via Amsterdam nach IJmuiden


Enkhuizen -> IJmuiden Start: 19.06 Ende: 21.06. Distanz: 57,7 sm Gesamtdistanz: 324,2 sm

Mittwoch, den 19.06.
In Enkhuizen beginnen schon wieder die Tide und das Wetter, unseren Rhythmus zu bestimmen. Inzwischen sind sich alle mittelfristigen Vorhersagen einig, dass es ab Samstag für wenigstens 36 bis 48 Stunden aus Nord bis Ost wehen soll. Mal mehr und mal weniger, aber immer aus einer für uns passenden Richtung. Und das lassen wir uns natürlich nicht zweimal bieten, eine solche Windrichtung MÜSSEN wir ausnutzen. Aber nichts gibt’s umsonst und so hat dieser Samstag eben auch seinen Preis. Wollen wir diesen Wind nach Süden nutzen, müssen wir Samstag in IJmuiden starten und so fällt dann unsere Sightseeing-Runde in Amsterdam aus. Im besten Fall bleibt theoretisch noch ein Tag für Amsterdam, doch das ist eher unwahrscheinlich. Aber egal! Belgien ruft und in Amsterdam waren wir ja auch schon mal mit Lin über ein langes Wochenende.

„von Enkhuizen -> via Stopp vor Muiden -> nach IJmuiden“

„von Enkhuizen -> via Stopp vor Muiden -> nach IJmuiden“

Kaum haben wir in Enkhuizen die Leinen losgeworfen, beginnt es auch schon wieder zu dröppeln. Aber das wußten wir, denn das Wetterradar hat uns schon gezeigt, was gleich so alles über uns herfallen möchte. So nehmen wir die Schleuse im Dauerregen und auch danach wird es lange nicht wirklich besser. Zwei begossene Pudel zur See auf dem Markermeer!

„Abschied im Regen von Enkhuizen“

„Abschied im Regen von Enkhuizen“

„wet wet wet“

„wet wet wet“

Doch wider Erwarten können wir nach der Schleuse tatsächlich die Segel setzen. Der stattliche Ost von gestern weht immer noch und läßt unseren Kurs in Richtung Monnikendam richtig gut aussehen. Wir machen teilweise 7 kn Fahrt und auch der Regen verdrückt sich so langsam nach Nordosten. Wieder so eine merkwürdige Konstellation, genauso wie auf der Fahrt von Lauwersoog nach Terschelling. Der Regen zieht fast genau gegen den Wind. Aber wurscht, weg ist weg und wohin der Regen weg ist, ist Nebensache, Hauptsache er ist weg.

„Es fährt, wie g..l ist doch ein Autopilot mit Windfahnensteuerung.“

„Es fährt, wie g..l ist doch ein Autopilot mit Windfahnensteuerung.“

Und wir sind auch froh, dass die Warnungen eines holländischen Seglerpärchens offensichtlich nicht stimmen. Die beiden haben uns nämlich erzählt, dass dieses Jahr das Markermeer schon ungewöhnlich früh so verkrautet ist, dass man eigentlich nur noch die Berufsschifferwege im Osten fahren kann. Aber es ist alles frei und wir können einfach so drauflossegeln. Das geht auch eine ganze Weile gut, bis der Wind innerhalb von 30 Minuten von 90 auf 225° dreht. Nach einer Wende passt unser Kurs nicht mehr ganz so optimal, aber wir können weiter segeln. Mit der Windsteuerung ist das auch super einfach, die knautscht für uns die Höhe raus, während Astrid mit Ute von der Ruby Tuesday telefoniert und ich ab und an Ausschau halte. Unser Los könnte härter sein.

