Ankerfrust mit Lichtschimmer


 

Anfi del Mar II [A] -> via Playa de Santa Águeda, Zementhafen [A] -> Pasito Blanco Distanz: 8,6 sm Gesamtdistanz: 310,7 sm

Vor Anfi bleiben wir noch einen Tag und zwei Nächte. Erst ab Montag haben wir wieder den Marinaplatz in Pasito Blanco. Diese Alternativlosigkeit ist nur schwer hinzunehmen. Speziell der Schiffsjunge leidet schon etwas, weil das Akzeptieren von blöden, aber nicht änderbaren Situationen nicht zu seinen größten Kernkompetenzen zählt. Zudem zerrt das ständige Rollen und Stampfen echt an den Nerven. Es ist schon so eine Art Belastungsprobe.

„Wieder vor Anfi del Mar“

„Wieder vor Anfi del Mar“

 

„Einkaufstour ...“

„Einkaufstour …“

 

Am Donnerstagvormittag fahren Lin und ich zum Einkaufen nach Puerto de Arguineguin. Unser Gummiboot ist zu klein für drei Leute plus Einkauf. Knapp eine Seemeile müssen wir bis in den Hafen von Arguineguin brummen. Das ist schon ein echter Happen für den kleinen Honda.

„Auch in Arguineguin liegen die Flüchtlingsboote, das macht schon betroffen, auch weil wir ständig die PAN-PAN-Meldungen von Las Palmas Radio hören.“

„Auch in Arguineguin liegen die Flüchtlingsboote, das macht schon betroffen, auch weil wir ständig die PAN-PAN-Meldungen von Las Palmas Radio hören.“

 

„Fischer in Arguineguin“

„Fischer in Arguineguin“

 

„Einkauf ...

„Einkauf …

 

Aber wir haben echt Glück, auf der Hinfahrt weht es aus Westen, auf der Rückfahrt aus Osten. Zweimal Rückenwind, so kommt unser Einkauf auch trocken auf die PINCOYA und der kleine Honda muss sich nicht vollkommen verausgaben.

„Wir kommen trocken zurück“

„Wir kommen trocken zurück“

 

Unwillkürlich richten wir inzwischen alle Aktivitäten nach dem Tagesgang aus. Vormittags geht es ja noch halbwegs, aber ab Mittag beginnen die Schiffe vor Anfi del Mar zu tanzen. Und das Kochen abends ist dann eher ein zirkusreifer Akt.

Es soll ja Segler gegeben haben, die es hier Monate vor Anker ausgehalten haben. In den Foren stehen tolle Dinge zu diesen tollen Ankermöglichkeit auf GC. Das kleine Video soll mal etwas von der Realität zeigen, danach kann jeder selbst entscheiden, ob er das toll und erholsam findet oder vielleicht doch nicht so.

Wir haben ja auch schon Segler getroffen, die die Rias in Nordspanien und auch die Algarve links liegen gelassen haben, um endlich auf die Kanaren zu kommen. So einen Plan kann man nur haben, wenn man die Kanaren nicht kennt.

Die einzige Alternative neben Pasito Blanco wäre noch die Marina in Puerto de Mogán. Vielleicht sind wir auch einfach nur zu stur mit dem Ankern. Gran Canaria bzw. wohl eher die gesamten Kanaren sind definitiv ein Marina-Revier. Die mit Abstand besten Ankerplätze haben wir bisher auf Lanzarote mit La Graciosa und Papagayo gehabt. Diese beiden haben zwar auch ihre Achillesferse, sind aber pures Gold gegenüber all dem anderen, was wir danach an Ankerplätzen gesehen haben. Am Ende ist es für uns ja auch schlicht und ergreifend eine Frage des Geldes. Wir müssen einen gesunden Mix zwischen Marina und Ankern hinbekommen, sonst klappt unser Plan nicht. So sind solche Reviere wie Madeira oder nun auch die Kanaren eher ungeeignet für uns.

Erst ab Montag haben wir wieder einen Platz in Pasito Blanco, doch über das Wochenende soll es schon zu einer Süd- bis Südwestwindlage kommen. Das ist sozusagen der Worst Case im Süden von Gran Canaria. Es soll zwar »nur« mit 20 Knoten aus Süden wehen, aber wir kennen ja nun schon den auflandigen Wind des Leewirbels, der sich so hübsch mit dem Tagesgang zusammenarbeitet. Und wir haben (noch) keine Ahnung, ob die angekündigten 20 kn der Südwindlage nicht auch noch einmal durch den Tagesgang verstärkt werden. Das könnte dann durchaus sehr unangenehm enden. Denn die Windwellen des Lee-Wirbels und des Tagesganges entstehen ja erst 2 bis 3 Seemeilen vor der Küste, doch die Wellen einer Südwindlage nehmen einen viel längeren Anlauf.

