Ein Rest Fuerte


Gran Tarajal -> via Morro Jable -> Punta de Jandia [A] Distanz: 32,9 sm Gesamtdistanz: 163,5 sm

„von Gran Tarajal -> nach Morro Jable“

„von Gran Tarajal -> nach Morro Jable“

Der Wind hat nachgelassen. Draußen ist nicht mehr alles weiß und es zieht nun auch keine Surfer mehr an den Strand von Gran Tarajal. Bis Morro Jable, ganz im Süden von Fuerteventura, sind es nur rund 20 sm und wenn wir einen Sightseeing-Bogen reinfahren, um direkt vor der Küste entlang zu segeln, dann sind es nur ein paar mehr. Das Wetter ist traumhaft und ein freundlicher Nordwind empfängt uns vor der Hafeneinfahrt. Wir belassen es beim Groß, denn wir haben ja Zeit und wollen die Küstenfahrt genießen. Dafür reichen 5 Knötchen Fahrt allemal.

„Gran Tarajal in bestem Segelwetter“

„Gran Tarajal in bestem Segelwetter“

„Entlang der Ostküste von Fuerteventura“

„Entlang der Ostküste von Fuerteventura“

„Es gibt auch GRÜN auf Fuerte“

„Es gibt auch GRÜN auf Fuerte“

So plätschern wir dahin, frühstücken, sitzen in der Sonne und lassen die PINCOYA mal geradeaus fahren. Kurz bevor wir die Dünenlandschaft bei Costa Calma erreichen, beginnt es zu blasen. Schon weit im Voraus können wir die weißen Windwellen sehen. Dann packt uns die Düse und wir rauschen nur so dahin. In Böen sind es bis 23 Knoten. Das lässt die PINCOYA in Lee der Küste rennen. Reffen müssen wir nicht. Das Groß allein passt auf diesen raumen Kursen und bei solchen Windstärken ganz prima zur PINCOYA. Vielleicht ist das sogar unsere Lieblingsbeseglung. Das Groß steht wie eine Eins und mit Bullenstander kann da auch nichts aus dem Takt kommen. Kein Schlappen und Schlagen der Genua. Der Autopilot steuert, was er ja ohnehin immer machen muss, und wir sausen vor der Küste dahin.

„Die Costa Calma und ihre Hotelanlagen“

„Die Costa Calma und ihre Hotelanlagen“

Plötzlich traue ich meinen Augen nicht. Aus dem Wasser und nicht »auf« dem Wasser startet ein blau schimmernder Vogel. Es dauert einige Sekunden, bis ich begreife, dass es gar kein Vogel ist. Gerade noch schnell genug kann ich der Capitana Bescheid sagen. Es ist unser erster fliegender Fisch! Gegen den kräftigen Wind ist er aus dem Wasser geschnellt und fliegt nun gut 40 m im Gleitflug knapp über der Wasseroberfläche dahin. Blau schimmernd und mit einer Länge von vielleicht 25 cm. Unglaublich! Wie gebannt halten wir Ausschau, aber es soll der einzige bleiben. Direkt vor der Düne sehen wir dann aber noch eine Wasserschildkröte. Ihr Panzer ist mittelbraun und hat gut 40 cm Durchmesser. Sie guckt uns recht gelassen an. In Morro Jable gibt es eine Aufzucht- und Rettungsstation für Wasserschildkröten, um sie hier wieder anzusiedeln. Am Strand von Cofete werden Eier vergraben, um kleine Schildkröten in ihrer neuen Heimat schlüpfen zu lassen. Das scheint ganz offensichtlich zu klappen. Der Playa Cofete liegt auf der Westseite und wird nicht so vom Tourismus beherrscht. Hier haben die Schildkröten die nötige Ruhe. Natürlich haben uns beide viel zu sehr überrascht, als dass wir auch noch ein Photo hätten machen können. So bleiben sie nur in unserer Erinnerung.

