San Juan – Die Versorgung


Versorgungsfahrten
Bevor wir San Juan verlassen, kommt nun noch der Pflichtteil. Nicht nur mit Obst und Gemüse sind wir am Ende, auch viele andere Sachen gehen peu á peu zur Neige. Und da wir Mayagüez nicht anlaufen wollen, ist San Juan die letzte Möglichkeit, etwas großzügiger einzukaufen, bevor wir wieder Salinas an der Südküste erreichen. Außerdem wollen wir unbedingt zu Westmarine, einem US-amerikanischen Bootsausstatter. Sich als Nicht-Autofahrer in San Juan zu versorgen, ist schwierig, aber ganz hinten in der San Juan Bay kommen wir schon mal einem Walmart recht nah. Außerdem liegt auch dort der Eingang zu dem alten Kanal, auf dem wir mit unserem Gummiboot bis vor die Tür von Westmarine kommen sollten.

„Wir verlegen uns in die hinterste Ecke der San Juan Bay“

„Wir verlegen uns in die hinterste Ecke der San Juan Bay“

So verlegen wir uns in die hinterste Ecke der San Juan Bay. Dort gibt es auch einen kleinen Yachtclub und wir hoffen, dort »kostenfrei« anlanden zu können. Denn auch hinten in der San Juan Bay ist das Anlanden mit dem Gummiboot alles andere als einfach. Entweder sind dort Hafenanlagen oder die Ufer sind durch Mangroven vollkommen unzugänglich. Der Rest ist »privat« und an privaten Properties klingelt ja besonders gerne mal die Kasse. Für Fahrtensegler ist das alles schon recht problematisch, besonders für die, die nicht in einer Marina den All-inclusive-Service in Anspruch nehmen können. Doch neben dem Yachtclub gibt es eine Slippe und da wir glücklicherweise Räder an unserem Dinghy haben, sind solche Slippen immer unsere erste Wahl. Zudem die ja meist doch deutlich öffentlicher sind als die Stege einer Marina.

„Der kleine Yachtclub am Ende der San Juan Bay“

„Der kleine Yachtclub am Ende der San Juan Bay“

Doch auch von dort sind es noch 1,6 km zu Walmart. Der Ankerplatz selbst ist alles andere als idyllisch, allerdings entpuppt er sich tatsächlich als strategisch günstig.

„Ansonsten umgeben uns Hafenanlagen und ...“

„Ansonsten umgeben uns Hafenanlagen und …“

„... Hafenanlagen“

„… Hafenanlagen“


Der Einkauf

„Ein prima Punkt um anzulanden, so geht ein Teil unseres Planes schon mal auf.“

„Ein prima Punkt um anzulanden, so geht ein Teil unseres Planes schon mal auf.“

Als erstes nehmen wir die Walmart-Aktion in Angriff. Dieser Walmart ist tatsächlich der einzige Superstore, den man durch ein schlaues Verlegen überhaupt in eine Fußentfernung zerren kann. Am Yachtclub fragen wir, ob wir unser Dinghy mal für ein paar Stunden neben der Slippe abstellen dürfen. Wir dürfen, und kaum sind wir zu Fuß unterwegs, hält ein Auto neben uns. Er hätte uns mit dem Dinghy kommen gesehen, sehr ungewöhnlich hier, was wir den vorhätten und ob er uns ein Stück mitnehmen könne? Und schon sitzen wir bei unserem netten Chauffeur im Auto und werden direkt vor dem Walmart abgesetzt. 👍🙏


