Weiter nach Süden, weiter nach …


Papagayo [A] -> Corralejo 7,8 sm: Gesamtdistanz: 89,1 sm

„von Papagayo [A] -> nach Corralejo“

„von Papagayo [A] -> nach Corralejo“

Vor Papagayo sind wir unentschlossen. Fast so wie das Wetter, das auch irgendwie unentschlossen ist. Als Vorhersage wollen wir das Ganze mal lieber nicht bezeichnen. »Vorhersage« hat so etwas Konkretes und erweckt den Anschein, dass jemand weiß, wie es werden wird. Aber meist ist es nicht so, nicht so wie vorhergesagt. Manchmal lässt sich etwas Ähnliches herein interpretieren, wenn man guten Willens ist, aber meist eben auch eher nicht, wenn man ehrlich ist. Trotzdem schauen wir uns die Vorhersagen gerne an. Wohl auch deshalb, weil man irgendetwas braucht, um seine Pläne daran auszurichten.

Also sitzen wir in der Sonne, die mal da ist und auch mal nicht, und gucken in Richtung Süden. Im Dunst liegt dort die Isla de Lobos und daneben Corralejo, wovon wir allerdings nichts sehen. Corralejo? Das wäre ja mal ein Anfang. Für Fuerte und so. Aber der Wind? Nun ja, meist eben eher nicht und dann auch noch von woanders. Doch von hinten kommt Attila. Attila ist unser in eine Bavaria 51 gegossener Albtraum des Ankerns. Der Schrecken aller Ankergründe der Kanaren, deren verschiedene Crews sich auf der nach oben offenen Richter-Skala im Himmel der Inkompetenz vereinigen. Angst und Schrecken lässt uns unseren Anker in Rekordzeit aufholen. Der Entschluss ist nicht nur gefasst, er lebt. Corralejo ist es!

„Papagayo und der Norden der Isla de Lobos“

„Papagayo und der Norden der Isla de Lobos“

Es geht nur langsam voran und manchmal treiben wir mehr rüber, als dass wir fahren. Doch wenn man nur 7 Seemeilen vor dem Bug hat, dann kann man sich auch mal treiben lassen. Corralejo finden wir auch deswegen total clever, weil der Wind auf Süd drehen soll. Aber das stört den Wind wenig und am Ende schieben uns 15 muntere Knötchen aus Nord in die Bucht von Corralejo.

Corralejo ist nicht umsonst ein Surf-Mekka. Westlich und östlich der Anfahrt zum Hafen brechen sich schon früh erstaunlich hohe Wellen auf den ausgedehnten Flachs. Vor der Isla de Lobos scheint sich zudem der aus Nordwesten einlaufende Atlantikschwell noch zusätzlich zu stauen, um sich dann durch die Enge zwischen den Insel zu zwängen. Etwas überrascht bemerkt man, dass der Schwell plötzlich doch beeindruckend hoch ist. Und weil die Wellen sich schon weit draußen brechen, scheinen die schäumenden Brecher auch etwas zu nah zu sein. Dennoch ist die Anfahrt breit und problemlos, sonst wäre Corralejo ja wohl auch kaum so ein belebter Fährhafen.

Eigentlich wollten wir ja vor Corralejo ankern. Doch erstens weht es nun doch aus Nord und zweitens haben wir ehrlich gesagt auch keine Ahnung, wo wir unseren Anker fallen lassen könnten. Einige Schiffe liegen zwar vor dem Hafen an Moorings, aber dahinter und daneben wird’s schon arg flach. Und davor scheint es uns auch nicht besonders verlockend zu sein. Außerdem hat sich die Marina vollkommen verändert. Ein bestimmt 100 m langer, schwimmender Wellenbrecher ragt nun mitten in den Bereich, der in den Revierführern auch als guter Ankerbereich beschrieben wird. Dahinter befinden sich offensichtlich vollkommen neue Steganlagen. Der vermeintliche Ankerlieger mit AIS entpuppt sich als Yacht am Ende eines neuen Stegs. Äh … so haben wir gar keine Idee mehr, wo wir vielleicht noch ankern könnten. Hinter dem Wellenbrecher sehen wir eine große freie Fläche, die sich gut zum Manövrieren eignet. Später sehen wir, dass hier nur die neuen Steganlagen noch nicht fertig sind.

„An dieser Stelle wurde bisher geankert.“

„An dieser Stelle wurde bisher geankert.“

„Alles wird neu...“

„Alles wird neu…“

Aber egal, also rein und erst einmal umsehen. Draußen gibt es echt nichts, was uns jetzt ankertechnisch anzieht. Also schnappe ich mir die Handfunke, während Astrid schon mal spontan die Fender und Leinen klar macht. Mal sehen, ob die für uns noch ein Plätzchen haben. Viele Plätze scheinen frei zu sein, aber die Steganlagen scheinen auch noch voll im Bau zu sein. Die Policía Portuaria meldet sich sofort. »Wie lang und wieviele Tage? Ja ok, ich komme.« Wir zwängen uns in einen Platz, der eigentlich etwas klein ist, aber der soll es für uns sein, weil es hier in Reichweite schon Wasser und Strom gibt. Alles ist noch irgendwie im Umbau.