„Sausisaus zum Faro de Morro Jable“

„Sausisaus zum Faro de Morro Jable“


„Hafeneinfahrt von Morro Jable“

„Hafeneinfahrt von Morro Jable“

Das Anlegen im westlichen Teil des Hafens von Morro Jable ist eine Katastrophe. Die Düse lässt zwar im Süden von Fuerteventura etwas nach, dafür krachen aber bei Morro Jable Fallböen durch die Marina. Diese Fallböen erinnern uns schon sehr an Porto Santo. Ankern ist unter solchen Bedingungen ja kein Problem, doch wenn man alle paar Minuten so ein Ding von rechts oder links um die Ohren gehauen bekommt, dann ist das zum Anlegen an einem Steg, der zudem nur Grundleinen hat, schon ziemlich blöd. Der Ostteil der Marina von Morro Jable ist zwar besser angelegt, dort gibt es Schwimmstege mit Fingern und auch Wasser und Strom, aber dort gibt es nahezu keine Gastliegeplätze. Also gehen wir in den Westteil mit den beiden Stegen, die weder Strom noch Wasser, aber 😩 Grundleinen haben. Eigentlich würden wir lieber vor Morro Jable ankern, doch für das Wochenende ist ziemlich viel Wind vorhergesagt. Und ziemlich viel Wind bedeutet eben auch immer ziemlich viel Schwell. Der Wind soll zwar aus Nord kommen, aber wir erinnern uns noch zu gut an unsere »Wellentheorie« für die Baia d’Abra auf Madeira. Und heute wissen wir ja auch, dass uns der Schwell lieb hat und uns immer hinterher läuft.

Natürlich wollen wir in Lee, also auf die Südseite der Stege. Alles andere wäre mit Grundleinen bei diesem Wind sowieso unmöglich, es sei denn man geht längsseits und vertraut auf seine Fender. An dem südlichen Steg liegen schon drei Yachten und alle haben sich schon mal zwei Grundleinen geschnappt. So bleibt uns nur die Wahl zwischen der letzten am äußeren Ende des Steges und vielleicht auch zweien weiter innen.

Ich habe keine Ahnung, ob Grundleinen mit der Zeit weggammeln oder ob irgendwelche Deppen sie am Steg losgeknotet haben, aber wenn es hoch kommt, hängt vielleicht noch an jeder zweiten oder dritten Klampe auf dem Steg eine Grundleine. Für einen etwa 100 m langen Steg sind gut 10 Grundleinen schon etwas dürftig, besonders wenn 6 davon schon von 3 Schiffen belegt werden. Weiter innen wird es schnell flach, also bleibt uns nicht viel zur Auswahl.

Als erstes versuchen wir es weiter innen, also nicht am äußeren Ende des Steges. Aber gerade als wir auf gut zwei Meter am Steg sind, – die Capitana steht schon vor der Genua sprungbereit auf dem Bugspriet -, werden uns ratz fatz mal eben zwei Fallböen um die Ohren gehauen. Die erste können wir noch halbwegs parieren, aber gegen den großen Bruder haben wir keine Chance. Die Burschen schlagen mit 20+ aus Nordwest ein, also in einem unangenehm flachen Winkel zum Steg. Und auf der Flucht nach hinten zieht uns der Radeffekt auch noch zusätzlich in die falsche Richtung. Scheiße! Vollgas! Unser Volvo lässt überrascht einen fahren. Der dunkle Qualm verzieht sich schnell mit der Fallbö in Richtung Fährhafen. Gerade so schaffen wir es noch, hinter den drei anderen entlang zu kommen, ohne stumpf seitlich in sie einzuschlagen.

