Nun sind wir zwar zurück auf Culebra, doch das »Wie-denn-nun-weiter« gestaltet sich schwierig. Mal abgesehen von dem ständigen Ostwind, der für unseren Weg nach Martinique ja sowieso nicht besonders hilfreich ist, sind sich die Wettermodelle nun auch einig, dass es bald eine hässliche Starkwindphase aus Südost geben soll. Ein Starkwind aus Nordost würde ja noch halbwegs passen, aber ein stürmischer Südost ist so ziemlich das Ungünstigste, was uns gerade passieren kann.
Also was nun? Einen Besuch der USVIs und BVIs hatten wir ja eigentlich nicht geplant, doch nun werden wir wohl auch diese beiden Gastlandflaggen mal lüften müssen. Ein preiswertes Pflaster sind beide nicht und das beginnt schon mal beim Ein- und Auschecken. Um diese Kosten nur einmal zu haben und auch weil die BVIs noch weiter im Osten liegen, beschließen wir, auf den BVIs zu warten, bis sich das Wetter wenigstens halbwegs beruhigt. Die Hoffnung, dass das Wetter mal richtig toll passt, haben wir inzwischen aufgegeben. Dies wird sicher auch irgendwann mal wieder der Fall sein, aber nicht mehr in der Zeit, in der wir noch hier sind und es gut gebrauchen könnten.
Da wir 48 Stunden zur Ausreise aus Puerto Rico haben und die USVIs clearing-technisch auch irgendwie dazugehören, beschließen wir, einen Zwischenstopp auf Saint John einzulegen, bevor es weiter auf die BVIs geht.
Culebra, Puerto Rico -> Saint Thomas, USVI-> Peter Island, BVI -> Virgin Gorda, BVI
Distanz: 120,5 sm – Gesamtdistanz 2025: 4.393,2 sm
Culebra, Puerto Rico -> Saint Thomas, USVI
„Das Riff in der Ausfahrt von Culebra. Leider haben wir keine Zeit mehr, um hier noch mal etwas vor Anker zu liegen.“
Die ersten zweieinhalb Kreuzschläge klappen so leidlich, doch dann wird’s zäh. Die mickrigen 7 bis 8 kn reichen einfach nicht aus, um gegen Wind und Strom voranzukommen. Etwas Hoffnung hatten wir in die Squalls und Gewitter gesetzt, doch auch in deren Wolken steckt nichts, was uns voranbringen könnte. Also Motor.
Dieser Eiertanz nervt und dazu ist das Wetter echt mehr als bescheiden. Wenn man dieses Theater wenigstens im strahlendsten Sonnenschein ertragen müsste, dann könnte man viel leichter gute Miene zu bösem Spiel machen. Doch der Sonnenschein, mit dem wir von Culebra aufgebrochen sind, hat uns schon lange wieder verlassen. Es ist grautrüb und immer wieder regnet es. Eigentlich so wie in den letzten Wochen, nur nicht ganz so heftig.
„Der vollkommen von Vögel zugeschissene Sail Rock offenbart die Herkunft seines Namens erst, wenn man drumherum gesegelt ist“
Das alles hat recht wenig mit dem zu tun, was man so landläufig mit der Karibik verbindet. Ok, es ist warm und warmer Regen ist ja auch deutlich angenehmer als kalter. Doch reicht das wirklich aus, um die Karibik zu einem Shangri-La seglerischer Träume zu machen? Oder sind es am Ende doch nur diese Erinnerungen, aus denen die Zeit die schlechten Dinge schon wohlwollend ausgeblendet hat, die den Hype am Köcheln halten? Um wenigstens unserer Erinnerung ein Schnippchen zu schlagen, nehmen wir uns fest vor, vor unserer Entscheidung, wie es in 12 Monaten weitergehen soll, noch einmal all unsere Blogs aus 23 und auch 25 zu lesen 🙂 😇.
Nach einer halben Stunde können wir wenigstens wieder etwas segeln, doch Saint John und die Dittlif Bay rücken außer Reichweite. So bleibt uns nur noch Saint Thomas. Alles, was weiter östlich liegt, können wir unter Segel heute schlicht nicht mehr erreichen. Schon die Frenchman Bay auf Saint Thomas ist so ein Problem. Ein Problem, das wir am Ende auch nur noch unter Motor lösen können.
