Lirum Larum Lithium


Sonntag gehen wir dann an unsere Großbaustelle. Obwohl immer noch nur erst eine Lithium da ist, müssen wir beginnen. Der Umbau birgt zu viele Unwägbarkeiten, als dass wir noch länger warten können. Die Unwägbarkeiten liegen weniger in den Einstellungen der Ladegeräte, als in dem kompletten Umbau der Anschlüsse und Sicherungspanels. Da die Lithiums wesentlich kleiner sind als die AGMs, werden die Sicherungpanels nicht mehr nur einfach oben auf den Batterien liegen können. Wir werden alles »irgendwie anders« arrangieren müssen und zwar so, dass es mit den vorhandenen Kabellängen auch möglichst noch hinkommt.

„Da ist sie und sie spricht schon mal mit dem Handy der Capitana.“

„Da ist sie und sie spricht schon mal mit dem Handy der Capitana.“

„So wird es nicht bleiben können!“

„So wird es nicht bleiben können!“

Schon die Demontage ist so eine Sache. Mit jedem Kabel, das wir lösen, wachsen unsere Zweifel, ob wir das alles wieder »vernünftig« zusammenbekommen. Die größte Schwierigkeit dabei ist, dass wir noch gar nicht wissen, wie »vernünftig« überhaupt aussehen könnte. Und aus dem Wust von Kabeln, der sich nun vor uns auftut, ist das schon mal gar nicht herauszulesen. Fast alle Plus-Kabel sind ordentlich beschriftet, bei den Massekabeln waren wir nicht ganz so konsequent. Der Kabel-Struppi vor uns bietet schon nach kurzer Zeit eher ein Bild des Elends. 😢 -, bis vor wenigen Augenblicken war alles noch so schön aufgeräumt. Dass alles anders werden muss, lässt sich nicht wegdiskutieren. Nur wie ist »anders«? Es macht kein besonders gutes Gefühl, ohne konkrete Idee vor so einem Wust zu sitzen.

„Nichts bleibt so, wie es war.“

„Nichts bleibt so, wie es war.“

Immer wenn wir auf der PINCOYA irgendetwas hingebastelt haben, haben wir immer alles maximal in die Gegebenheiten der PINCOYA eingepasst. Die PINCOYA ist ja kein Riese, schon allein deswegen brauchte es immer raumsparende und damit recht individuelle Lösungen. Wie schön sind dagegen begehbare Motorräume, wo sich die Sicherungspanels an einer großen freien Wand oberhalb der Batteriebank tummeln! Und wo dann auch noch alle Kabel ordentlich in Kabelkanälen liegen. Das war aber, als die PINCOYA das Licht der Welt erblickte, so noch nicht üblich und daran haben wir auch nie etwas grundsätzlich geändert, oder ändern können. Diese Baustelle wäre einer Neuverkabelung der PINCOYA gleich gekommen. Von solch einem Luxus sind wir auf der PINCOYA also Lichtjahre entfernt, auch wenn wir »unsere« neuen Kabelstränge immer ordentlich verlegt haben. So mündet jede Bastelei zwangsläufig in einer maximalen Fummelarbeit, um die besten Lösungen unter den vorhandenen Gegebenheiten hinzubekommen.

Jan hatte gefragt, ob er jemanden zum Einbau besorgen soll. Das geht sicher auf Standard-Yachten ganz gut, hätte aber bei uns entweder zum sofortigen Freitot des Technikers geführt oder am Ende für eine Rechnung gesorgt, die dem Anschaffungspreis der Lithiums wohl gleich gekommen wäre. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass dann etwas entstanden wäre, dass wir nicht kennen. Damit hätten wir uns aber nicht wohl gefühlt, denn wir sind ja immer noch der altmodischen Meinung, dass es nicht schadet, wenn man die Technik seines Schiffes kennt.