„Fest im Luxusteil der Marina“

„Fest im Luxusteil der Marina“

Scheiße, ich weiß, warum ich diesen Grundleinenquatsch hasse! Noch einen Versuch? Nee, lieber nicht! Die nächste Fallbö mit 20+ ist schon da. Ohne echtes Risiko geht innen nichts, also außen. Dort haben wir dann eben nur eine Grundleine, können aber genau in Windrichtung, also in einem spritzen Winkel zum Steg und vor allem in Lee zu den anderen Yachten anfahren. Nur haben wir dort noch einen roten Schwimmkörper im Weg, von dem wir nicht wissen, was es ist, aber hoffen, dass das, was an ihm hängt, möglichst senkrecht nach unten geht.
Es ist zum Kotzen, immer wenn wir knapp vor dem Steg sind, kriegen wir einen mit 20+ von steuerbord oder backbord. Diesmal bekommen wir erst einen von steuerbord, um uns gleich darauf noch einen von backbord einzufangen. Gott, das ist wie beim Boxkampf. Linker Haken, rechter Haken, fehlt nur noch der Schwinger von unten. Dann springt die Capitana und … landet auch auf dem Steg und nicht daneben. Noch nie hat die Capitana schneller eine Leine belegt. Es dauert vielleicht eine halbe Millisekunde und gleich darauf kracht auch schon die nächste Bö in uns hinein. Himmel, Arsch und Wolkenbruch, was ist das für eine Scheiße. Wie soll solch ein Manöver unter diesen Bedingungen in einem vollen Hafen klappen? Da kann man doch nur die anderen Yachten als Puffer nehmen und hoffen, nicht zu viel Kleinholz zu machen. Unter den Böen liegen wir immer wieder fast längsseits, aber in Lee an dem Steg. Wir nehmen zwar sofort die Grundleine auf und winschen die PINCOYA an der Grundleine brutal gegen den Wind halbwegs in Liegeplatzposition, aber schön ist wirklich anders. Insgesamt brauchen wir noch gut eine Stunde, um die PINCOYA halbwegs vernünftig festzumachen.
Und im Mittelmeer ist sowas Standard! Mit diesem Tag rückt das Mittelmeer definitiv keinen einzigen Platz höher auf unserer Wunschliste.

„Eigentlich liegt direkt vor der Einfahrt eine tolle Ankerbucht, aber es ist leider auch der Wendeplatz der Fähren.“

„Eigentlich liegt direkt vor der Einfahrt eine tolle Ankerbucht, aber es ist leider auch der Wendeplatz der Fähren.“


Mit Sonnenuntergang wird es dann ruhiger und die Fallböen nehmen in ihrer Frequenz und Stärke ab. Der Freitag vergeht ohne den angekündigten Start des Starkwindes und auch nur einige halbstarke Fallböen zischen mal von rechts oder links durch den Hafen. Auf eine einheitliche Richtung können sie sich nicht einigen, es körselt mal so und mal so herum.

„Morro Jable I“

„Morro Jable I“

„Morro Jable II“

„Morro Jable II“

„Morro Jable - der Strand“

„Morro Jable – der Strand“

Eine kleine Sightseeing-Runde durch Morro Jable verbinden wir mit der Suche nach einer Autovermietung, einem Besuch bei der Schildkrötenaufzuchtstation und einem kleinen Einkauf bei Spar. Allerdings sind wir nur beim Spar erfolgreich, die beiden Autovermieter, die wir finden, haben ebenso geschlossen, wie die Schildkrötenaufzuchtstation.

„Morro Jable - Die Marina“

„Morro Jable – Die Marina“

Die Marina sehen wir uns nur kurz an. Auf einen Blick ist klar, dass man hier nicht wirklich auf Gäste eingestellt ist. Alles ist proppenvoll und augenscheinlich gibt es nicht einen einzigen Gastliegeplatz. Zudem ist es eng und die Plätze dürften vielleicht noch gerade so für die PINCOYA reichen, aber für größere Yachten wird’s echt eng.


Obwohl in der Nacht zum Samstag einige Hammer-Fallböen durch den Hafen jagen, bleibt es weitgehend ruhig. Die Windstatistik der B&G-Anzeige spricht allerdings Bände. Sie zeigt Spitzenböen bis 32 Knoten, aber nur eine mittlere Windgeschwindigkeit von 6 Knoten. D.h. in der Realität, es ist fast windstill, bis uns aus dem Nichts wieder so ein Hammer trifft. Da sich diese Böen nun auf eher Ost eingeschossen haben, doppeln wir in der Nacht auch noch mal schnell steuerbord alle Leinen. Wenn wir an normalen Tagen unser Leinenarsenal so betrachten, fragen wir uns manchmal, ob so viel denn wirklich sein muss. Inzwischen hängt aber im Ankerkasten kein Festmacher mehr nutzlos herum und auch die Backskiste ist erstaunlich leer geworden. Alle Vorleinen und alle Springs sind inzwischen doppelt bzw. sogar auch schon dreifach. Da geht einiges an Leinen weg, denn wir haben inzwischen 2 Vorleinen und 3 Springs.