Um nach Osten voranzukommen, braucht man Zeit. Zeit, um auch mal eine ungünstige Phase abwarten zu können. Das haben wir unterschätzt und dafür fehlt uns nun auch einfach die Zeit. Einige Tage später erfahren wir, das Honey Ryder, ein amerikanisches Seglerpaar, das wir an der Südküste Puerto Ricos getroffen haben, endgültig die Nase voll hatte und in einer 24-Stunden-Aktion geradewegs nach Saint Martin motort ist. Doch als wir ebenfalls einige Tage später auf den BVIs eingecheckt sind, gibt es diese Option für uns gar nicht mehr, denn die Starkwindphase steht unmittelbar bevor. Und auch vorher gab es diese Option auch nur theoretisch, denn der Motor der PINCOYA ist betagt. Mit 30 Jahren wollen wir ihn nicht mehr solchen Gewaltaktionen aussetzen und lieber etwas schonen, damit er uns noch möglichst lange in die ein oder andere Einfahrt oder auf den ein oder anderen Ankerplatz bringen kann. Als Hauptantrieb haben wir einen Motor in einem Segelschiff ja ohnehin noch nie gesehen, doch es ist gut, einen zu haben. So wie heute, wenn irgendwie nichts mehr so richtig unter Segel gehen möchte.
Auf den USVIs ist zwar deutlich mehr los als auf Puerto Rico, doch in der Frenchman Bay sind wir ganz allein. Eigentlich erstaunlich, denn nur zwei Seemeilen im Norden liegt Charlotte Amalie als Segler-Hotspot und Hauptstadt von Saint Thomas mit ihren Kreuzfahrtterminals. Uns soll das recht sein, denn in der Frenchman Bay liegen wir gut. Wenn man sich einen neuen Ankerplatz ausguckt, weiß man am Ende ja nie so genau, wie Strom, Wind und Wellen es doch noch auf das vermeintlich ruhige Ankerplätzchen schaffen. Aber das Green Cay mit dem kleinen Riff schützen uns sehr gut und so schaukeln wir einer ruhigen Nacht entgegen.
„Sundowner über Charlotte Amalie. Etwas pervers ist der Kreuzfahrt-Hype schon. Jedes Kreuzfahrtschiff ist wenigstens 10x größer als die größten Hotels in Charlotte Amalie.“
Saint Thomas, USVI -> Peter Island, BVI
So sitzen wir auch mit unserem Gutenmorgenkaffee im Cockpit und genießen die Ruhe des Morgens. Es ist absolut nichts los, nur am Strand geht jemand mit seinem Hund spazieren. In der unmittelbaren Nähe von Charlotte Amalie ein unerwartetes Idyll und nach dem Theater von gestern ein willkommener Moment.
Wenn es so wie gestern gar nicht laufen will und das auch noch auf dem Hintergrund der letzten Wochen, dann ist es schwer, gelassen zu bleiben. So hilft so ein Morgen, die Tatsachen mal entspannt auseinander zu sortieren. Ohne Frage haben wir zu knapp kalkuliert und für den Rückweg lieber an den Good Case geglaubt, als den Bad Case einzukalkulieren. Und ohne Frage beginnt auch die Hurricane Saison am ersten Juni. Doch die Hurricane Saison ist eine Statistik und nicht gleich an jedem ersten Juni klingelt schon der erste Hurricane an der Tür der Kleinen Antillen. Es kann nämlich auch ganz anders laufen, denn den frühesten Landfall eines Kategorie 1 Hurricanes schaffte Alice am 02. Januar 1954 😳. Vielleicht war es auch der späteste, aber Neujahr war eben schon durch und so wurde Alice die Ehre zu Teil, den frühesten Landfall geschafft zu haben. Ohne Frage sind das Ausreißer, wobei Ausreißer einen auch richtig hässlich reinreißen können. Dennoch liegt die Peak-Zeit im August, September und Oktober und in der Regel vergeht der Juni noch ohne Hurricanes, obwohl die Statistik auch hierzu »ja, aber …« sagt.