So stellt sich die Frage, wo wir uns verstecken können. Mit etwas Glück könnten wir den Südwind im Zementhafen, östlich von Puerto de Arguineguin in der Bahía de Santa Águeda, ganz gut durchstehen. Aber schön ist es dort nicht. Das alles ist ein Notbehelf, mehr nicht. Irgendwie steckt der Wurm drin, das hatten wir uns für Lin wirklich anders vorgestellt. Aber wir hatten auch keine Ahnung, wie es wirklich auf Gran Canaria ist. Nun sind wir schlauer.


 

„Über das »Nichts« in die Playa de Santa Águeda und zum Zementhafen.“

„Über das »Nichts« in die Playa de Santa Águeda und zum Zementhafen.“

 

Um am Freitag dem auflandigen Geschaukel zu entgehen und auch noch mal etwas zu segeln, beschließen wir ab Mittag einfach noch etwas herumzufahren, um uns dann im Zementhafen für den Südwestwind zu verkriechen. Das funktioniert zunächst auch ganz gut, aber 4 Seemeilen vor der Küste ist Schluss. Nun verstehen auch wir, warum einige große Fischerboote immer genau hier liegen, um auf die Nacht zum Fischen zu warten. Treffer! 🙄 Wir haben das Zentrum der Lee-Abdeckung mit dem »Nichts« gefunden! Schon wieder haben wir etwas gelernt 🧐, so einfach kann das sein👍 😬.

Also motoren wir langsam zurück in Richtung Zementhafen. Zwei Seemeilen vor der Küste beginnt wieder der Seewind und macht Wellen. Hinter der Mole des Zementhafens finden wir ein ganz gut geschütztes Plätzchen. Hier sollten wir den Südwest gut abwarten können. Aber … dieser Ankerplatz ist alles, aber ganz bestimmt nicht schön und auch kaum für ein Urlaubsgefühl geeignet. Es gibt zwar einen kleinen Strand, aber der Rest ist eben Zementwerk. 🥺 Gran Canaria macht es uns wirklich nicht leicht, es zu mögen.

„Der Playa de Santa Águeda“

„Der Playa de Santa Águeda“

 


 

Zwei Tage Zementhafen liegen vor uns. Puerto de Mogán scheint kein Plätzchen für uns zu haben. Unsere Anfrage bleibt unbeantwortet. Um dem Geschaukel für einige Zeit zu entkommen, machen wir einen Landausflug nach Puerto de Arguineguin.

„Landausflug ...“

„Landausflug …“

 

„Der Zementhafen ...“

„Der Zementhafen …“

 

„Sporting ...“

„Sporting …“

 

„Gottvertrauen ...“

„Gottvertrauen …“

 

„Die kleine Kapelle in den Felsen an dem Playa de Santa Águeda von El Pajar“

„Die kleine Kapelle in den Felsen an dem Playa de Santa Águeda von El Pajar“

 

„El Pajar“

„El Pajar“

 

Gleich hinter dem Zementwerk in Richtung Arguineguin hat man an der Küste einen weiteren Ferienpark errichtet und es sieht danach aus, dass noch mehr folgen soll. Keine Frage, dieser Ferienpark wurde schon mal wesentlich netter und großzügiger angelegt als die riesigen Bettenburgen zwischen Puerto de Mogán und Maspalomas. Doch es ist schlicht unvorstellbar, dass neben all den schon bestehenden Bettenburgen wirklich ein noch größerer Bedarf an Ferienanlagen besteht. Zumal es hier nun wirklich gar keinen Quadratmeter Strand mehr gibt und die Wellen sich direkt an der Steinküste brechen. Aber nun ja …

„Ein weiterer Ferienpark mit hölzernem Strandersatz.“

„Ein weiterer Ferienpark mit hölzernem Strandersatz.“

 

„Kein Ferienpark, eine Hinterbebauung von Arguineguin“

„Kein Ferienpark, eine Hinterbebauung von Arguineguin“

 

So machen wir einen hübschen Spaziergang durch Arguineguin. Arguineguin und Anfi del Mar scheinen eine starke skandinavische Gemeinde zu haben. Besonders die Norweger sind mit Schule, Ärzten, Kirche, Immobilien-Maklern, Minimarkt usw. besonders stark vertreten. An jeder Ecke hört man nordische Sprachen und selbst die Speisekarten haben eine finnische (!) Seite.
Ein Spaziergang und ein Eis mal ganz ohne Schaukelei ist schon recht erholsam.