Pünktlich zu unserem Morgenkaffee knirscht es während einer Bö richtig hässlich vorn am Bug. In nullkommanichts sind wir beide vorn. Die Böen fallen immer noch fast direkt von Osten ein. Also ziemlich quer zu unserem Liegeplatz. Bis etwa 25 Knoten geht das alles auch noch gut, ist die Bö stärker, drückt es uns auf den Steg. Gott sei Dank stoßen wir nur auf der Höhe des Bugbeschlages an den Steg, so dass die Last nicht auf dem Stampfstab liegt. Der Bugbeschlag hat auch schon eine ordentliche Schmarre im Holz des Stegs hinterlassen. Oh, wir hassen Grundleinen! Die starken Bewegung der PINCOYA können wir nicht verhindern, wir müssen schlicht noch weiter zurück. Vorn rauslassen und hinten dicht holen. Und nun kommt die große Stunde des Stopperstek. Viele Segler fragen sich ja, wieso man sie in den Kursen mit so blöden Knoten wie dem Stopperstek quält, aber es gibt tatsächlich einen sehr praktischen Anwendungsfall. Da es unmöglich ist, die Grundleine einfach so dichter zu nehmen, seitlich ist ja echter Druck darauf, knoten wir einen Stoppersteg auf sie, legen die Zusatzstrippe über die Genuawinsch und ziehen uns so nach hinten. Das entlastet die Grundleine auf der Klampe und so können wir sie dort weiter dicht nehmen. Das machen wir zweimal und schon sind wir mit dem Bug so frei, dass wir nun auch bei echten Böen nicht mehr vorn anstoßen. So kommen wir zwar auch kaum noch von Bord, aber wir wollten ja sowieso gerade frühstücken.


Im Laufe des Samstag beruhigt es sich etwas. Also bauen wir unser Tauchequipment zusammen, um mal nach der Schraube und den Opferanoden zu sehen. Dieses Tauchen ist ja nicht meins und kostet mich wirklich jedesmal Überwindung. Zumal der Anlaufstrom des Kompressors, besonders wenn er gegen einen etwas höheren Restdruck wieder anlaufen muss, unseren Honda-Generator an seine Grenzen bringt. Obwohl es auf unserem Sommertörn im letzten Jahr ja gut funktioniert hat, müssen wir nun doch wieder etwas herumjustieren, damit ich sicher tauchen kann und der Honda ohne Überlastung am Ball bleibt.

„Der Tauchgang, immer wieder ein Vergnügen!“

„Der Tauchgang, immer wieder ein Vergnügen!“

Doch dann ist es getan und der Schiffsjunge geht auf Tauchstation. Andere Segler in Arrecife haben uns etwas Angst gemacht und erzählt, dass dort ganze Saildrives innerhalb eines Jahre zerfressen werden und auch solide Bronze-Propeller einem unheimlichen Lochfraß erliegen. Entsprechend skeptisch sind wir. Aber unser Saildrive und auch der Propeller sehen absolut gut aus. Selbst von den Opferanoden ist noch mehr als ein Drittel da. Aber auch das übrige Unterwasserschiff sieht richtig gut aus, das hätten wir so nicht erwartet. Der Propeller ist dann auch schnell gereinigt, doch die Opferanoden dürfen sich noch etwas weiter opfern, bis wir sie dann in vielleicht 2 oder 3 Monaten tatsächlich wechseln müssen.
Und auch nach diesem Tauchgang bleibt mir verborgen, warum manche Menschen Tauchen als Hobby haben. Aber nun ja, ein nicht geringer Teil der Menschheit hält uns ja auch für vollkommen verrückt.