Da wir froh sind zu segeln und auch gerade nicht besonders scharf auf einen Hafen sind, beschließen wir, vor Muiden zu ankern. Dazu fahren wir quer über ein Flach, doch dort erwischt uns dann doch noch das Seegras. Das Zeug sieht ähnlich aus wie die Armleuchter im Maschsee, reicht bis zur Wasseroberfäche oder treibt in großen Feldern herum. Und schwupps haben wir uns auch schon so einen großen Flatschen eingefangen. Es fährt nicht mehr richtig und auch der Motor vibriert irgendwie unrund. Der Versuch noch mehr Fänge zu vermeiden, ist nur mäßig erfolgreich. Überall schwimmt dieses Zeug herum. Erst als wir wieder in tieferes Wasser kommen, wird’s besser. Dort drehen wir dann ballerina-mäßig einige Pirouetten rückwärts und auch vorwärts und tatsächlich blubbst unter unserem Kiel ein ordentlich dicker Bollen Seegras hervor. Bei der Suche nach einem Ankerplatz sind wir nun vorsichtiger, vermeiden flachere Stellen und werfen den Anker auf einer Wassertiefe von 5 Metern. Erstaunlicherweise geht das vor Muiden sogar, denn dort hat das Markermeer seine tiefsten Stellen.

„Gewitter, das kommt dicke...“

„Gewitter, das kommt dicke…“

„Mitten rüber, es hätte uns nicht besser treffen können.“

„Mitten rüber, es hätte uns nicht besser treffen können.“

So liegen wir gut und die Gewitterfront kann in einiger Entfernung hinter uns durchziehen. So zumindest hat es das Wetterradar vorausgesagt, aber diese Voraussage hat das Wetterradar ohne die Gewitterzelle selbst gemacht. Irgendwann ist auch uns klar, dass es kein Entkommen mehr gibt. Ziemlich bedrohlich zieht die schwarze Front genau auf uns zu. Der Wind ist gar nicht so schlimm, aber es blitzt ohne Unterlass um uns herum. Drei oder vier Einschläge sind echt nah, Blitz und Donner sind fast eins, wobei der Donner aber nicht wie ein normaler Donner klingt, sondern eher wie hunderte gleichzeitig zerberstender Dachbalken. Das macht alles kein gutes Gefühl, speziell dann, wenn man am unteren Ende eines 16m hohen Blitzableiters sitzt, der ziemlich einsam und allein seinen Finger in die Höhe streckt. Schnell stopfen wir all unsere elektronischen Geräte in unsere Gewitterbox. Soweit das überhaupt geht, denn die ganze Navigation ist ja fest eingebaut. Astrid stopft auch unsere Papiere und alles was wichtig ist, in unseren wasserdichten Rucksack und wir werfen beide einen bangen Blick auf die Feuerlöscher. So harren wir 20 Minuten aus. Kein gutes Gefühl. Es kracht und scheppert. Dann ist das Zentrum durch und wie zum Abschied schlägt es noch mal richtig doll ganz nebenan ein. Puuh, schön ist so etwas nicht!

„Danach gibt sich das Wetter versöhnlich, mal sehen, wie lange das hält...“

„Danach gibt sich das Wetter versöhnlich, mal sehen, wie lange das hält…“

Donnerstag 20.06.:
Morgens haben wir fast »kleine Welt«. Die Ufer und den Hafen können wir nur erahnen. Und es schüttet und schüttet und schüttet. Also verkriechen wir uns mit einem und noch einem und noch einem Kaffee wieder in den Kojen. Mittags besssert sich das Ganze etwas, aber nicht wirklich entscheidend.
In Ruhe sortiere ich die Photos und beginne sogar endlich einmal, die schon fast fertig geschriebenen Blogs aus unseren Bastelzeiten im Frühjahr fertigzumachen.