Und da wir eh nichts erzwingen können und wir auch durch die NOAA noch ein sehr gutes Frühwarnsystem haben, beschließen wir, auf den BVIs abzuwarten. In jedem Fall müssen wir die kommende Starkwindphase abwarten und dann sehen, wie es weitergehen kann.
Da viele Tage schön beginnen und durchwachsen enden, ahnen wir nicht, was für ein wunderbarer Segeltag vor uns liegt. Und gleich nachdem wir gestartet sind, segeln wir sogar dorthin, wo wir eigentlich hinwollen 👍. Doch so einfach bleibt es dann auch nicht und der Ostwind zwingt uns wieder auf die nächste Kreuz. Gegen Mittag verlassen wir die USVIs und segeln auf die Inselwelt der BVIs zu.
Bisher haben wir ja erst einmal in den Virgins geankert, aber das, was wir nun vor und hinter uns sehen, gefällt uns richtig gut. Für diese Inseln muss man sich mal wirklich etwas Zeit nehmen. Sie sollen überlaufen sein und all der Chartertourismus sorgt bei vielen normalen Fahrtenseglern wohl auch immer wieder für sehr viel Frust. Doch es gibt auch ruhige Ecken, denn der Chartertourismus hat wie überall seine bekannten Ziele. Und die BVIs haben noch einen absolut unschätzbaren Vorteil. Speedboote und Jet Skis sind verboten. Was für ein Segen! Auf den BVIs hat man die Folgen des »Nach-mir-die-Sintflut-Tourismus« erkannt und die Reißleine gezogen, um das zu erhalten, was die Grundlage des Tourismus ist.
Nach vier hübschen Kreuzschlägen fällt unser Anker in der White Bay auf Peter Island. Wir waren etwas skeptisch, doch hier gibt es nur tagsüber eine kleine Strandbar für die Gäste des Resort oben auf der Insel. Ansonsten gibt es nichts, was Chartercrews anziehen könnte. So liegen wir in der White Bay auch fast allein mit nur zwei anderen Seglern. Die Bucht ist groß und sehr gut geschützt. Es ist etwas schade, dass wir morgen erst einmal in Spanish Town auf Virgin Gorda einchecken müssen. In der White Bay könnte man glatt noch einige Tage die Seele baumeln lassen.
Virgin Gorda und Einchecken in Spanish Town
Recht elegant segeln wir am nächsten Tag zwischen Salt und Cooper Island hindurch in das »Innenwasser« der BVIs. Ein richtiges Innenwasser ist das natürlich nicht, aber im Norden liegt die Hauptinsel Tortola, im Süden die Inselkette der Little Sisters, zu den auch Salt und Cooper Island gehören, im Westen schließen sich die USVIs mit Saint John an und im Ost liegt Virgin Gorda mit Spanisch Town, was ja unser Ziel ist.
Und in diesem Innenwasser zwischen all den Inseln ist das Segeln dann schon recht speziell. Grundsätzlich kommt der Wind schon irgendwie aus Osten, aber zwischen den Inseln körselt er dann doch ziemlich unberechenbar herum. Eigentlich wollten wir noch einchecken, doch lange lassen unsere Segelerfolge nicht vermuten, dass wir es heute noch rechtzeitig bis Spanish Town schaffen. Auf der anderen Seite wecken solche Bedingungen ja auch den Ehrgeiz, besonders wenn es zwei Bekloppte gibt, die unter Segel versuchen, in dieselbe Richtung voranzukommen 😂.
Erst um 14:30 erreichen wir den Anchorage vor Spanish Town. Das Kreuzen zwischen den Inseln war hart, aber streckenweise eben auch nicht besonders effektiv. Nun bleiben uns noch zwei Stunden, um den Prozess zu durchlaufen, dessen Feinheiten sich bisher wohl noch kaum einem ganz erschlossen haben. Immerhin soll es an allen vier Stationen, die wir nun zu durchlaufen haben, ausnehmend freundlich und hilfsbereit zugehen.