Am Samstagabend beginnt dann das, was für Freitagabend angekündigt war. Eine 25er Fallbö jagt die nächste und zwischendrin sind Burschen, die auch locker die sieben Beaufort vollmachen. Die fiesen Dinger hört man schon kommen und die reißen dann auch schon mal gleich im Hafenbecken den noch kleinen Windwellen ihre Krönchen vom Kopf. Dann stiebt ein Gischtnebel durch den Hafen und manchmal leuchtet in dieser Gischt auch noch ein Regenbogen. In solchen Böen legt sich die PINCOYA ordentlich auf die Seite, alles flattert wie wild, es ist laut und die Festmacher ächzen. Das ist schon beeindruckend und man muss zusehen, dass man in solch einer Bö an Deck gut steht, sonst droht man tatsächlich über Bord geweht zu werden. Stunde um Stunde geht das so und erst lange nach Sonnenuntergang lässt die Frequenz und auch die Stärke etwas nach.

„Es beginnt zu wehen...“

„Es beginnt zu wehen…“

Wenn ich so hinter den Böen hergucke, von denen ja nun wirklich nur einige mehr als 30 Knoten haben, wird mir klar, wieviel Glück wir in unseren letzten 20 Segeljahren hatten. Wir mussten solche Bedingungen erst wenige Male unter Segeln meistern, wohingegen es andere wohl ständig mit sieben, acht und gar neun Beaufort zu tun bekommen. Seit unseren Überfahrten nach Madeira und auch von Madeira auf die Kanaren wissen wir, welche Wellen schon 25 Knoten Wind, also 6 Beaufort machen. Das reicht für uns absolut, mehr brauchen wir ganz bestimmt nicht.


Die Nacht …
Als wir uns hinlegen wollen, brist es Schritt für Schritt kräftig auf. Das Gejaule des Winds, das Flattern der Großpersenning und das Reißen an den Festmachern wird beständig lauter und heftiger. Gegen 22:30 stehen wir wieder auf. Die Böen liegen inzwischen konstant deutlich über 30 Knoten und es wird beständig mehr. Der mittlere Wind pendelt sich knapp unter 30 Knoten ein. Der Steg, an dem wir hängen, macht eher einen altersschwachen Eindruck und schwingt an seinen Ketten schon großzügig hin und her. Als die Böen immer wieder über 40 Knoten kommen, bringen wir noch eine zusätzliche Spring aus. Wir sind recht froh, damals doch noch zwei 30 m Schwimmleinen gekauft zu haben. Mit der Länge können wir in einem guten Zugwinkel die Spring von den achterlichen Winschen doppelt auf eine noch freie Klampe auf der gegenüberliegenden Seite des Stegs ausbringen. Klampen sind ja durchaus ein Schwachpunkt, es macht ein besseres Gefühl, wenn man möglichst viele verschiedene im Einsatz hat. Während der Aktion treffen uns die ersten Böen im oberen Vierzigerbereich. Der Zeitpunkt für eine Kletteraktion auf den Steg und wieder zurück muss gut gewählt sein, sonst bläst es einen einfach so ins Hafenbecken.

Gegen 24:00 packen wir zum zweiten Mal in unseren Seglerleben in einem Hafen die Grabbag zum Verlassen des Schiffes. Wenn das so weitergeht, kann alles passieren und wir müssen dann vielleicht doch runter. Vorbereitet sein kann da nicht schaden. Der Steg ist alt, da kann unter Umständen doch irgendetwas brechen. Zudem haben wir noch drei Nachbarn, von denen auch jeder eine unglückliche Kettenreaktion auslösen kann. Und wer weiß, wie stabil die Grundleinen wirklich noch sind, wir hängen ja auch nur an einer und wenn die bricht, schleudert es uns herum auf den Steg. Für diesen Fall binden wir unser Dinghy mittschiffs auf die Leeseite, in der Hoffnung, damit einen ausreichend dicken Fender zu haben.

„Echt unangenehm, Ausgang offen, aber vorbereitet!“

„Echt unangenehm, Ausgang offen, aber vorbereitet!“

Das erste Mal haben Astrid und ich eine Grabbag im Hafen in Sandvik auf Öland gepackt. Das war auf unserem allerersten gemeinsamen Törn 2003. In Sandvik lagen wir aber noch viel schlechter als nun hier, denn dort standen zusätzlich zu den 50 Knoten Wind noch 1,5 m Wellen im Hafen.