Walmart selbst ist eine Ernüchterung. Es ist zwar ein riesiger Superstore mit einer riesigen Lebensmittelabteilung, – oder sagen wir lieber -, mit einer riesigen US-amerikanischen Lebensmittelabteilung, aber auf unserer Einkaufsliste bleibt doch mehr stehen als wir abhaken können. Fleisch gibt es zwar in Hülle und Fülle und speziell das Rindfleisch ist von einer mageren Qualität, die man in Deutschland mit der Lupe suchen muss. Doch hinter der langen Fleischtheke schlägt das Staunen mit »!« in ein Staunen mit »?« um. Die Obst- und Gemüseabteilung ist zwar noch gut bestückt, doch danach wird’s schwierig. Die Käseabteilung gleicht einem spartanischen Gruselkabinett. 80% Plastikkäsescheibletten für Burger, 15% fertig geriebener Cheddar, wahrscheinlich für Pizza, und 5% Cheddarvarianten im Stück. Ein Franzose würde sich noch vor dem Kühlregal das Leben nehmen. Sonst nichts, wenn man mal von dem Cream Cheese absieht, der namengleich und verpackungsähnlich schon an den bekannten Philadelphia erinnert. Allerdings ist die US-amerikanische Variante total süß mit Vanillearoma, wie all die gesüßten Natur-Yoghurts. Nun kommt ja Zucker zugegeben auch aus der Natur, doch dass dieser Umstand nun dazu führt, dass auch alle naturbelassenen Dinge gesüßt sind, ist für uns schon neu. Die Geschichte mit dem vermeintlichen Philadelphia merken wir allerdings erst beim Kochen von Chicken-Curry, als das Zeug wie eine Curry-Variante einer Käsesahnetorte mit Knoblauch und Zwiebeln schmeckt, aber im Abgang noch eine Note Vanille verbreitet. Die Esskulturen dieser Welt sind schon recht unterschiedlich und immer für eine Überraschung gut.

2 lb, also 900 g griechischer Erdbeerjoghurt ohne Erdbeeren 8 $, mit 5% Erdbeeranteil 10 $. Ob in dem Joghurt allerdings die Joghurtkulturen eher durch Puddingpulver ersetzt wurden, können wir nicht abschließend klären. Die Konsistenz geht allerdings eindeutig in Richtung Puddingpulver.
Und wer bisher dachte, dass die Briten das furchtbarste Brot im Angebot haben, wird hier eines Besseren belehrt. Es gibt Vollkornburgerbrötchen, etwas dunkler, und normale Burgerbrötchen. Und beide Varianten gibt es auch in länglich für den großen Hunger oder wahlweise für HotDogs. Beides selbstverständlich gesüßt, wie die Plastikkäsescheibletten, die man dazwischenstecken kann. Ihre Konsistenz erinnert eher an die Dauerelastizität eines Schwammes, wobei sie jedoch vollständig »krümel-protected« sind, denn Kruste und Innenleben unterscheiden sich in ihrer anpassungsfähigen Geschmeidigkeit in absolut nichts.

Die Chips- und Tapas-Regale haben etwa dieselbe Länge wie Pasta-Regale in Italien, an denen auch nach lautem Rufen kein Echo mehr zurückschallt und das Ende in der Entfernung verschwimmt. Etwa ebenso lang sind die Regale mit Blubberlutschgetränken aller Art. Irgendwo finden wir auch normale Cola, traditional (!), die übrigen Cola-Varianten liegen mit und ohne Zucker locker im mittleren zweistelligen Bereich. Sonstige Blubberlutschgetränke sind in dreistelliger Anzahl vorhanden und in Variationen, die wir bisher nicht für möglich gehalten haben. Als der Strom kurz ausfällt, – selbst die deutsche Presse hat über diesen Blackout in Puerto Rico berichtet -, überstrahlt das Blubberlutschregal fast die Notbeleuchtung. Lumineszenz nennt man dieses Phänomen. Wir beobachten es staunend, bis das Notstromaggregat anspringt. Da fragt man sich, ob das Zeug auch noch im Bauch leuchtet und wie es dann aussieht, wenn man … ach was, da wollen wir nun gar mehr weiter drüber nachdenken.

Mit zwei Quartern fettarmer Milch, normale Milch gibt es nicht, irgendwo müssen die sonstigen Kalorien ja auch eingespart werden, entern wir den Bereich der Cerealien. Googled man nach Cerealien findet man als Erklärung das schöne deutsche Wort »Frühstücksflocken«. Der Hinweis aus dem Internet, dass es sich hierbei um Getreideprodukte handeln soll, ist jedoch noch wertvoller, denn dem, was sich hier vor uns auftut, sieht man diese Herkunft nicht mehr wirklich an. Das alles erinnert eher an diese Schaumstoffflocken, die man als Verpackungsmaterial kennt, wobei die allerdings bei weitem nicht so farbenprächtig sind. Doch diese bunt aufgeblasenen Frühstücksflocken haben sicher auch ihre Vorteile. In mondlosen Nächten wird man sie problemlos wiederfinden, sofern sie nicht aufgrund ihres geringen Gewichts schon längst wie chinesische Glückslaternen in den Himmel aufgestiegen sind. Zuhause kann man sich damit sicher einen tollen Sternenhimmel als Cerealien-Installation an die Decke zaubern. Und was sollen wir sagen, es gibt absolut nichts, was wenigstens noch im Entferntesten an Müsli erinnert. Unverrichteter Dinge ziehen wir weiter.

