Auf dem Wasserweg durch unsere Heimatstadt Hannover…

Gestern ging es einfach nur geradeaus. Kilometer um Kilometer brummte uns der Motor auf dem Mittellandkanal nach Osten. Die Landschaft wurde immer beschaulicher und als Highlight überquerten wir bei Minden hoch oben auf dem Kanal die Weser. Das war schon eine imposante Sache und man hatte zudem eine prima Aussicht.

Am Abend machen wir im Yachthafen Idensen (6) fest. Da wir für die Saison recht früh dran sind, ist der Hafen noch geschlossen. Aber die netten Pächter schliessen extra für uns die Toiletten auf. Allerdings sind die Duschen noch nicht wieder betriebsbereit. Schade! So eine Dusche wäre schon schön gewesen. Seit Düsseldorf hatten wir noch nicht wieder das Vergnügen von fließendem warmen Duschwasser.

In Idensen bekommen wir auch unseren ersten Besuch. Heino, ein Freund und Arbeitskollege, kommt mit seinem Motorrad auf ein Bier vorbei. Er wohnt ganz in der Nähe. Aus dem einen Bier werden zwei und dann haben wir auch schon unseren ersten Übernachtungsgast.

Der 01. April empfängt uns mit Schnee- und Graupelschauern. Heute ist es etwas mehr als lausig kalt und die kalte Nässe kriecht bis in unsere Knochen. Dafür geht es heute ausnahmsweise weiter geradeaus – geradeaus – und geradeaus. Doch die Anspannung wächst, bald werden wir durch unsere Heimatstadt Hannover fahren. Ein komisches Gefühl. In Hannover wartet nicht nur die nächste Schleuse auf uns, dort warten auch meine Eltern mit Tante, Onkel und Cousine aus Bremen. Auch Martins Tochter Celine mit ihrer Mutter werden dort sein. Alle wollen Sie unser neues Schiff sehen und uns beim Schleusen beobachten. Celine darf mit uns durch die Schleuse fahren, eine tolle Sache.

Die Schleuse Anderten (7) ist allerdings alles andere als eine tolle Sache. Sie ist eine der ältesten auf unserem Weg und im Nachhinein betrachtet ist sie ganz sicher auch die unangenehmste, mit der wir zu tun hatten. Es gibt keine Schwimmpoller und die festen Poller sind so weit auseinander, dass ein Umhängen an Bug und Heck schlicht nicht möglich ist. Zudem geht die Schleusung sehr schnell, was bedeutet, dass auch Unmengen von Wasser ganz schnell in die Schleusenkammer müssen. Das einströmende Wasser sorgt für kräftige Verwirbelungen, so dass das Schiff hin und her gedrückt wird und kaum zu halten ist. Das ist für uns echt grenzwertig: gleich nachdem wir in der Schleusenkammer vorne und hinten festgemacht haben, werden die Tore geschlossen. Martins hintere Leine hängt unerreichbar über den untersten Poller und versinkt nach kurzer Zeit im Wasser. Der Motor läuft. Martin muss aufpassen, dass die Leine nicht in der Schraube landet. Die Verwirbelungen drücken uns immer wieder nach hinten in Richtung Schleusentor, so dass Martin immer wieder etwas Vorwärts geben muss. Oben, im letzten Viertel des Hubes, lauert ein Überhang über dem Schleusentor, durch das wir unten gerade eingefahren sind. Dort dürfen wir auf keinen Fall mit dem über das Heck herausstehenden Mast hängen bleiben. Ich habe vorne die Poller zu wechseln und bin im Stress, weil das Schiff durch die Strömung kräftig von der Wand weggedrückt wird. Mit aller Kraft kämpfe ich mich von Poller-Wechsel zu Poller-Wechsel. Ich kann das Schiff kaum halten. Martins Einsatz hinten ist zirkusreif. Mit der einen Hand hält der den Bootshaken und hakt sich Stück für Stück an einer Metalleiter nach oben, während er mit der anderen Hand und Celines Hilfe den abgesoffenen Tampen wieder ins Cockpit zieht und zusätzlich ab und zu Vorwärts gibt, damit der Mast sich nicht unter dem Vorsprung verfängt. Als wir oben sind, bin ich am Ende meiner Kräfte und Martin schaut auch eher gequält lächelnd aus der Wäsche, während uns unsere Familien nun begeistert auf Augenhöhe zuwinken. Gott, die haben nichts bemerkt und wir haben gerade echt gekämpft. Ich schaue Martin an und sehe in seinen Augen die Worte meines ersten Gedankens: „Nie wieder Anderten!“

Erst hinterher stellen wir entsetzt fest, dass unser neuer Bootshaken, mit dem Martin das Schiff hinten gehalten hat, nur einfach zusammengesteckt ist. Ohne Verschraubung, nur etwas zusammengepresst. Es war reines Glück, dass der Bootshaken nicht aus dem Stiel gerutscht ist. Schnell drehen wir 2 Spaxe rein, man kann ja nie wissen, was da noch so kommt.

Aber wir sind durch und haben nun unseren höchsten Punkt in der norddeutschen Tiefebene erreicht. Von nun an geht’s wieder herunter, bis wir dann wieder auf Höhe der Elbe herauskommen. Aber das dauert noch. Erst einmal geht es bei Schnee- und Graupelschauern weiter geradeaus. Celine begleitet uns noch ein Stück und erlebt etwas Kanalfahren. Ab Sehnde tuckern wir dann wieder zu zweit weiter. Im Stichkanal Salzgitter finden wir den wunderschön angelegten Yachthafen Heidanger (7), der trotz der Schneeschauer irgendwie mediterranes Flair ausstrahlt. Wir genießen in der geöffneten(!) Hafenklause einen Grog und danach eine heiße Dusche! Oh, welche Wohltat!