Ab 0:30 sehen wir immer wieder Böen über 50 Knoten. Die Spitze liegt dann kurz vor 1:00 bei 54,1! Da hört der Spaß definitiv so langsam auf. Wir fragen uns, was nun noch alles kommt. Windfinder und Windy erzählen etwas von 18 Knoten in Böen 22. Wir haben inzwischen locker das Doppelte! Die Vorhersagen, die es hier gibt, lassen schon etwas zu wünschen übrig. Auch wenn man wohl ins Kalkül ziehen muss, dass die Berge mit ihren Fallwinden hier im Hafen durchaus alles noch einmal ordentlich verstärken.
Ab 2:00 sehen wir dann eine leichte Tendenz nach unten. Um 3:00 legen wir uns wieder hin. Die Böen hauen zwar immer noch mit mehr als 30 Knoten rein, aber wenn man vorher über 50 hatte, dann fühlt sich 30 schon richtig ruhig an 🙂. Dabei ist wohl auch entscheidend, dass die Lautstärke mit dem Wind wohl eher logarithmisch zu- und abnimmt. Eine Bö mit über 50 Knoten ist schon beim Herannahen nicht zu überhören und macht dann, wenn sie einen trifft, wirklich richtigen Radau.
Bis zum Morgen nimmt es dann beständig ab und die Fallböen verlieren ihr Spaß, uns um die Ohren zu sausen. Erst mit Sonnenaufgang schaut wieder die ein oder andere Fallbö vorbei. Die wirken mit ihren 20 Knötchen nach dieser Nacht aber eher niedlich und verspielt.

„Der Morgen danach ...“

„Der Morgen danach …“

„PINCOYA verwoben ...“

„PINCOYA verwoben …“


„Es geht auf den Anchorage vor Morro Jable“

„Es geht auf den Anchorage vor Morro Jable“

Erst am Montag gehen wir dann vor den Strand Morro Jable vor Anker. Vor uns tobt das Touristenleben, der Ankergrund ist prima, das Wasser türkis, die Badetemperatur stimmt, aber es ist eben offen und ähnlich schwabbelig wie vor Papagayo.

„Etwas Urlaubs-Feeling ...“

„Etwas Urlaubs-Feeling …“

Viele glauben ja, dass Fuerteventura übersetzt »starker Wind« heißt. Das liegt ja auch wirklich nahe, denn »fuerte« heißt im Spanischen wirklich »stark« und da »ventura« ziemlich nach »ventilieren« klingt und es auf Fuerteventura eben ständig irgendwie ventiliert, ist der Name der Insel auch schnell erklärt. Aber »ventura« hat nun leider überhaupt nichts mit einem ventilierenden Ventilatorwind zu tun, sondern heißt im Spanischen nichts anderes als »Glück«. So wäre die richtige Übersetzung »großes Glück«. Aber worin kann dieses große Glück liegen, wenn man einmal von den Temperaturen absieht, die hier im Winter durchaus einem deutschen Sommer Konkurrenz machen können. Ganz sicher sind wir uns, dass dieses große Glück nicht in dem Ziegenkäse zu finden ist, bei dem ja angeblich allen 5-Sterne-Köchen dieser Welt sofort einer abgeht. Vor Gran Tarajal liefen eines Morgens unzählige dieser Ziegen auf dem Felsen über der Ankerbucht herum. Der Gestank war schon furchterregend, da haben wir lieber auch erst mal jedes offene Feuer vermieden, bis der Wind wieder etwas gedreht hatte. Ist ja auch kein Wunder, denn irgendetwas Grünes finden diese Ziegen auf Fuerteventura ja nun auch überhaupt nicht zu fressen. Da wollen wir lieber gar nicht wissen, was die Basis dieser Ziegenmilch sein könnte. Die wichtigste spanische Vokabel auf Fuerteventura und Lanzarote ist in diesem Zusammenhang übrigens »vaca«, also Kuh, denn man kann sich gar nicht vorstellen, wo überall »cabra« drin ist. Das ist schon echt etwas macabra, denn selbst harmlose Kartoffelchips werden hier mit »queso de cabra« hingerichtet.
Aber warum ist nun Fuerte die Insel der Glückseligen oder die Insel des großen Glücks? Wir wissen es noch nicht wirklich, auch wenn uns Corralejo und Gran Tarajal schon gefallen haben. Rein seglerisch ist die Sache ebenso schwierig zu beantworten. Eine wirklich gute Ankerbucht und einen wirklich sicheren Hafen gibt es auf Fuerteventura nicht. Vielleicht liegt das große Glück ja darin, für jede Wind- und Wellensituation gerade zufällig an der richtigen Stelle zu sein.


