Guernsey


Um etwas von Guernsey zu sehen und uns vor allem mal St. Peter Port anzusehen, machen wir eine Bustour in die Hauptstadt. In der Beaucette Marina haben wir einen Plan bekommen, wo die nächste Bushaltestelle zu finden ist. Aber die ist nur auf den zweiten Blick zu finden ?.

„Auf dem Weg nach St Peter Port und auf der Suche nach dem Bus.“

„Auf dem Weg nach St Peter Port und auf der Suche nach dem Bus.“

Das Busschild entpuppt sich als ein Streetpainting, dass wir erst nach einiger Sucherei sehen. Und dann stehen wir natürlich auf der falschen Straßenseite und der ankommende Bus fährt gar nicht dorthin, wo wir meinen, dass er hinfahren sollte, sondern in die andere Richtung. Auf unsere Frage nach St. Peter Port deutet der Busfahrer mit dem Daumen über seine Schulter und murmelt so etwas wie »aserdeiräktschon«. Mist, ja, Linksverkehr. Stimmt, hier kommt die Gefahr auf der Straße ja immer aus der anderen Richtung. Wir schlagen uns vorsichtig auf die andere Seite und werden von dem dann auch gleich kommenden Bus fast weggeputzt. Schon wieder was gelernt! Die Busse halten nur weitgehend dort, wo »BUS« auf der Straße steht, sie halten immer mit der Tür vor einer Einfahrt oder Seitenstraße, damit man auch einsteigen kann, denn der Bus quetscht sich so eng an die Mauern der Straßen, das selbst magersüchtige Schiffsjungenexemplare weggeputzt würden und normale Schiffsjungen schon mal gleich. So kann der Gegenverkehr trotzdem weiterrollen und der Fahrgast hat die Möglichkeit, auf sicheres Terrain zu entkommen oder von dort den Bus zu entern. Bürgersteige sucht man auf dem Land vergebens. Die Rate unschuldig weggeputzter Touristen muss hoch sein. Astrid und mir huscht zeitgleich derselbe Gedanke durch den Kopf, »die Fahrräder lassen wir mal schön in der Backskiste«, selbst wenn wir die absoluten Linksverkehrprofis wären, wäre das hier Russisch-Roulette. Und da wir ein echtes Problem damit haben, die Gefahr immer aus der anderen Richtung zu erwarten, käme Fahrradfahren hier einem geplanten Suizid gleich.

Der Busfahrer macht einen eher mürrischen Eindruck und fährt einen Reifen, der vermuten lässt, dass dies für heute seine letzte Tour ist und er ganz schnell nach Hause will. Ich habe britische Busfahrerkünste ja schon in England kennengelernt, aber der Kollege von Guernsey steht seinen Kollegen von der großen Insel in nichts nach. In regelmäßigen Abständen halten wir beide die Luft an, um gemeinsam zu denken, “Das passt nie!” und auf einen Rums oder wenigstens ein Schaben oder Kratzen zu warten. Aber dann passt es doch und mit einem synchronen “Pfff…” entweicht uns wieder die Luft und wir können unerwartet unverletzt weiter atmen. Auch der Rollator-verdächtige Rentner kann im letzten Moment durch eine erstaunlich behände Drehung seines Oberkörpers an die Steinmauer dem sicheren Rentenende entkommen. Auf der ganzen Insel herrscht ein Tempolimit von 35 Meilen und ehrlich gesagt lässt auch kaum eine Straße oder Gasse eine andere Geschwindigkeit zu, aber der Kollege gibt alles, bis er in der Rush Hour von St. Peter Port stecken bleibt.

„Die Marina von St. Peter Port.“

„Die Marina von St. Peter Port.“

Dort springen wir aus dem Bus, als das auch fast alle tun. Das Wetter ist etwas durchwachsen und kann nicht gerade das Prädikat Sightseeing-Wetter für sich in Anspruch nehmen. Der Hafen von St. Peter Port entpuppt sich als genauso schrecklich überfüllt und laut, wie von den Holländern vorhergesagt. Was sind wir froh, ihrem Rat gefolgt zu sein, und wie froh sind wir obendrein, dass die Beaucette Marina offensichtlich eher ein Geheimtipp ist und es den Rest der Wassertouristen doch lieber nach St. Peter Port zieht. Eigentlich wollte ich wenigstens einige nette Photos machen, die ich als Trophäe in Lightroom speichern kann, aber es ist trüb und grau und ab und zu trifft uns sogar ein Tropfen.
Die Ankerbucht neben der Victoria-Marina ist ebenso nicht-einladend wie die Marina selbst. In beiden schwappt dreckiges Wasser und direkt am Hafen quält sich ein unablässiger Verkehrsstrom über die Hauptstrasse. Jeder freie Quadratmeter ist als Parkplatz ausgeschrieben und nichts außer der Blumenpracht der »hanging baskets« deutet auf ein Idyll hin.

„Die Town Church von Guernsey“

„Die Town Church von Guernsey“

„Auf dem Weg in die Old City“

„Auf dem Weg in die Old City“

Zudem liegt vor St. Peter Port auch noch ein Kreuzfahrer, was die Shopping-Straßen nicht leerer macht. Und auf allen Straßen St. Peter Ports, auf denen Autos fahren dürfen, ist schlicht die Hölle los. Guernsey hat zwar nur rund 60.000 Einwohner, aber alle mit Führerschein scheinen sich zu einem nicht endenwollenden Autokorso durch St. Peter Port verabredet zu haben. Es ist schier unglaublich. Stoßstange an Stoßstange schieb sich die Blechkaravane durch die Straßen. Und auch hier kommt die Gefahr immer von der anderen Seite, da sind wir froh, in die Fußgängerzone entkommen zu können.

