Inzwischen ist es wirklich Zeit. Als wir noch einmal bei Rewe einkaufen, flasht es uns. Nee, so wollen wir das alles nicht und wenn es überhaupt so sein muss, dann wäre es definitiv zu früh. Wir wollen raus, weit raus. Ach was…, was heißt hier wollen? Wir müssen! Unser Budget ist zwar schmal, doch wir haben unendlich viel. Was für ein Glück! Am Samstag um 14:55 geht unser Flieger und dann stehen wir vor dem wunderbarsten Weihnachtsgeschenk, das wir uns je gemacht haben.
Vor dem Bug der PINCOYA liegt eine ganz andere Welt, – ach Quatsch -, es ist ja gar keine andere Welt, es ist ja die ganz normale Welt. Aber eben in ihrer ganzen Vielfalt und Größe. Und nicht in dem deutschen Klein-Klein. Das ist berauschend, wir waren noch nie so glücklich. Doch auch das ist im Überschwang der Vorfreude schon wieder Blödsinn, wir sind schon lange so glücklich, weil wir das Glück seit Jahren gemeinsam einfach so nehmen, wie es kommt. Nicht, weil wir versuchen, es uns zu kaufen, sondern weil wir das, was wir haben, leben. Gemeinsam leben.
Dienstag vor unserem Abflug beginnt es zu schneien. Das norddeutsche Wetter macht uns den Abschied nicht wirklich schwer. Erinnerungen an das letzte Jahr werden wach. Am 22. November letzten Jahres sind wir nach einem frühen Wintertörn durch Norwegen in Büdelsdorf im Winterlager angekommen. Dieses Jahr fliegen wir am 23. November zurück zur PINCOYA in die Wärme. Geplant war das so natürlich nicht, aber es fühlt sich nach dem letzten Winter wie ein verdienter Ausgleich an. Damals und heute trennen 12 Monate, rund 3.800 km und 20° C. Und die letzten beiden mit deutlich steigender Tendenz 😂. Leider noch nicht gleich, aber in drei Tagen.
Wie zur Auffrischung unserer Erinnerung flatschen uns nasse Schneeflocken ins Gesicht. Das wäre eigentlich nicht nötig gewesen und im Handumdrehen sehen wir uns vor Risör im Schneeregen segeln und die Kälte kriecht wieder tief in unsere Knochen.
Die letzten Reste sind schnell erledigt und die letzten Treffen und Abschiede bleiben in unserer anderen Welt zurück. Unsere Gedanken kreisen inzwischen um die nächsten Vorbereitungen auf der PINCOYA, einen günstigen Absprunghafen und das Überfahrtwetter. Die Tiefdruckgebiete auf dem Atlantik holen dieses Jahr immer wieder sehr weit nach Süden aus und haben enorme Ausmaße.
Mal sehen, was wir Mitte Dezember so erwischen. Dass die ARC am kommenden Sonntag mit Südwind startet, ist wohl auch eher ungewöhnlich.
Am Freitag um 21:40 jammert unsere Personenwaage dann zum letzten Mal. Sie ist ja Kummer gewohnt, doch wenn zu dem allmorgendlichen Kummer auch noch das Gewicht eines Trolleys hinzukommt, hört der Spaß auch für eine einfache Personenwaage auf, die sonst ihr gewichtiges Dasein einsam unter dem Waschbecken im Bad fristet. Die magischen Zahlen der letzten Ziehung heißen 19,6, 19,4 und 9,8. Damit gewinnt man zwar nicht den Jackpot, aber bei Ryanair das Lächeln der Dame an der Gepäckannahme. Die Sache war durchaus knapp bzw. könnte es immer noch werden, wenn die Flughafenwaage nicht ebenso empathisch ist, wie es Personenwaagen ja nachgesagt wird. Beim Gewichtstrimm der letzten Tage haben wir konsequent das Netto vom Brutto befreit und unsere Mülltonnen mit Umverpackungen gefüllt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, zusammengenommen haben wir nun noch 1,2 kg Zuladung frei.
Vor dem Abflug die Deutschlandreise
Um es mit der Reisespannung nicht zu übertreiben, gönnen wir uns für die Rückfahrt einen ICE. So steht es gleich schon mal 2:5 beim Umsteigen, was unsere Chancen, den Flieger um 14:55 in Köln auch wirklich zu erreichen, deutlich erhöhen sollte. Abgesehen davon müssen wir unsere Umsteigerallyes ohnehin minimieren, denn unser zweiter Trolley ist absolut »rollenlahm«. Nur sehr unwillig kommt er mit uns mit und wir müssen ihn mehr hinter uns herschleifen, als dass er rollt. Das ist aber auch gut so, denn zwei Reisetrolleys können wir auf der PINCOYA nun wirklich nicht gebrauchen und so tritt das rollenlahme Teil mit uns seine letzte Reise an.
Um 7:20 geht’s los. Auf dem Weg nach Köln sammeln wir zwar gleich mal 30 Minuten Verspätung ein, aber unser Puffer ist groß genug. Etwas skeptisch waren wir ja schon, denn viel Gutes wird ja gerade nicht von der Bahn berichtet. Doch wir können nicht klagen und ob wir anders besser durchgekommen wären, ist fraglich. In jedem Fall hätte ein Leihwagen one-way mehr gekostet.