Puertito am Punta de Jandia
An dem äußersten Südwest-Zipfel Fuerteventuras wollen wir noch einmal unser Glück versuchen. Direkt vor Puertito am Punta de Jandia soll man ankern können und der Leuchtturm auf der Halbinsel soll echt spektakulär sein. Die Frage ist nur, wie der Wind dort so ist und wie die Wellen einlaufen. Die beiden können es einem ja in Kombination schon recht schwer machen. So werden wir vor Puertito bzw. der Halbinsel Punta de Jandia schon wieder etwas Glück brauchen, um halbwegs ruhig zu ankern und dann auch anlanden zu können.

„Weiter zur Punta de Jandia“

„Weiter zur Punta de Jandia“

Mit der Lee-Flaute im Süden von Fuerteventura treiben wir mehr unserem Ziel entgegen, als dass wir segeln. Doch kaum kommen wir aus der Abdeckung der Berge, schnappt uns der Nordostwind. Wirklich gemütlich ist der Ankerplatz nicht, aber es gibt keine Alternative zu dem Mini-Strand südlich von Puertito. Dort ist man am besten vor dem Schwell geschützt, der natürlich auch hier munter um die Ecke kommt und keine Hemmungen hat, seine Laufrichtung mal eben um fast 180° zu ändern. Viel Ankertheorie braucht es nicht, um den kleinen Strand als einzig passenden Platz zu identifizieren, es reicht ein Blick durch’s Fernglas.

Aber mal ganz abgesehen davon, ein Anker gräbt sich ja auch besser in Sandboden ein als in einem Vulkanfelsen. Und vor dem Strand besteht tatsächlich Hoffnung auf Sand, denn ringsherum sieht alles sehr felsig aus. Wir brauchen allerdings zwei Anläufe. Der Rocna Vulcan will oder kann sich nicht gleich eingraben. Von oben kann man zwar gut die helleren Sandfelder zwischen den dunklen Felsen sehen, aber die Sandschicht scheint nicht besonders dick zu sein. Doch im zweiten Anlauf hakt er sich ein. Wir gehen mal davon aus, dass er sich eher verhakt, als eingegraben hat.

„Der Faro am Punta de Jandia“

„Der Faro am Punta de Jandia“

Da der Wind doch recht großzügig aus Nordost kommt, liegt nun der Felsen, auf dem der Leuchtturm steht, direkt hinter uns. Der ist zwar weit genug weg, aber eine eher nördliche Richtung des Windes wäre psychologisch für uns schon angenehmer. Denn direkt vor der Halbinsel mit dem Leuchtturm sehen wir auch noch diese wilde Brecherzone, denn die Halbinsel läuft mit ihren Felsen lang und flach aus.
Es bläst wieder einmal stärker als angekündigt. Eigentlich sollte es ja sogar auf gut 10 Knoten abnehmen. Aber es bläst die ganze Nacht mit 15 bis 18 Knoten. Erst am Morgen wird es etwas ruhiger und auch die Wellen donnern nicht mehr so auf den Strand und gegen die Felsen.

„Sundowner am Punta de Jandia.“

„Sundowner am Punta de Jandia.“

Immer wieder gucken wir, wie wir hier anlanden können. Sollen wir schon wieder unverrichteter Dinge weiterziehen? Auf Fuerte hatten wir noch nicht so viel Glück mit unserem Sightseeing. In Gran Tarajal wollten wir noch kein Auto. Wie blöd, da gab es sogar eine geöffnete Autovermietung. In Morro Jable waren die Vertretungen geschlossen und auf den WebPages gab es bei den einschlägigen Vermietern schon mal gar keine Mietwagen mehr. Und als wir am Sonntag mit dem Bus nach Cofete fahren wollten, war Radrennen, was die Busse vollkommen durcheinander gebracht hat. Und wenn zwei Busse vollkommen durcheinander sind und man einen davon für die Hin- und den anderen für die Rücktour braucht, dann macht das den einen, wie auch anderen Bus echt alternativlos. Das Risiko, dann auf ein Taxi zu hoffen zu müssen oder gar auf seine Wanderkünste vertrauen zu müssen, war uns dann doch zu hoch.