Nicht unerwähnt dürfen auch all die Halbfertigprodukte bleiben, die viele Gänge und unendliche Meter von Regalen füllen. Immerhin finden wir Vollkornmehl, das nicht schon backfertig all das enthält, was sie hier Brot nennen. An einfachen Dosentomaten scheitern wir allerdings, alles mit Tomaten ist schon fertig zubereitet und muss nur noch auf den ebenso fertig vorbereiteten Teig aus der Kühlabteilung gekippt werden.

Noch zwei weitere Male durchstreifen wir rastlos und ratlos die Regale mit neuen Ideen, was es hier eigentlich noch geben müsste. Aber unsere Ausbeute bleibt überschaubar. Allerdings bekommen wir in der ersten Etage eine Claro-Karte fürs Internet und einen wirklich soliden Kescher, um uns zur Abwechslung mal etwas anderes als einen Barracuda an Bord zu holen. Sollte irgendwann mal keine französische Insel mehr in der Nähe sein, müssten wir unsere Ernährung wirklich umstellen. So beschließen wir es erst einmal gut sein zu lassen und mehr von unseren noch vorhandenen Vorräten zu leben. Wenigstens, bis wir auf Saint Martin angekommen sind.

„Der Einkauf und die Beute...“

„Der Einkauf und die Beute…“


Westmarine

„Kanalfahrt zu Westmarine“

„Kanalfahrt zu Westmarine“

Der nächste Tag ist der Westmarine-Tag. Satte 40 Minuten brummen wir die 2 sm mit unserem Gummiboot den Kanal hoch.

„Ziemlich lang der Kanal ...“

„Ziemlich lang der Kanal …“

„Und der hält hier schon mal Wache.“

„Und der hält hier schon mal Wache.“

„Unser »Parkplatz« im alten Fährhafen“

„Unser »Parkplatz« im alten Fährhafen“

Die Spundwand im alten Fährhafen wimmelt zwar von Kakerlaken, aber nun sind wir hier und können nicht einfach unverrichteter Dinge wieder wegfahren. Immerhin hauen sich einige Leguane die Biester in die Figur, vielleicht bleibt unser Gummiboot ja unbehelligt. Eine Leguan-Wache wäre gut, aber die lassen nicht mit sich reden.

„Ziel erreicht!“

„Ziel erreicht!“

Bei Westmarine gibt es zwar viele hübsche Dinge, aber dass hier kaum jemand segelt, bleibt nicht ganz im Verborgenen. Immerhin bekommen wir einen weiteren Ventilator, dann ist auch dieses Regal leer. Man könnte weitere für uns bestellen, die wären dann auch schon in 14 Tage abholbereit. Derweil ich mit dem Lagermann spreche, verschwindet die Capitana in der Angelabteilung und kommt mit einem leckeren Squid wieder zum Vorschein. Und der Schiffsjunge bekommt ein Filetiermesser, denn schließlich muss unser Fang ja auch fachgerecht verarbeitet werden 🥳. Wie wichtig das alles zusammen ist, ahnen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal in unseren kühnsten Träumen und so geht es erst einmal zurück zur PINCOYA. Wenn auch ohne zwei neue flexible Solarzellen und auch ohne weiteren Laderegler oder Shunt von Victron. Westmarine hat fast alles am Lager, nur leider nicht auf Puerto Rico. ☹️

„Und zurück geht's. Ein Manatee sehen wir erst einige Tage später.“

„Und zurück geht's. Ein Manatee sehen wir erst einige Tage später.“

„Industrielle Sundowner“

„Industrielle Sundowner“

San Juan Bay, Río Piedras
18° 26′ 43,1” N, 066° 05′ 08,0” W