Da wir etwas ungeplant auf den BVIs gelandet sind, konnten wir mangels Internet unser Sailclear-CheckIn noch nicht vorbereiten. Das ist eine Hürde, die wir dann aber mit der netten Unterstützung des Customs-Officers am bereitstehenden Sailclear-Terminal nehmen können, denn als Deutscher tut man sich schon etwas schwer, auf einer amerikanischen Tatstatur die Sonderzeichen zu finden, wenn auch noch irgendein Depp den Browser nachhaltig auf Französisch umgestellt hat 😳😂😩.
Doch nach dem erfolgreichen Abschluss des Sailclear-CheckIns verfliegt unsere Erleichterung darüber schnell wieder. Auf vielen anderen Insel hat es gereicht, dass alle Daten in Sailclear vorliegen und der ganze Prozess war damit in 15 Minuten erledigt. So nicht auf den BVIs, denn hier scheint das Vertrauen in online vorliegende Daten durch irgendetwas massiv erschüttert worden zu sein. Obwohl nun all unsere Daten erstens online und zweitens in einem schnell erstellten Ausdruck vorliegen, wird jedes einzelne Datum noch einmal explizit abgefragt und geprüft und an jedem (!) der vier Schalter noch einmal elektronisch erfasst, um dann erneut ausgedruckt zu werden. Alles absolut freundlich und entspannt, aber dennoch in einer Reihenfolge, die bei uns schon das ein oder andere Fragezeichen hinterlässt. Doch grundsätzlich läufts 👍. Customs = 1, Immigration = 2, Environmental und Kasse 1 = 3, Port Authority und Kasse 2 = 4. Wir durchlaufen 1, 3, 1, 2, 1, 3, 2, 1 und dann 4. Das zeigt unzweifelhaft, dass es nicht irgendwie geht, sondern wirklich nur geregelt vorangehen kann. Wir zahlen während dieses Prozesses 10 $ pro Person Environmental Fee, 3 $ für Kopien, das versteht sich von selbst, schließlich müssen unsere Sailclear-Eingaben ja auch ausgedruckt werden, 37$ bei der Port Authority für die 37 Fuß der PINCOYA und 6 $ für eine »annual tonage«. Was sich dahinter verbirgt, bleibt unklar, aber Kreuzfahrtschiffe müssen bestimmt viel mehr zahlen 😂. Am Ende haben wir den Eindruck, dass man den Prozess an der einen oder anderen Ecke noch etwas straffen könnte, doch es sind auch vier Arbeitsplätze, die so erhalten bleiben.
Doch was noch viel wichtiger ist, die junge Environmental-Dame sitzt nicht nur an Kasse 1, sie weiß auch, in welchem Shop an der Marina wir eine Digicel-Karte für’s Internet bekommen. Und auf Nachfrage in dem Shop zaubert man auch unter dem Tresen eine kleine Tupperdose hervor, in der sich einige SimCards tummeln. Datenkarten sind leider unbekannt, aber eine Telefon-SimCard tut es auch, obwohl die allzu oft in Routern gar nicht funktionieren und nur in Telefonen zu ihrem Mobilfunkleben erweckt werden können. Was diese Karte natürlich auch gleich tut. So widmen wir eines unserer iPhones um und sind auch noch überglücklich darüber, dass Digicel-BVI die HotSpot-Funktion für Telefon-SimCards nicht gesperrt hat. Ja ja, auch im Mobilfunk gibt es Hürden, die man sich als normaler Leidtragender gar nicht so recht vorstellen kann.
Doch geschafft! Wir sind eingecheckt und haben eine SimCard! Was wollen wir mehr? Nun schnell noch um die Ecke, denn besonders gut liegt man auf dem Anchorage vor Spanish Town nicht gerade.
Frenchman Bay, Saint Thomas, USVI
18° 18′ 46,0” N, 064° 54′ 33,0” W
White Bay, Peter Island, BVI
18° 20′ 49,0” N, 064° 34′ 33,6” W
Spanish Town, Virgin Gorda, BVI
18° 27′ 21,3” N, 064° 26′ 30,1” W
Savannah Bay, Virgin Gorda, BVI
18° 28′ 08,0” N, 064° 24′ 59,2” W




