So schaukeln wir nun vor der Peninsula Punta de Jandia und beobachten mit dem Fernglas, ob wir es irgendwo an Land schaffen könnten, während der Wind wieder mal sein eigenes Ding macht. Mit der hereinbrechenden Dunkelheit vertagen wir die Entscheidung auf den nächsten Morgen und rollen so durch die Nacht. Der Radau, den brechende Wellen machen, ist ja bei Tageslicht wesentlich geringer als bei Nacht. Die Dunkelheit scheint das Rauschen von brechenden Wellen viel besser zu übertragen, als die Helligkeit. Physikalisch ist das vielleicht nicht haltbar, aber psychologisch eine Tatsache.

„Der Landgang ...“

„Der Landgang …“

Am nächsten Morgen ist es nicht nur ruhiger, sondern es ist auch Niedrigwasser. Das hat den Vorteil, dass alle Felsvorsprünge etwas mehr aus dem Wasser schauen und so die Slippe von Puertito besser schützen. So gibt es nur einen Kaffee und einen Keks und zack ist das Gummiboot auch schon im Wasser.

„Die Slippe von Puertito“

„Die Slippe von Puertito“

Wenigstens mal gucken, ob es geht. Abbrechen können wir immer noch, wenn es auf der Slippe zu wild zugeht. Aber es könnte klappen, einige höhere Wellen sind dabei, aber es gibt auch ruhigere Phasen. 30m vor der Slippe machen wir die Räder runter, bereiten unsere Rafting-Attacke vor und bringen uns in Position. Dann ein letzter Schub mit dem Außenborder, Motor aus und hoch und schon wird wie irre gepaddelt. Im knietiefen Wasser springen wir raus und ziehen unser Gummiboot schnell vor der nächsten Welle hoch. Geschafft.

„Dauer-Camper 😂“

„Dauer-Camper 😂“

„PINCOYA in der Sonne ...“

„PINCOYA in der Sonne …“

Zwei Stunden laufen wir zum Leuchtturm und zurück. Auf der Westseite sehen wir die großen Brüder der Wellen, deren kleine Schwestern uns hinter der Halbinsel noch schön schaukeln lassen. Es ist ein toller Spaziergang und wir sind froh, es einfach probiert zu haben. Nach den Misserfolgen unserer Anlandungen in der Bretagne und auf Madeira tut es gut, wenn es mal wieder einfach so klappt. Zurück warten wir eine ganze Zeit, bis die Lage günstig ist. Und wir schaffen es tatsächlich auch wieder trocken zurück auf die PINCOYA.

„Oben rechts, Frühlingsgrün auf Fuerte“

„Oben rechts, Frühlingsgrün auf Fuerte“

„Verewigt ...“

„Verewigt …“

„Es geht zurück ... und wieder trocken.“

„Es geht zurück … und wieder trocken.“

Und da sich das Wetter, der Wind und auch die Wellen nun von ihrer freundlicheren Seite zeigen, beschließen wir, erst am Freitag nach Gran Canaria herüberzufahren und uns heute noch mal etwas durchschaukeln zu lassen.

„Sundowner mit Faro“

„Sundowner mit Faro“

„Sundowner mit Camper“

„Sundowner mit Camper“

Stationen:

03.03. Gran Tarajal -> Morro Jable 22,7 sm:
04. -> 06.03 Morro Jable
28° 03′ 04,1″ N, 014° 21′ 47,7″ W

07.03. Morro Jable -> Morro Jable [A] 1,6 sm:
08.03. Morro Jable [A]
28° 02′ 47,6″ N, 014° 21′ 03,3″ W

09.03. Morro Jable -> Punta de Jandia [A] 8,6 sm:
10.03. Punta de Jandia [A]
28° 04′ 12,2″ N, 014° 29′ 59,9″ W