Corralejo ist definitiv nicht so ein Segeltouristenhafen wie Rubicon, Calero oder auch Arrecife gegenüber auf Lanzarote. Auch wenn durch die Umgestaltung der Marina einige Plätze mehr auch für größere Yachten entstehen, es ist kaum zu erwarten, dass Corralejo seinen authentischen Charakter verliert. Durch den Fährhafen und die unzähligen Ausflugskatamarane, Ausflugsfähren und Wassertaxis, die tagsüber ständig zwischen der Isla de Lobos und Corralejo pendeln, ist es in der Marina nie wirklich ruhig. Dazu kommt, dass nicht wenige der Surfer-Gemeinde in der Marina auf ihren meist sehr betagten Booten leben. Bunt gemischt mit Einheimischen und allen Größen von Angelbooten. Wir als Segeltouristen fallen da schon etwas auf und so werden wir auch ständig angesprochen und nach Woher und Wohin gefragt. Ein erfrischender Mix, der uns recht gut gefällt.

„Einer der vielen Surfer.“

„Einer der vielen Surfer.“

Das alles erinnert uns schon etwas an Puerto del Rosario und Gran Tarajal. Das waren auch zwei Marinas, die sich sehr angenehm von den Segeltouristenmarinas auf Lanzarote unterschieden.


„Ja, da steht's!“

„Ja, da steht's!“

„Auf dem Stadtbummel durch Corralejo“

„Auf dem Stadtbummel durch Corralejo“

Am späten Nachmittag machen wir noch einen Strand- und Stadtbummel. Gegenüber von Playa Blanca oder Arrecife fühlt sich Corralejo wie eine junge Studentenstadt an. Das liegt definitiv an den allgegenwärtigen Surfern, Surfshops und Surfbars. Der große Touristenstrom kommt nur nach Corralejo, um auf die Isla de Lobos überzusetzen. Sieht man von diesem Touristenstrom mal ab, sollte das Durchschnittsalter in Corralejo wohl nur ungefähr halb so hoch sein wie in Playa Blanca.

„Fischkunst im Hafen.“

„Fischkunst im Hafen.“

Am nächsten Morgen klopft es. Der Hafenmeister bittet uns umzulegen. Plötzlich sind wenigstens 8 Yachten am Umlegen. Wir hören, dass es fast jeden Tag so geht. Die Steganlagen sind eben noch im Bau und so muss immer mal wieder alles umorganisiert werden.

„Der Hafen von Corralejo“

„Der Hafen von Corralejo“

„Die Promenade“

„Die Promenade“

Leider bleibt es bei unserem kleinen Nachmittagsspaziergang. Das Wetter im Februar kann auch auf den Kanaren ziemlich durchwachsen sein. Wir haben zwar Glück und der große Regen mit den Gewittern zieht etwas westlich durch, aber sonniges Ausflugswetter ist eben anders. Doch egal, wir planen ja im nächsten Winter wieder über die Kanaren zu fahren, da wird es dann sicher noch mal einen passenden Tag für einen Strandspaziergang in die andere Richtung geben.

„Im Vordergrund die Möwe, im Hintergrund die Isla de Lobos“

„Im Vordergrund die Möwe, im Hintergrund die Isla de Lobos“


24.02.
Angesichts der aktuellen Kriegslage in der Ukraine ist es schwer, einen Segelblog zu schreiben. Wie einfach erschien uns unsere Idee vom Segeln noch vor wenigen Jahren. Vollkommen selbstverständlich war die Möglichkeit, mit einer Segelyacht überall hinreisen zu können. Außer einigen Regionen mit Piraterie und vielleicht Nordkorea gab es keine Gegenden, die sich grundsätzlich nicht bereisen ließen. Viele einfacher, einige schwieriger. Aber gab es wirklich echte Hürden? Die einzig echte Hürde war doch nur, es für sich selbst möglich zu machen.

Und dann, als es für uns eigentlich hätte unbeschwert losgehen können, brach die Pandemie mit Covid-19 aus. Nun gut, das hatte Vor- und Nachteile beim Reisen. Und jetzt, wo die Pandemie zu einer Endemie zu werden scheint, droht ein dritter Weltkrieg, weil ein wahnsinniger Diktator die Weltordnung nach seinen wirren Maßstäben neu schreiben will. Wo ist das Ende? Sicher nicht an den Grenzen der Ukraine! Um das zu verstehen, reicht ein Blick auf die Geschichte. Die sich wiederholenden Parallelen sind erschreckend und ein zweiter Player steht schon in den Startlöchern. China.

Wie sicher waren wir uns, dass all das, was wir uns wünschten, auch möglich ist. Doch wie trügerisch war dieser Gedanke! Alles schien möglich zu sein und nun steht hinter allem ein Fragezeichen. Eben dachten noch viele in der westlichen Welt, dass die Corona-Maßnahmen das Ende der freiheitlichen Grundrechte seien. Heute erkennt man in den westlichen Demokratien überrascht, dass Bedrohungen real sind, vor denen man Jahrzehnte lieber die Augen verschlossen hat, um Geschäfte zu machen. Lieber beschäftigte man sich mit seiner eigenen Selbstmarginalisierung und hörte lieber auf die Blähungen seines Wohlstandsbauches. Auch das sind Zutaten, die diesen Angriffskrieg unter der verschwörungstheoretischen Propaganda eines Diktators erst möglich gemacht haben.

Mal sehen, wieviel die andere Welt, in der wir heute aufgewacht sind, von der alten Welt, in der wir gestern eingeschlafen sind, noch zulässt.

in Corralejo
28° 44′ 23,5″ N, 013° 51′ 53,2″ W