Und bald stellt sich auch die Frage, ob wir bei solch einem Wetter überhaupt Lust auf Amsterdam haben? Wenn wir heute noch los wollen, müssen wir sowieso erst die Rushhour in Amsterdam abwarten, denn zwischen 16 und 18:00 bleiben die Brücken geschlossen. Dann wären wir erst spät in Amsterdam, um dann Freitag nur einen Tag bei durchwachsenem Wetter für Amsterdam zu haben. Und wenn wir Freitag Amsterdam machen, dann müssten wir Samstag 3 – 4 Stunden vor Stillwasser IJmuiden in Amsterdam starten. Also um 6:00. Nee, das passt alles nicht und außerdem war da ja auch unser wilder Entschluss, ab sofort alles ruhiger anzugehen.
Also bleiben wir, wo wir sind. Abends kommt dann sogar noch etwas Sonne durch. Eine späte Versöhnungsgeste, aber nun ja.

Freitag 21.06.:
Soll ich jetzt schreiben: »Wie sollte es auch anders sein?«
Nein, ich schreibe es nicht!

„Aufbruch und Anfahrt nach Amsterdam. Unten rechts: Tampen in der Schraube, aber Hilfe ist schon vor Ort.“

„Aufbruch und Anfahrt nach Amsterdam. Unten rechts: Tampen in der Schraube, aber Hilfe ist schon vor Ort.“

Pünktlich zu unserem Anker-auf-Manöver beginnt es zu regnen. Erst einige Tröpfchen, dann schüttet es. Wir haben noch 25 Meter Kette draußen und brechen erst einmal ab. Wenn dieses Jahr ein Wolkenband mit Regen über uns kommt, dann kann dieses bekloppte Wolkenband nicht einfach mal so quer über uns herüberziehen. Das wäre zu viel verlangt und ja auch viel zu einfach. Der Regen kommt, der Regen ist da und der Regen geht. Aber nein, wenn ein Wolkenband mit Regen über uns herfällt, dann zieht es ganz langsam in Längsrichtung über uns rüber, damit wir auch maximal etwas von seinem Regen haben. Meine Kollegen haben dieses Jahr leider mehr als recht, wenn man wissen will, wo wir sind, muss man nur die dickste schwarze Regenwolke suchen und genau dort sind wir dann auch ganz bestimmt zu finden ?.

Und dann sitzt auch noch der Anker fest, nicht nur etwas, sondern richtig. Die Gewitterböen haben ganze Arbeit geleistet und der Anker hat sich eingegraben wie ein Großer. Mal abgesehen von dem ganzen stinkigen Modder, der an der Kette klebt und erst einmal abgespritzt werden muss, muss Astrid richtig Gas geben, um den Anker auszubrechen. Das dauert auch so seine Zeit und der Wind kommt von vorn, wie soll’s auch beim Ankeraufholen anders sein. Und wenn man nach vorn gegen den Wind versucht, eine modderige Ankerkette sauber zu spritzen, dann ist man hinter auch nass. Das klappt dann auch ganz ohne Regen.

„Noch vor Amsterdam“

„Noch vor Amsterdam“

„Eine Brücke und ein kleines Gedrängel in der Schleuse.“

„Eine Brücke und ein kleines Gedrängel in der Schleuse.“

Nachdem es in der Nacht etwas ruhiger war, weht der Wind inzwischen schon wieder ordentlich munter aus West. Da werden wir die ganze Strecke bis IJmuiden motoren müssen. Aber egal, ab Samstag soll ja der Sommer über uns herfallen und das Hoch über Dänemark wird uns einen freundlichen Nordost bis Ost bringen. Da wir Amsterdam sowieso schon abgeschrieben haben, macht es auch nichts, dass sich die Sonne immer nur mal kurz sehen läßt und peinlich genau darauf achtet, nie im richtigen Moment für ein Photo zu scheinen.