„Gewichtheber...“

„Gewichtheber…“

Nach 2 Stunden Demontage wuchten wir die alten AGMs aus dem Batteriekasten. Zweimal 70 kg werden nun durch zweimal 20 kg ersetzt. Das ist fast wie Fettabsaugen, die PINCOYA verliert mal eben 100 kg. Wir haben nun zwar auch 40 Ah weniger, aber die Entlade- und Ladecharakteristik der Lithiums sollte das mehr als wett machen. Dennoch … Lithiums lohnen sich wirklich nur, wenn man in Regionen aufbricht, wo es schwer ist, Ersatz zu bekommen. AGMs gleicher Leistung kosten rund ein Viertel und halten gut 5 Jahre. D.h. die Amortisation von Lithiums beginnt nach 20 Jahren und keine Sau weiß, ob die Lithiums überhaupt 20 Jahre halten. Bei der Investition in Lithiums spielt das angepeilte Fahrtgebiet eine ebenso große Rolle, wie die Hoffnung auf deren Langlebigkeit. Das Beiwerk der technischen Vorzüge ist hübsch, rechtfertigt aber niemals eine solche Investition, wenn nicht eine absehbar schwierige Ersatzteilbeschaffung in dem anvisierten Fahrtgebietes das alleinig rechtfertigende Argument liefert.

„Klein gegen groß!“

„Klein gegen groß!“

Nach dem Ausbau nehmen die AGMs denselben Weg durch die Bugkojenluke wie vor zwei Monaten schon der Fäkalientank. Allerdings war der Fäkalientank dagegen ein Leichtgewicht. Nachdem die AGMs erst einmal an Deck stehen, beginnt das Puzzlespiel am Batteriekasten mit dem Einbau der Lithiums.

„Und schwupps ist sie draußen.“

„Und schwupps ist sie draußen.“

„Jeder darf mal.“

„Jeder darf mal.“

Mehrere Stellproben der Lithiums bringen zusammen mit einem groben Abschätzen der Kabellängen eine erste Lösungsidee. Das Sicherungs- und das Massepanel kommen nun senkrecht an die Battriekastenwände und jeweils gegenüber sollen die Lithiums mit dem BMS ihren Platz finden. Obwohl wir nur erst eine Lithium haben, erinnert das Ganze schon etwas an Tetris.

„Oh je! Kabelsalat!“

„Oh je! Kabelsalat!“

„So könnte es passen.“

„So könnte es passen.“

Viele der vorhandenen Kabel reichen noch nicht bis dort, wo sie nun eigentlich hinreichen müssten. Doch die angepeilte Anordnung ist die Anordnung, die die geringsten Probleme erwarten lässt. Erst am Sonntagabend ist absehbar, dass es klappen könnte. In einer der hintersten Backskisten finden wir noch eine altersschwache Kabellampe und so kocht die Capitana im Schummerlicht der Kabellampe mit Stirnlampe und auf dem Salontisch flackern romantisch zwei Kerzen. Unser Bordstrom liegt ja noch komplett brach und daran wird sich auch frühestens Montagnachmittag etwas ändern. Es ist schon gut, wenn nicht alles an dem Vorhandensein von Bordstrom hängt, sondern auch einiges einfach mechanisch oder mit Gas oder aus einem Wasserkanister geht.

„Kochen mit Notstrom.“

„Kochen mit Notstrom.“


Mit dem ersten Tageslicht geht es dann weiter. Immer wieder müssen wir Kabel umlegen und über andere Wege durchfädeln, um auch noch den letzten Zentimeter herauszuholen. Aber man mag es kaum glauben, wir kriegen es für jedes vorhandene Kabel hin. Und aus den Restbeständen kramen wir auch noch zwei 50er Kabelenden hervor, die wir noch zusätzlich benötigen, um das BMS, also das Battery Management System, das über das Wohlbefinden der Lithiums wacht, in das Gesamtsystem einzuflechten. Wir haben echt ein riesiges Glück, auch diese Restlängen passen.