„Die Promenade von Arguineguin“

„Die Promenade von Arguineguin“

 

„Arguineguin beach“

„Arguineguin beach“

 

Als wir zu unserem Gummiboot zurückkommen, laufen die Wellen allerdings schon wieder recht unangenehm in die Bahía de Santa Águeda ein. Die Mole des Zementwerks ist kein großes Hindernis, um die Bucht vor Schwell zu schützen. Wir schaffen es auch nicht ganz trocken zurück auf die PINCOYA, aber diesmal reicht es, dass nur wir uns umziehen 😂. Das haben wir auch schon anders geschafft. Alles andere und natürlich all der Photokram steckt ohnehin in einer wasserdichten Reisetasche und einem wasserdichten Rucksack. Das ist inzwischen genauso Standard, wie das Anbinden der Taschen und Schuhe am Gummiboot.


 

Ein ankertechnischer Lichtschimmer

Hinter der Mole des Zementwerks ist es ankertechnisch eigentlich ganz ok, obwohl die Windwellen zusammen mit dem Restschwell natürlich trotzdem um die Ecke kommen. Von Ruhe kann keine Rede sein. Durch den Südwestwind liegen wir genau längs zu den Wellen und rollen erbärmlich 🤮. Ansonsten ist aber alles ok 😬. Wenn man die letzten vier Sätze noch ein zweites Mal liest, merkt man, welche Abstriche wir inzwischen gemacht haben.

„Wetter in der Playa de Santa Águeda“

„Wetter in der Playa de Santa Águeda“

 

Es dauert etwas, bis sich der Schiffsjunge an den Kettenhaken erinnert, der schon eine ganze Weile in der Schublade mit den Schäkeln liegt. Vor knapp einem Jahr haben wir in der Bucht von Cádiz ebenso rollig gelegen, doch eigentlich fehlte nicht viel, damit sich der Bug der PINCOYA in die Wellen dreht und das nervige Gerolle ein Ende hatte. Und da wurde die Idee geboren, die PINCOYA mit einem Hahnepot quer vor Anker zu legen, um so den Bug aktiv in die Wellen drehen zu können. Die Theorie fühlt sich theoretisch auch eigentlich immer noch genial an, aber ausprobiert haben wir sie bisher noch nie. Eine schnelle Skizze bringt leider nicht die erhoffte Gewissheit und so nagt der Zweifel weiter an uns herum. Vielleicht ist die Idee ja auch doch nur Blödsinn. Aber dennoch, theoretisch müsste ja schon irgendetwas praktisch passieren, wenn wir versuchen, uns über einen Hahnepot eher quer vor Anker in den Wind zu legen und dann vorn fieren und hinten dicht holen. 🤔

Der Plan ist folgender. Wir haken die Standard-Ankerkralle vorn aus und den neuen Kettenhaken ein. Der hängt an einem Tampen, den wir über eine der achterlichen Klampen auf eine der Genuawinschen umlenken. Fieren wir nun vorn die Kette und holen hinten etwas dicht, sollte die PINCOYA sich durch den entstehenden Hahnepot langsam immer mehr quer vor den Anker legen. Sie sollte sich also drehen und wenn man es auf der richtigen Seite macht, sollte sich der Bug in die Wellen drehen und das Rollen sollte ein Ende haben. Soweit die Theorie.

„Quer vor Anker!“

„Quer vor Anker!“

 

Gesagt, getan und … – … das Leben kann so einfach sein! Es funktioniert auf Anhieb. Alle Theorie ist grau und nur die Praxis ist bunt, sofern sie funktioniert. Ab und zu korrigieren wir noch etwas vorn und hinten, dann hat sich das ganze Konstrukt so »gesetzt«, dass wir wunderbar ruhig in den einlaufenden Wellen liegen. Hammer! 👍 Phantastisch!

So liegen wir nun hinter dem Zementwerk recht komfortabel in den Wellen. Es ist zwar etwas ungewohnt, dass nun der Wind beim Ankern von der Seite kommt, aber wir liegen nun wenigstens weitgehend ruhig. Das Stampfen in den Wellen hat man natürlich immer noch, aber es ist etwas ganz anderes, ob sich ein Schiff immer wieder rollend aufschaukelt oder »nur« stampft.

Die Gesamtsituation hinter dem Zementwerk ist aber auch günstig. Der Wind dreht kaum und dadurch bleibt der Winkel zwischen dem Wind und den um die Mole einlaufenden Wellen mehr oder weniger gleich. Und die Wellen, die um die Mole kommen, sie »rund« und nicht so steil und ruppig wie vor Anfi oder Tauro. Dreht der Wind etwas, justieren wir die Lage der PINCOYA über den achterlichen Schenkel des Hahnepots, also über den Tampen mit dem Kettenhaken, der ja hinten auf der Winsch liegt. Es reicht meist, ihn etwas zu fieren oder dicht zu holen, um den Bug wieder in die Wellen zu drehen. Das alles geht erstaunlich einfach. Sicher ist das kein Patentrezept für jede Situation, in der das Rollen nervt, aber wenn das wenigstens in einigen Situation hilft, dann ist das ja auch schon mal was.

