Wieder einmal üben…

Rerik -> Grömitz Start: 11:00 Ende: 16:20 Distanz: 24,3 sm Gesamtdistanz: 62,4 sm

Vor Rerik trödeln wir so in den Morgen hinein. Niemand hetzt uns, denn es ist erst Samstag. An normalen Wochenenden geht es immer am Samstag hin und am Sonntag zurück. Obwohl wir versuchen es zu ignorieren, ist der Sonntag schon immer von der Rückfahrt nach Hannover überschattet. Irgendwie sitzt uns die drohende Rückfahrt doch im Nacken, obwohl wir schon recht gut sind, diesen Gedanken zu verdrängen.

Der Wind kommt heute morgen immer noch aus Ost bis Südost, über das Wohin müssen wir nicht lange nachdenken, da drängt sich Grömitz förmlich auf.

von Rerik -> nach Grömitz

von Rerik -> nach Grömitz

Nachdem die Ruby Tuesday schon lange weg ist, brechen auch wir auf. Der Kurs ist bei dem Wind nicht gerade spektakulär. Auch ohne Navigation und Steuern würden wir nach einiger Zeit etwas nördlich von Grömitz einschlagen. Es weht mit guten 16 bis 18 kn und wir schaukeln moderat bei raumen Wind gen Westen.

In Grömitz scheint noch ein Liegeplatz frei zu sein.

In Grömitz scheint noch ein Liegeplatz frei zu sein.

Ein Arbeitskollege hatte mir bei der Arbeit von seinen erfolgreichen Mann-über-Bord-Manövern erzählt und ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann ich mit Astrid das letzte Mal so etwas geübt hatte. So sitze ich im Cockpit und denke, dass eigentlich genau JETZT der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um mal wieder ein paar Kringel um die Boje zu fahren. Gesagt ist getan. Ich krame die alte Fischerboje heraus, die wir vor einigen Jahren in den Schären gefunden haben und die sich schon längst hätte zu einer ordentlich Mann-über-Bord-Flagge entwickeln sollen, aber irgendwie in ihrer Evolution stecken geblieben ist.
Johanna und Luiz erklären wir noch kurz die Wichtigkeit eines solchen Manövers, bevor ich mich siegessicher an’s Ruder stelle und Astrid die Boje mit den professionellen Ruf “Mann…. äh…. Boje über Bord” beherzt in die Ostsee schleudert. Das erste Manöver ist eine Hamburger Mischung des bekannten Münchner Quickstops und verfehlt die Boje nur knapp um zwei Bootslängen.

..... und dann ging es Luiz nicht mehr ganz so gut.

….. und dann ging es Luiz nicht mehr ganz so gut.

Nun ja, die Boje ist ja auch wirklich unnatürlich klein und treibt sicher auch ungewöhnlich schnell ab. Wir nehmen wieder etwas Fahrt auf und sind in Windeseile schon wieder im nächsten Manöver. Dieser Annäherungsversuch klappt schon wesentlich besser. Ich habe ein gutes Gefühl! Inzwischen steht Astrid leeseitig und hat den Bootshaken mit Entschlossenheit eines Harpuniers im Anschlag, der Moby Dick als seine sichere Beute wähnt. Astrid und ich sind ein eingespieltes Team, langsam kommt die Boje näher. Im alles entscheidenden Augenblick stößt Astrid den Bootshaken wieselflink in die weit aufgerissene Schlaufe an der Boje. Eine kleine Welle mit weißem Schaumkrönchen schiebt jedoch in diesem Moment die vollkommen ungeeignete Boje einige große Zentimeter unerwartet ruckartig zur Seite, so dass Astrids ebenso kraftvoller, wie eleganter Stoß mit dem Bootshaken unerwartet deutlich ins Leere geht und einer harmlosen Ostseewelle Genick spaltet.

Nach einigen Versuchen kriegen wird die Boje zielsicher.

Nach einigen Versuchen kriegen wird die Boje zielsicher.

Ok, das kann passieren, die See ist halt unberechenbar. Luiz, der die Aufgabe hat die Boje nicht aus den Augen zu lassen und dem Skipper immer mit ausgestrecktem Arm die Rettungsrichtung anzuzeigen, dreht sich tapfer wie ein Brummkreisel. Zum Üben sind 16 bis 18 Konten Wind schon ganz ordentlich und so beherzt, wie wir die Manöver fahren, so schräg legt sich auch die PINCOYA in die Kurve. Die Wellen tun ihr Übriges. Wir hatten natürlich vorher geschaut, ob wir genügend freien Raum für unser Tänzchen haben, nun sind aber auch die anfangs noch weiter entfernten Schiffe näher gekommen und wundern sich wohl sehr über unseren eigenwilligen Fahrstil.