„Alles passt, manches könnte optimaler passen, aber es geht.“

„Alles passt, manches könnte optimaler passen, aber es geht.“

Und dann passiert’s! Alles ist ordentlich verkabelt und angeschlossen und die erste Lithium geht ans Netz. Doch … es passiert nichts 🥺. Rein gar nichts! Die Lithium hat an den Polen 13,25 V, aber nichts von den hübschen 13 V kommt dort an, wo es eigentlich angekommen soll 🧐. Wir checken noch einmal alles, aber alles sieht wirklich total gut und richtig aus. Auch das Internet weiß keinen Rat, alle schreiben nur von großen Erfolgen. Erfolge, die bei uns noch nicht wirklich vorbeischauen wollen.
So schauen wir etwas dumm aus der Wäsche und fühlen vorsichtshalber schon mal, ob die Lithium vielleicht warm wird, weil wir doch etwas falsch angeschlossen haben. Man hört da ja immer wieder Schauermärchen von brennenden Lithiums, die gar nicht wieder aufhören wollen. Aber alles ist gut und die Victron-App behauptet auch, dass es der Lithium wunderbar geht.

Dann findet die Capitana einen dünnen, unscheinbaren roten Strich in der Anschlusszeichnung von Victron und fragt: »Haben wir eigentlich dieses Kabel?« Hmm … 😬 … Nee, haben wir nicht und irgendwie ist auch sofort klar, dass das BMS, dass ja brav im Massezweig hängt, nur arbeiten kann, wenn es auch wenigstens etwas von dem hübschen Plus abbekommt 🙄. Und was sollen wir sagen, in dem Moment, in dem das BMS auch über dieses kleine, verträumte, rote Kabel etwas Plus abbekommt, ist es auch so positiv gestimmt, dass es auch gleich seine Arbeit aufnimmt.

„Funktionsbereit!“

„Funktionsbereit!“

Der Rest ist schnell erledigt, eine Sicherung nach der anderen setzen wir ein und ein Stromkreis nach dem anderen nimmt wieder seine Arbeit auf. Alles läuft reibungslos und die Lithium wird auch über den Landstrom geladen. Da fließen mal eben 50 A, ich glaube, solchen Ladeströme musste unser Ladegerät noch nie liefern. Schnell schauen wir noch einmal in die Anleitung, aber dort steht, dass die Lithium bis zu 100 A Ladestrom toll findet. Es braucht allerdings noch bis zum nächsten Morgen, bis der initiale Zellausgleich innerhalb der einen Lithium abgeschlossen ist. Aber das macht sie selbst, da müssen wir uns nicht mehr kümmern. Wir gucken nur immer mal wieder über die App nach, wie es so aussieht.
Und nun kann wirklich mal die Zweite kommen, denn die müssen wir auch erst einmal allein laden, bis auch deren Zelleausgleich und deren erste Vollladung einmal vollständig abgeschlossen ist.

„Abtransport!“

„Abtransport!“

Am Montagabend bringen wir dann noch die alten AGMs zu Jan. Sozusagen mit dem Nachmittagshochwasser, damit die Rampe zu den Stegen nicht zu steil ist. 70 kg pro Batterie wollen ja doch lieber runter als hoch. Dann ist Aufräumen angesagt und wir können uns mal überlegen, was wir mit all dem gewonnenen Platz im Batteriekasten nun so anfangen. Da bietet sich eigentlich ein kleines Ersatzteillager an, aber das besprechen wir dann mal am Dienstag beim Frühstück.

Am Dienstag ist die erste Lithium voll geladen und die Zellen sind ausgeglichen.

„Jippi! Fertig“

„Jippi! Fertig“

Wir schließen noch schnell die Motorbatterie an und starten auch einmal die Ladung über die LiMa und den Sterling-Laderegler. Auch das klappt gut und nun ist Zwangspause, bis die zweite Lithium kommt.

„Nun noch die Starterbatterie.“

„Nun noch die Starterbatterie.“

Arrecife
28° 57′ 43,9″ N, 013° 32′ 22,6″ W