Langzeitplanung mit zwei Seiten


Obwohl es sich tatsächlich anders anfühlt, in den letzten Jahren waren wir mehr zuhause als unter Segeln auf der PINCOYA. Für die ersten beiden Jahre war das ja auch geplant, da haben wir noch fast halbe-halbe mit der Arbeit gemacht. Aber danach war es doch eher unfreiwillig und den allgemeinen Umständen geschuldet, – wie man so schön sagt. Als wir dann konkret nachgerechnet haben, waren wir schon etwas überrascht. Nicht, weil nicht das heraus kam, was wir eh schon vermutet hatten, sondern weil es sich selbst danach immer noch anders anfühlte. Unsere Reisezeiten waren wohl so übervoll mit Neuem, dass sich alles andere nur kleiner anfühlen konnte.

„Neujahr an der Ostsee. Ein munteres Graugrau spielt fast überschwänglich leicht in ein fröhliches Graublau.“

„Neujahr an der Ostsee. Ein munteres Graugrau spielt fast überschwänglich leicht in ein fröhliches Graublau.“

Und nun wirkt das US-Visum noch einmal wie ein Reise-Booster. Natürlich wissen wir auch heute nicht, ob sich unsere Pläne so verwirklichen lassen, wie wir uns das jetzt wünschen. Aber wenn man mit einem Visumsrückenwind im Happy-Modus an die Planung seiner nächsten Etappen geht, dann ist das ein absolut cooles Gefühl und macht riesig viel Spaß. Eine Idee und ihre Planung sind untrennbar mit dem Erlebnis verbunden, das vor einem liegt. Und wie klein wäre so ein Erlebnis ohne eine solche Vorfreude?

„Vorfreude???“

„Vorfreude???“

„Nun ja, die Ostsee hat gerade mal 4°C. Für jeden Zeh bleibt da noch nicht einmal ein halbes Grad.“

„Nun ja, die Ostsee hat gerade mal 4°C. Für jeden Zeh bleibt da noch nicht einmal ein halbes Grad.“

Nachdem klar war, dass wir nach Norden und nicht nach Süden abbiegen, haben wir nun auch einen groben Plan für die nächsten 5 Jahre. Das hört sich gewaltig an, lässt sich aber ganz schnell herunterbrechen, wenn man seine Finger zu Hilfe nimmt und einen Blick auf Google Maps wirft. Eine Saison rüber, eine rein, eine raus und eine Saison in den Großen Seen. Und wenn man dann noch die Azoren in diesem Jahr dazurechnet, ist die Hand auch schon voll, wobei noch nicht abschließend geklärt ist, wie sich das »Raus« denn so gestaltet. Denn »raus« kommen wir ja über den St. Lawrence Gulf und der liegt ziemlich weit im Norden. Aus dem Fünfjahresplan kann also ganz schnell auch ein Sechsjahresplan werden, denn eine Rückreise über die südliche Routen würde gleich auch schon wieder ein weiteres Jahr nach sich ziehen.


„Wenn alles klappt, segelt das Weihnachtsschiff erst wieder 2023 durch unseren Baum.“

„Wenn alles klappt, segelt das Weihnachtsschiff erst wieder 2023 durch unseren Baum.“

Doch nun, bevor unsere Ideen noch weiter fliegen, kommen erst einmal die Azoren. Und vor den Azoren kommen die Kanaren und der Einbau der Batterien. Dabei macht uns der Einbau selbst kein Kopfzerbrechen, aber bislang ist in Arrecife immer noch nicht alles angekommen, was wir bestellt haben. Für eine spanische Seele auf den Kanaren mag es ja normal sein, wenn aus einer Lieferzeit von 10 bis 14 Tagen mal ebenso 2 Monate werden und nie klar ist, wann der Rest der Bestellung denn so kommen könnte. Aber für ein deutsches Seelchen, das Lieferzeiten von maximal 48h für selbstverständlich hält, ist das schon eine arge Prüfung.

Und so fragen wir uns inzwischen, ob wir mit der Bestellung auf den Kanaren nicht doch einen Fehler gemacht haben. Vielleicht wäre es am Ende doch einfacher gewesen, wenn wir zurück aufs Festland gefahren wären und uns die Dinger innerhalb der Zollunion der EU in wenigen Tagen aus Deutschland hätten liefern lassen. Dazu passt auch die Meldung der dritten ARC, dass am 09.01. 7 Schiffe nicht starten konnten, weil wichtige Ersatzteile nicht rechtzeitig eingetroffen sind. Ein Umweg über das EU-Festland hätte zwar all unsere Pläne wieder einmal auf den Kopf gestellt, wäre am Ende aber nur aufwändiger, jedoch kaum teurer gewesen. Denn der Steuervorteil der Kanaren schmilzt im Angesicht des europäischen Wettbewerbs und der Transportkosten doch recht schnell dahin.