Egal, ich wäre nicht ich, wenn ich nicht etwas vorbereitet hätte. Klar habe ich die Erklärungen zum Hamburger Manöver ausgedruckt und das Münchner Manöver ist zusammen mit dem Quickstop im Manöverhandbuch schnell gefunden. Wir entschließen uns für die Hamburger Variante. Auf den Winkel zur ertrinkenden Boje kommt es an. Was bei den Erklärungen eine “Lee-Luv-wärtige Linie” sein soll, erschließt sich uns allerdings nicht wirklich. Als wir später im Internet suchen, finden wir dutzende Erklärungen, aber es scheint wohl nur einen einzigen Autoren zu geben, den Schöpfer der mystischen “Lee-Luv-wärtigen Linie”.

Nach einigen weiteren Versuchen, die Astrid und ich abwechselnd fahren, haben wir es raus. Nun ist klar, wie die Segel stehen müssen, wie der Kurs zum Wendepunkt sein muss und wie man zielsicher zurückkommt. Und eins muss ich hier doch noch mal sagen, meine Trefferquote als Harpunier ist deutlich höher als Astrids. Obwohl Astrid meint, dass dies ausschließlich an den von ihr perfekt gefahrenen Manövern liegt.

Hier sieht man, wer alles gegeben hat und wer noch munter ist!

Hier sieht man, wer alles gegeben hat und wer noch munter ist!

Während all dieser Zeit hat Luiz sich unentwegt mit ausgestrecktem Arm um sich selbst gedreht und versucht bei den gröbsten Schlenkern das Gleichgewicht zu halten. Als ich Astrid Frage: “Noch eins?” Höre ich neben mir ein leises Murmeln: “Ich glaub, mir ist nicht mehr so gut!” Oh Gott, im Eifer des Gefechtes haben wir gar nicht mehr an unsere beiden Segelpraktikanten gedacht und nun ist es für Luiz definitiv zu spät. Auch sofortiges Steuern hilft nichts mehr und es muss getan werden, was in solchen Situationen getan werden muss. Etwas betroffen nehmen wir Kurs Grömitz und versuchen möglichst ruhig dahinzugleiten.

Im Hochsitz....

Im Hochsitz….

Etwas ernüchternd war die ganze Aktion schon. Im Normalfall sind Astrid und ich allein unterwegs und wenn es dann ernst wird, ist eben einen von uns beiden über Bord gegangen und der Zurückgebliebene muss dass Manöver alleine fahren. Eben haben wir es zusammen gefahren und die Boje rausgefischt, im nächsten Jahr werden wir es mal allein versuchen und dann auch den Partner im Gummiboot aussetzen, um das Einfangen mit der Rettungsleine mal wirklich zu probieren. Spaß macht das in jedem Fall und als Nebeneffekt kann der Schiffbrüchige ja auch gleich einige nette Fotos von unserer PINCOYA unter Segeln machen. 😉

Auf halbem Weg zur Saling musste ich umdrehen, weil die Capitana deutliche Worte findet.

Auf halbem Weg zur Saling musste ich umdrehen, weil die Capitana deutliche Worte findet.

Die Fahrt nach Grömitz geht unspektakulär zuende, aber vor Grömitz wäre beinahe noch ein ernsthaftes MOB notwendig geworden. Wegen des Ostwindes steht vor dem Hafen eine ordentliche Welle. Johanna ist am Ruder und geht in den Wind, als ich das Groß berge. Nun hat Johanna zwar viel Segeltalent, aber noch wenig Erfahrung und so läßt sie sich von den Wellen aus dem Kurs schubsen, so dass wir quer liegen. Gerade als ich auf dem Deckssalon stehe, und dort steht man viel höher, als auf anderen Schiffen, beginnt die PINCOYA heftig zu rollen. Ich kann noch gerade den Baum umklammern, hänge aber einige Male direkt über der kalten Ostsee. Als Astrids meine missliche Lage sieht, greift sie schnell ein und schiebt den Bug mit Vollgas schnell wieder in die Wellen. Das war knapp, ich habe mich schon im Wasser gesehen, da haben nur noch 2 – 3 Schaukler gefehlt und ich wäre abgeschüttelt worden.

Ja… und Grömitz ist eben Grömitz. Man muss so etwas mögen und wir sagen uns wieder einmal, dass es sich für uns nicht lohnt den Toilettenschüssel zu behalten.

Hier in Grömitz 54° 08′ 05.2″, 10° 56′ 49.2″