„Die Niederlande sind echt ein emanzipiertes Land, die haben nicht nur Damenparkplätze und Damenfahrräder, nein, sogar eine ganze Werft repariert nur Damenschiffe!“

„Die Niederlande sind echt ein emanzipiertes Land, die haben nicht nur Damenparkplätze und Damenfahrräder, nein, sogar eine ganze Werft repariert nur Damenschiffe!“

„Ein besonderes Schaukel-Feeling.“

„Ein besonderes Schaukel-Feeling.“

„Amsterdams Hafen-City.“

„Amsterdams Hafen-City.“

Die Motorerei im Nordseekanal nach IJmuiden ist nervtötend und zieht sich echt lange hin. Schon vor Amsterdam ist erstaunlich viel los. Berufsschifffahrt, Lastenkähne und Fähren in allen Größen fahren parallel und kreuz und quer. Das Einzige, was sich ab Amsterdam daran ändert, sind die Größen. Erst kurz vor der Seeschleuse wird es etwas ruhiger und man fährt wieder mehr oder weniger gesittet hintereinander, ohne sich zu überholen, abzubiegen oder zu wenden. Was für ein Trubel!
Verstohlen werfen wir einen Blick auf den Sixhaven und auf Amsterdam und sind in diesem Moment irgendwie gar nicht böse, dass wir etwas anderes vorhaben.

„Der Kanal und Ent- und Belüftungskunst für die Autobahn unter dem Kanal.“

„Der Kanal und Ent- und Belüftungskunst für die Autobahn unter dem Kanal.“

„Die Seeschlause und raus auf die Nordsee.“

„Die Seeschlause und raus auf die Nordsee.“

Die Brücke und die Schleusen sind problemlos. Wir kommen fast ohne Wartezeit durch. Gespannt warten wir auf die Seeschleuse, aber irgendwie passiert dort erstaunlich wenig. Es geht 20 cm hoch und dann eigentlich genauso weiter wie vorher. Da hatte uns Brunsbüttel im letztem Jahr mehr überrascht. Aber das Wetter zeigt sich nun auch zunehmend von sein besseren Seite.

„Vor IJmuiden“

„Vor IJmuiden“

„IJmuiden - Hafen, groß und nicht unbedingt nur ein Durchgangshafen.“

„IJmuiden – Hafen, groß und nicht unbedingt nur ein Durchgangshafen.“

In IJmuiden machen wir ziemlich weit vorne fest, weil wir nicht so recht einschätzen können, wie es weiter hinten aussieht. Nach dem langen Weg zum Hafenmeister, der gefühlt auf Halbmarathonniveau liegt, werfen wir einen Blick über die Düne. Und da ist sie wieder, die Nordsee, und das sogar mit einem kilometerlangen Sandstrand mit niedlichen Strandhäuschen, die uns irgendwie schon an »weiter südlich« erinnern. Spontan laufen wir zum Wasser und dann fast 2 Stunden barfüßig durch die Plätscherwellen. Wie herrlich ist das denn und wie groß kann der Gegensatz zu einem Binnenmeer nur sein? Was für eine Entschädigung für Amsterdam!

„Denn vor IJmuiden erstreckt sich ein wunderbarer, kilometerlanger Sandstrand.“

„Denn vor IJmuiden erstreckt sich ein wunderbarer, kilometerlanger Sandstrand.“

„Wie toll ist das denn? Nur die Möwe hat Fluchtgedanken ;-)“

„Wie toll ist das denn? Nur die Möwe hat Fluchtgedanken ;-)“

Und mit einem Mal fliegen die Gedanken und Gefühle los und da ist dann nur Meer. Unendlich und weit. Morgen werden wir hier in den Süden starten und hoffentlich bis Oostende kommen und dann werden wir wenigsten 3 bis 4 Tage in Ostende bleiben, wo es hoffentlich auch so einen weiten Strand gibt.


Stationen:

19.06 Enkhuizen -> vor Muiden vor Anker 32,9 sm: 52° 20′ 40,2″ N, 005° 03′ 34,6″ E

21.06 vor Muiden vor Anker -> IJmuiden 25,0 sm: 52° 27′ 33,4″ N, 004° 33′ 50,1″ E