Ryanair erwartet uns dann in der hintersten Ecke des Flughafens, danach kommt nur noch das Reich von DHL, FedEx, UPS und Maersk & Co. Die S-Bahn hält leider auf der anderen Seite. Die Schlange ist lang, doch wenn es sich in der Schlange erst einmal herumgesprochen hat, dass man sein Handgepäck nicht abgeben muss und es etwas kostet, wenn man nicht online eincheckt, dann lichtet sich die Schlange immer mal wieder unversehens und es geht auch mal zügig voran.
An der Security flimmert eine bauchnabelfreie Dame über die Bildschirme und macht im 2-Minutentakt vor, was man abgeben, auspacken und ausziehen muss. Nicht zu viel, es bleibt beim Bauchnabel 😂. Auch das ist eigentlich kein Geheimnis mehr, aber der pädagogische Erfolg bleibt wohl am Bauchnabel der Dame hängen und der Security-Mann erklärt den potentiellen Ferienfliegerklatschern alles noch einmal ganz genau.
So zerrinnt unser Puffer im Kölner Flughafen Minute für Minute und wir gehen direkt durch zum Boardíng, was schon über die Anzeigetafeln flackert. Das Boarding selbst ist die letzte, kleine Hürde, die nun noch zu nehmen ist, wäre da nicht dieses Rätsel, ob man hier nun seine Bordkarte, seinen Personalausweis oder vielleicht sogar beides braucht. Statistisch gesehen ist es schwierig, mit drei Möglichkeiten eine Fehlerquote von 85% hinzubekommen, doch vielleicht spielt da ja doch noch im Hintergrund etwas anderes mit.
An dem kleinen blauen Gestell, in das nur Taschen und Rucksäcke passen, die die Ryanair’schen Handgepäckmaße haben, spielen sich brutale Szenen ab. Mit roher Gewalt wird versucht, unschuldige Gepäckstücke auf Maß zu pressen. Manch einer Dame gelingt dies, während man von den Lippen ihrer entsetzten Freundin das Wort “Schminkkoffer” ablesen kann.
Richtig brutal wird es, wenn der Ryanair-Mann den Kopf schüttelt und darauf hinweist, dass der weiße Strich, der sich gerade etwa auf halber Höhe des Rucksacks befindet, die Maximalhöhe des gesamten Gepäckstücks kennzeichnet. Mit seinem gesamten Gewicht wirft sich ein älterer Herr auf seine Tasche, während seine Frau im letzten Moment den Ständer von der anderen Seite sichert. Die beiden scheinen ein eingespieltes Team zu sein, jeder Handgriff sitzt. Gerade, als es den beiden gelingen will, die Tasche in die Nähe des magischen weißen Strichs zu komprimieren, setzt der Ryanair-Mann zu seinem überraschenden und finalen Schlag an. Zeitgleich winkt er seinen Kollegen mit dem Kreditkartenlesegerät heran. Gemeinsam zählen die drei nun bis zwei, während der Rucksack sich ganz langsam wieder deutlich über den weißen Strich erhebt. Jeder nur eine kleine Tasche! Das macht zusammengenommen zwei. Das ist wie beim Mensch-ärger-dich-nicht-Spiel, wenn man rausgeworfen wird. Diesmal muss man aber keine Sechs würfeln, um wieder ins Spiel zu kommen, diesmal reicht ein leichter Schwenk mit der Kreditkarte über dem Kreditkartenlesegerät des herbeigeeilten Kollegen.
Das alternative Pärchen in Barfußschuhen und Rasterlocken stellt seine Rucksäcke nur kurz neben den kleinen blauen Ständer und murmelt, dass sie das mit der Höhe und auch all diesen anderen verwirrenden Maßen gar nicht gewusst hätten. Doch auch für dieses Argument gibt es bei dem Kollegen mit dem Kreditkartenlesegerät keinen Rabatt.
So vergeht unsere restliche Wartezeit wie im Flug. Und schon nachdem die Omi aus Reihe 23 ihr Handy von der Flughafen-Security, wo es abgegeben worden ist, wiederbekommen hat – die Türen waren schon geschlossen, der Cross-Check schon erledigt und auch die Treppe musste noch einmal retour kommen – , können wir starten.
Uns ist das inzwischen alles wurscht. Hauptsache, wir sitzen im Flieger und es geht heute noch irgendwann nach Fuerteventura. Nachdem alle Passagiere im Flieger sind und ich allein in einer Reihe sitze, nutzen wir einen kleinen unaufmerksamen Moment der Stewardessen und Astrid setzt sich um. So eine Aktion muss geschickt abgepasst werden, denn man darf ja bei Ryanair nicht einfach seinen Platz wechseln, wenn das System einen schon maximal weit auseinander gesetzt hat 😇.
Um Halbsechs Ortszeit landen wir auf Fuerteventura. 26°! Heute morgen sind wir bei 2° gestartet. Der Temperaturunterschied ist heftig, zumal wir uns wohl auf den letzten Metern zuhause noch mal mit einer ordentlichen Erkältung versorgt haben.
Unseren zweiten Trolley schleifen wir mit Gewalt bis in die Marina. Man hat fast das Gefühl, dass er sich mit Händen und Rollen wehrt. Dann ist es auch wirklich gut. Der PINCOYA geht es bestens, nur ein Ruckdämpfer scheint gebrochen zu sein. Morgen werden wir mal genauer gucken, es ist ja auch auf Fuerte nun schon dunkel.
Marina Puerto del Rosario
28° 29′ 45,3″ N, 013° 51′ 29,8″ W