch mal länger scheint, aber ein Tag ohne Wolken und Regen scheint nicht möglich zu sein. Das alles erinnert an einen Hamburger Sommer, nur etwas etwas wärmer, aber genauso nass. Zudem bläst es ständig kräftig. Mit einem Squall sind auch mal deutlich mehr als 20 kn drin, der Schnitt liegt zwischen 15 und 20 kn. Auch das hatten wir uns etwas anders vorgestellt. Doch es muss ja auch anders gehen, wie sonst hätte die Karibik zu solch einem paradiesischen Ruf kommen können? Mal sehen, wenn die PINCOYA irgendwann Anfang März wieder hochseetauglich ist, werden wir weiter in den Norden ziehen.
Manchmal haben wir hier jedoch das Gefühl, eher in einer Waschstraße zu ankern. Doch das hat auch seine Vorteile, denn die tägliche Serie von Vollwaschgängen hat den Sahara-Staub endlich mal abgespült und die PINCOYA auch obenherum gut entsalzt.

„Der tägliche Regen“

„Der tägliche Regen“

„Kein Wunder! Es regnet halt viel. Da sollte man sein Schiff nicht unbeobachtet lassen.“

„Kein Wunder! Es regnet halt viel. Da sollte man sein Schiff nicht unbeobachtet lassen.“

Insgesamt nervt die Situation, so festgenagelt zu sein. Zum Wochenende werden wir uns noch mal vor Saint Anne verlegen. Ein Tapetenwechsel wird uns sicher gut tun. Und ich muss auch tauchen, um die Schraube sauber zu machen und die Opferanoden zu wechseln. Da wäre mir ein flacheres Wasser schon lieber. Aber das ist schon wieder so eine Sache, wo sich eingefleischte Taucher schlapp lachen. Doch seit 5 Tagen gibt es auch einen weiteren Grund. Jeden Abend, wenn wir mit Licht im Cockpit sitzen, kommt ein kleiner Hai vorbei, um bei uns nach dem Rechten zu sehen. Erst ist uns nur ab und zu mal ein kräftigeres Plätschern aufgefallen, denn ständig plätschern neben uns ganze Schwärme von kleineren Fischen herum. Dann aber haben wir einen Schatten unter Wasser gesehen. Eindeutig einen Hai-Schatten. So etwas erkennt der Schiffsjunge sofort! Und jetzt kommt das eigentlich Unheimliche. Als wir mit einer starken Taschenlampe ins Wasser leuchten, reflektiert das Licht in seinen Augen. So wie das Licht von Autoscheinwerfen auch in den Augen von Wild am Straßenrand reflektiert wird. Nun verfolgen wir ihn jeden Abend. Die Augen leuchten gelblich im Taschenlampenlicht und er scheint sich seiner Sache sehr sicher zu sein. Kleinere Fische hauen im Licht sofort ab, der Bursche schwimmt einfach gemächlich seine Bahnen. Ehrlich gesagt, sieht er etwas wartend aus. Er ist »nur« etwa einen Meter lang, wird also wahrscheinlich einen ausgewachsenen Schiffsjungen nicht einfach so verspeisen. Dennoch wäre es mir schon lieber, vor Saint Anne mit Nemo zu tauchen, als hier mit unserem allabendlichen Besuch. Die Capitana macht sich über die Sorgen des Schiffsjungen etwas lustig und würde die Sache mit den Opferanoden an der Schraube gerne sofort und ohne zu zögern erledigen, doch leider findet sie gerade ihre Kontaktlinsen nicht wieder. Und ohne geht es eben mit der Taucherbrille auch nicht. 😘

„Und dann kommt doch wieder die Sonne durch.“

„Und dann kommt doch wieder die Sonne durch.“


Immer noch vor Le Marin auf Martinique
14° 27′ 38,2″ N, 060° 52′ 21,9″ W