„Die Old City.“

„Die Old City.“

Duty free shopping bis zum Abwinken steht auf den Fahnen von St. Peter Port. Und da das Pfund dank des BoJo-Effekts noch weiter gefallen ist, werfe ich mal einen Blick in den Photoladen. Nur mal so und ganz ohne Plan fällt mein Blick auf das Preisschild der Nikon Z6. Der duty-free-mäßige Hammerpreis liegt bei 1.999,- £, was 2187,70 € sind. Und nachdem mein Handy innerhalb von 30 Sekunden als deutschen Online-Preis etwas um die 2.000 € ausspuckt, atmet die Capitana doch erleichtert auf.

„St. Peter Port blüht. Hier können selbst Hobby-Gärtner ohne grünen Daumen große Erfolgserlebnisse feiern, es wächst einfach...“

„St. Peter Port blüht. Hier können selbst Hobby-Gärtner ohne grünen Daumen große Erfolgserlebnisse feiern, es wächst einfach…“

„Shopping-Mania….“

„Shopping-Mania….“

Etwas weiter setzen wir uns erst einmal in ein Café und verschnaufen. Was sollen wir nur mit einem St. Peter Port anfangen, das uns so wenig gefällt, wenn zudem noch nicht einmal das geeignete Photowetter ist, um wenigstens einige hübsche Aufnahmen der alten Gebäude zu machen?

So nehmen wir den Bus zurück, fahren aber durch bis zur Pembroke Bay. Von dort aus wollen wir dann in der Hoffnung zurücklaufen, dass sich vielleicht doch noch mal die Sonne blicken lässt. Und genau das ist unsere beste Idee des Tages, denn tatsächlich kommt die Sonne raus und wir stehen bei Springniedrigwasser an der Pembroke Bay und klettern über eine atemberaubende Unterwasserwelt, die gerade fast ganz für uns allein total trockengefallen ist.

„Trocken gelegte Unterwasserwelten und ein Suchbild mit Astrid, um die Dimensionen zu zeigen. Tidenhub am 05.08 8,50 m.“

„Trocken gelegte Unterwasserwelten und ein Suchbild mit Astrid, um die Dimensionen zu zeigen. Tidenhub am 05.08 8,50 m.“

„Die Pembroke Bay.“

„Die Pembroke Bay.“

Das ist wirklich der Hammer und wir sind überfroh, genau zur Springzeit hier zu sein, um mitzuerleben, wie das extreme Niedrigwasser Felswelten freilegt, die sonst fast immer unter Wasser liegen. Und diesmal sind die Felsen auch gar nicht so glitschig wie auf Alderney und der Schiffsjunge kann herumklettern, ohne schmerzhaft im matschig glitschigen Algenbett zu landen, unter dem dicke Steine lauern, die richtig Aua machen. Und weil der Schiffsjunge sich nicht wieder auf’s Mett legt, muss auch die Fernbedienung der Kamera nicht wieder für zwei Tage in Reis eingelegt werden, weil sie sich am Salzwasser verschluckt hat.

„Castle-Mauern auf den Felsen.“

„Castle-Mauern auf den Felsen.“

„Auf dem Weg zurück zur Beaucette Marina“

„Auf dem Weg zurück zur Beaucette Marina“

Alles passt und entschädigt uns für den St. Peter Port-Flop. Langsam laufen wir auf dem Küstenwanderweg zurück und stehen urplötzlich schon wieder vor der Marina. Es ist immer noch Niedrigwasser und nur die Masten gucken aus dem Steinbruch. Die Marina ist wirklich eher ein Versteck.

„Niedrigwasser, die Einfahrt ist trocken gefallen.“

„Niedrigwasser, die Einfahrt ist trocken gefallen.“

„Da sind wir gestern rein, natürlich muss ich da runter.“

„Da sind wir gestern rein, natürlich muss ich da runter.“


Der nächste Tag auf Guernsey fällt dann allerdings dem Regen zum Opfer. Irgendwie haben wir gerade Pech mit dem Wetter. Und das soll sich auch in absehbarer Zeit nicht wesentlich ändern. Ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen bringt uns nicht nur durchwachsenes Wetter, sondern auch immer viel Wind aus der falschen Richtung.

„Nachdem der Tag ohnehin ins Regenwasser gefallen war, machen wir einen Spaziergang mit nur wenigen Tropfen. Egal wie das Wetter ist, die Ebbe begeistert uns immer.“

„Nachdem der Tag ohnehin ins Regenwasser gefallen war, machen wir einen Spaziergang mit nur wenigen Tropfen. Egal wie das Wetter ist, die Ebbe begeistert uns immer.“

Uns droht die Zeit wegzulaufen, und so ändert sich auf Guernsey auch unser Schwerpunkt. Aus Sightseeing wird nun wieder einmal ein »Irgendwie-weiterkommen«. Mal sehen, wie das gelingt. Und mal sehen, ob es irgendwann mal wieder etwas sommerlicher werden mag.

auf Guernsey in der Beaucette Marina
49° 30′ 11,3″ N, 002° 30′ 19,6″ W