„Wer liegt hier anders als die anderen? Sesamstraße?“

„Wer liegt hier anders als die anderen? Sesamstraße!“

 

Doch so schön diese Technik auch ist, sie hat eine Nebenwirkung! Nicht für uns, aber für andere Segler. Denn nach und nach kommen nun weitere Segler, um sich hinter dem Zementwerk zu verstecken. Die orientieren sich aber eher an der Ausrichtung der PINCOYA, als an ihrer eigenen Windanzeige oder gar dem Wind, mit dem sie gerade her gesegelt sind. Nicht nur einmal will einer der Ankommenden direkt neben uns seinen Anker fallen lassen. In Lee ist das ja nicht so schlimm, aber in Luv würde ihn das direkt rechtwinklig bei uns in die Seite einschlagen lassen. Unser Hinweis darauf, dass der Wind von »da« und eben nicht von »dort« kommt, wird mit wiederholt ungläubigen Blicken auf die eigene Windanzeige, auf unsere Ausrichtung, auf den Verklicker im Mast und auf die Ausrichtung der anderen kopfschüttelnd quittiert. Erschwerend kommt ja auch noch hinzu, dass ein weiterer Segler dieselbe Ausrichtung wie wir erreicht hat, in dem er einen zusätzlichen Heckanker ausgebracht hat. Die Verwirrung ist groß und wir lernen auch noch gleich zwei neue Worte. Hahnepot heißt auf Englisch »bridle« oder »crow foot«. Genauso wenig, wie wir das bisher wussten, werden das unsere nicht-englischen Nachbarn wissen, aber es scheint Eindruck zu machen. Alle ankern bereitwillig um, um kurz darauf die Ausrichtung ihres Schiffes mit den anderen beiden kopfschüttelnd noch einmal zu vergleichen.


 

Für die Nacht machen wir den Fehler, den Hahnepot wegzunehmen. Da wir keine Erfahrung damit haben, wollen wir in der Nacht lieber konventionell vor Anker liegen. Das ist aber ein schlimmer Fehler, denn es folgt eine so rollige Nacht, wie wir sie bisher nur in der Baia d’Abra auf Madeira erlebt haben. Wir machen kein Auge zu, und quer zu schlafen hilft auch nicht. Selbst der Toilettengang wird zu einem Abenteuer, das im besten Fall nur mit blauen Flecken endet und keine größeren Schweinereien verursacht. Wie die Äffchen hangeln wir uns durch die PINCOYA, um uns gleich darauf wieder möglichst flach auf den Bauch zu legen und die Arme und Beine als Stabilisatoren möglichst breit auszufahren.

Mit Sonnenaufgang setzen wir gleich wieder den Hahnepot, um wieder quer zu ankern. Das Rollen kriegen wir damit zwar sofort wieder in Griff, aber die Südwestwindlage hat die einlaufenden Wellen inzwischen unangenehm hoch werden lassen.

„Ab nach Pasito Blanco.“

„Ab nach Pasito Blanco.“

 

Gegen Mittag fliehen wir nach Pasito Blanco. Wir sind heilfroh, in die Marina zu kommen.

„Zurück in Pasito Blanco.“

„Zurück in Pasito Blanco.“

 

„Wellig ...“

„Wellig …“

 

Die Ankerlieger vor Pasito hüpfen, rollen und schlagen in den Wellen derart heftig, dass man jeden Moment damit rechnet, dass einer der Anker ausbricht. Die Monos werfen sich um mehr als 30° von einer Seite auf die andere und selbst auf den Katamaran wird alles abgeräumt, was nicht fest verstaut ist.

„Unruhig I ...“

„Unruhig I …“

 

„Molenspaziergang in Pasito Blanco ...“

„Molenspaziergang in Pasito Blanco …“

 

„Unruhig II ...“

„Unruhig II …“

 

„Schaukelig I ...“

„Schaukelig I …“

 

„Schaukelig II ...“

„Schaukelig II …“

 

„Gegenlicht in Pasito Blanco ...“

„Gegenlicht in Pasito Blanco …“

 

Stationen:

24.03. Anfi del Mar II [A]
27° 46′ 13,9″ N, 015° 41′ 36,3″ W

25.03 Anfi del Mar II [A] -> Playa de Santa Águeda, Zementhafen [A] 5,3 sm:
26. + 27.03 Playa de Santa Águeda, Zementhafen [A]
27° 45′ 09,3″ N, 015° 40′ 07,9″ W

28.03 Playa de Santa Águeda, Zementhafen [A] -> Pasito Blanco 3,3 sm:
27° 44′ 48,0″ N, 015° 37′ 21,3″ W