„Auf Madeira hat es uns schon arg gerockt, für die Azoren sind wir nun besser vorbereitet.“

„Auf Madeira hat es uns schon arg gerockt, für die Azoren sind wir nun besser vorbereitet.“

Aus diesem Grund haben wir auch alles andere in Deutschland bestellt, so dass wir nun mit 2 x 25 kg zurückfliegen. Das hat drei riesige Vorteile. Erstens ist fast alles in Deutschland deutlich billiger, obwohl hier 19% MwSt anfallen. Zweitens bekommt man die bestellten Teile in der Regel am Folgetag und wenn’s mal echt schlecht läuft, ist spätestens am dritten Tag alles da. Und drittens liegen verschiedene Angebote zu vergleichbaren Produkten verschiedener Anbieter nur einen Klick auseinander und der Kunde hat die Wahl und muss nicht das nehmen, was er auf den Kanaren vor Ort gerade findet. Und wer nun einwirft, dass man ja auch auf den Kanaren im Internet bestellen kann, dem sei gesagt, ja, das Internet gibt es auf den Kanaren, aber nicht wenige Firmen liefern gar nicht erst auf die Kanaren. Und wenn man einen gefunden hat, der nicht gleich Nein sagt, dann ziehen sich viele von denen bei der Recherche der Lieferkonditionen bei der Spedition doch noch zurück. Und wenn es dann doch zur Lieferung kommt, dann ist da der kanarische Zoll und die Spedition, an der nicht wenige Lieferungen scheitern, wieder zurückgehen oder schlicht verschwinden. Ja, es gibt Leute, die von erfolgreichen Bestellungen berichten können, aber die Mehrheit verdreht die Augen, wenn man sie darauf anspricht.

So zahlen wir gerade Lehrgeld. Ein Lehrgeld das auch ein dickes, fettes Fragezeichen an das Thema unseres Wassermachers macht. Es gibt einen Lieferanten auf den Kanaren, aber wenn das Model, dass wir haben möchten, dort nicht Lagerware ist und nur aus dem Regal genommen werden muss, dann werden wir uns wohl kaum auf noch eine Bestellung auf den Kanaren einlassen.
Wie gesagt, Lehrgeld! Eine Problemsituation, die wir so wirklich nicht auf dem Schirm hatten und schon gar nicht, dass dieses Problem uns schon auf den Kanaren so schmerzlich trifft. Wenn uns das irgendwo fernab in Übersee so passiert wäre, dann hätten wir gesagt: “Ok, Pech gehabt, shit happens!” Aber schon auf den Kanaren? Das ist echt Ernüchterung pur!

Wenn man an das Fahrtensegeln denkt, denkt man immer nur an das Abenteuer in einer winzigen Nussschale, über unendlich weite Ozeane zu segeln. Doch es gibt noch ganz andere Herausforderungen, die durchaus noch viel größer werden können, je nachdem, welches Ersatzteil man braucht. So gibt es nur eine einzige Erkenntnis aus der Lehre der letzten Monate. Jeder, der mit seinem Schiff Europa verlässt und weiß, dass er noch etwas braucht oder ausbauen muss, ist ein echter Abenteurer und Risikosucher. Denn in dieser Hinsicht hat man schon auf den Kanaren Europa verlassen. Sicherlich hat man in den USA, Kanada, Neuseeland und Australien diese Probleme nicht, aber bevor man in die anderen Teile der Welt aufbricht, sollte man gut überlegen, was eventuell so alles noch gebraucht werden könnte. Und obwohl wir schon sehr gut für ganz viele Eventualitäten ausgerüstet sind, werden wir nun noch einmal sehr genau darüber nachdenken, was wir zur Selbsthilfe vielleicht doch noch mitnehmen sollten. Und das ist auch einer der Hauptgründe, warum wir dieses Jahr noch einmal nach Festlandeuropa zurückkehren werden. Die Liste unserer Vorratsersatzteile wächst, aber das Schöne ist ja, dass im Internet alles nur einen Klick auseinander liegt und DHL all die hübschen Sachen auch in 3 Tagen nach Lissabon oder Portimão liefert. Und das alles ohne Zoll, an dem immer noch alles scheitern kann, auch wenn es schon danach aussieht, dass die Spedition es doch schaffen könnte.

„Am Maschsee in Hannover... Time to say goodbye!“

„Am Maschsee in Hannover… Time to say goodbye!“