Die werden dich verfolgen!

Irgendwie haben wir nach fast 6 Wochen schon nicht mehr damit gerechnet, aber heute kam es. Auf dem behördengrauen Umschlag steht „Innenministerium Schleswig-Holstein“.
Unwillkürlich schlendert einer dieser Och-nö!-Gedanken durch meinen Kopf und schwenkt mit dem Plakat „Na, das kann ja heiter werden!“. Aber der Brief ist dünn. Eigentlich zu dünn für ein echtes Verfahren.
Am 2. Mai hatte uns ja die Wasserschutzpolizei aus Heiligenhafen wegen eines zu spät eingeschalteten Ankerlichtes im Großenbroder Binnensee aufgebracht und einen recht „eigenwilligen Weg der Strafverfolgung“ eingeschlagen. In unserem Blog „Ansegeln süßsauer“ hatte ich mir ja schon etwas Luft gemacht. Stinksauer und bereit, wirklich jede Beschwerde und jeden Widerspruchsweg einzuschlagen, haben wir dann Anfang Mai auch gleich auf den Anhörungsbogen zum eingeleiteten Verfahren geantwortet. Seitdem warten wir auf Antwort.
Ich überfliege das schreiben und lese es dann Astrid und Lin vor. Der Leiter der Wasserschutzpolizei Heiligenhafen hat sich des Falls angenommen und den ganzen Vorgang eingestellt. Er entschuldigt sich sogar für das unangemessene Vorgehen seines Kollegen und wünscht uns noch eine gute Saison in „unseren heimischen Gewässern“. Lins spontane Reaktion ist: „Siehste, es gibt doch nette Polizisten!“
Ja, sie hat recht, aber manchmal bekommt man eben doch einen anderen Eindruck.
Am Ende hat der gesunde Menschenverstand dann wohl doch gesiegt und einem freundlichen Miteinander wieder die Tür geöffnet. Das ist gut so, denn „auf See“ sitzt man ja manchmal doch nicht nur sprichwörtlich in einem Boot.

Wir sind froh, dass es nun doch so vernünftig ausgegangen ist, aber mir geht die erste Reaktion von allen, wirklich fast ausnahmslos allen, nicht aus dem Kopf. Es gab nur einen einzigen Kollegen, der sofort „Dienstaufsichtsbeschwerde“ rief und sich kämpferisch zeigte. Die absolut einhellige Reaktion aller anderen, denen wir von dem Vorfall erzählten, war aber immer dieselbe. „Zahl die 15 Euro und halt den Mund. Die kennen deinen Heimathafen und du hast AIS. Die wissen immer, wo Ihr seid und die werden Euch schikanieren, denn „keinen Fehler machen“ geht nicht.“

Diese Reaktion hat mich fast sprachlos gemacht und am Ende nur bestärkt, Stellung zu beziehen. Wie kann so etwas sein? Was ist das für eine Reaktion? Wir leben doch nicht in einer Bananenrepublik! Wir leben in einem Rechtsstaat und nicht in einer Diktatur, die Bürgerrechte mit Füßen tritt. Man muss sich nicht alles gefallen lassen, man kann Willkür entgegentraten und Stellung beziehen. Egal wie lange ich darüber nachdenke, ich verstehe es nicht. Sicherlich ist auch in unserer Demokratie nicht alles perfekt, aber wir können unsere Meinung frei sagen und wir können dafür streiten. Sicherlich wird man an der einen oder anderen Ecke sein Recht nicht so bekommen, wie man es selbst als rechtens empfindet. Aber wir können im Gegensatz zu der Mehrzahl aller Menschen auf der Welt dafür streiten, ohne die Angst vor Repressalien haben zu müssen oder gar Schlimmeres. Wie kann sich die Wahrnehmung unserer Demokratie so einhellig so verschieben? Mir ist das ein Rätsel, das mich ehrlich gesagt recht nachdenklich und ärgerlich macht. Und ich bin froh, dass Lin ganz direkt erlebt hat, dass man “gerade” gehen kann und muss und nicht wie das Kaninchen starr vor Angst auf die vermeintlich allmächtige Schlange starren muss.

in Heiligenhafen / Ortmühle in unserer Heimatbox
54° 22′ 20,4″ N, 11° 00′ 15,7″ E