Etwas mehr Rosario


Erst Süd, dann nichts, dann wieder Süd. Auf dem Atlantik hat sich eine recht breite Tiefdruckautobahn etabliert, die den Trade Winds ziemlich zusetzt. Mal geht es etwas weiter südlich, mal etwas weiter nördlich zur Sache. Und das immer wieder mit einem erschreckend niedrigen Kerndruck. Die Azoren liegen im Dauerfeuer dieser Orkan-Tiefs, aber auch Madeira und die portugiesische Festlandküste bekommen immer mal wieder ordentlich einen verpult.

„Ein Tief nach dem anderen und alle holen sehr weit südlich aus.“

„Ein Tief nach dem anderen und alle holen sehr weit südlich aus.“

Im Osten der Kanaren hält sich der Wind noch in Grenzen, da alle Tiefs bisher doch noch rechtzeitig genug nach Norden abgedreht haben. Aber die Wellen sind teilweise beachtlich und das Erstaunlichste ist, dass sie es selbst hintenherum bis nach Puerto del Rosario ganz prima schaffen. Die Wellenvorhersage schreibt etwas von 0,6 m und im Hafen steht so ein Schwell, dass sich schon vor 3 Tagen die Rescue hinter die südliche Mole am Yachthafen verdrückt hat und die Segler Gefahr laufen, mit den Masten zusammenzuschlagen. Alle Eigner sind busy und wir versuchen die Schiffe so auseinander zu ziehen, dass nichts passieren kann.

Und das heißt warten. Im Augenblick gibt es kein vernünftiges Wetter, um weiter nach Süden vorzustoßen.

„So bleiben wir erst einmal auf Fuerte.“

„So bleiben wir erst einmal auf Fuerte.“


Ein so grausiger Schwell läuft natürlich nicht ständig ein, also bleibt Zeit, um einige Vorbereitungen zu erledigen. Nach und nach kaufen wir schon mal einige Vorräte ein und besorgen noch das ein oder andere. Bei der Speed Queen versenken wir noch schnell all unser Münzgeld und waschen und trocknen, was das Zeug hält.

„Waschtag!!!“

„Waschtag!!!“

Etwas schwieriger ist es, einen kleinen Drucker zu bekommen. Wir wollen ganz gerne unabhängig sein, um alle Einklarierungspapiere immer parat zu haben. Nach einiger Recherche wissen wir auch genau, was wir wollen. Und wir wissen auch, wo es das geben soll, was wir haben wollen. Aber leider bedeutet ein »in stock« oder »disponible« auf einer spanischen Shop-Webpage nicht zwangsläufig, dass dieses Druckermodell dort auch tatsächlich erworben werden kann. »In stock« oder »disponible« kann mehrere Bedeutungen haben und übersetzt sich treffender mit der Aussage: »In diesem Laden gibt es Drucker, einige Modelle können direkt käuflich erworben werden, einige müssten bestellt werden, doch das geht nur mit denen, die es schon mal geschafft haben, in ein kanarisches Lager zu kommen, und wieder andere ergänzen lediglich das Angebot auf der WebPage, sind aber leider gerade aus«.

„Einkaufstouren, die Fahrräder sind Gold wert.“

„Einkaufstouren, die Fahrräder sind Gold wert.“

So hangeln wir uns mit unserem radebrechenden Gemisch aus englisch-spanischen Halbsätzen durch ganze Mannschaften von Verkäuferinnen und Verkäufern, werden weitergereicht, manchmal verstanden, aber meist bleiben doch Teile unseres Wunsches irgendwie im Dunkeln. Die Spanier sprechen leider nicht ganz so selbstverständlich Englisch wie die Portugiesen. Doch es ist zugegeben auch nicht ganz so einfach, denn wir wollen den kleinsten HP Drucker, den aber ohne HP+, also ohne das »e« in der Typenbezeichnung. Das passt vielleicht auch nicht ganz in die Vermarktungsstrategie von HP, die ja mehr an einem geldwerten Folgegeschäft interessiert sind, als an einer problemlosen Druckfunktion.

Volle drei Tage versuchen wir in verschiedenen Elektronikläden immer wieder unser Glück und erfahren dann, dass unserer Wunsch schon am ersten Tag hätte in Erfüllung gehen können, wenn wir gewußt hätten, dass gleich in der ersten Nachbarstraße hinter unserem ersten Misserfolg das Hauptgeschäft des Shops liegt, der nun fast unseren Wunsch in Erfüllung gehen lassen kann. Aber kein Problem, gleich Montag wird ein Fahrer den gewünschten Drucker in die Filiale bringen.

Wir wähnen uns am Ziel. Doch am Montag wird uns stolz eine Tonerkartusche für eben den Drucker präsentiert, der es sein soll. Wir zeigen uns begeistert von so viel Engagement, erklären aber noch einmal, dass wir nun doch noch zu eben genau dieser Tonerkartusche nur noch la Impresora, also das Druckerchen drumherum brauchen. Es folgt eine besorgte Recherche, die von unseren besorgten Blicken sorgenvoll begleitet wird. Aber siehe da, im Lager des Hauptgeschäftes steht »disponible« und schon in einer Stunde soll das Druckerchen mit dem nächsten Fahrer in der Filiale eintreffen.

Der Sicherheit halber, so ganz klar ist unser Wunsch wohl immer noch nicht rübergekommen, stehen nach 1 1/2 Stunden gleich zwei Drucker auf dem Tresen. Einer mit und einer ohne »e«. Freudenstrahlend wird uns der mit »e« übergeben, doch die Capitana passt auf und besteht auf dem ohne »e«. Der ohne »e« ist zwar etwas teurer, muss aber auch nicht immer erst einmal bei HP nachfragen, ob er denn nun noch drucken darf oder nicht. Das hat Vorteile, wenn man unterwegs ist und nicht immer »always on« sein kann.

„Noch ein paar .... und dann druckt es! “

„Noch ein paar …. und dann druckt es! “

Und schon nach weiteren drei Stunden gelingt es der Capitana, den Drucker zum Drucken zu bewegen, was ohne Internet schon mal gar nicht gelungen wäre. Immer mehr Hard- und auch Software setzt wie selbstverständlich voraus, dass man ständig mit großen Bandbreiten online ist. Das ist schon ziemlich ignorant. Und das, was die Capitana während der Installation so vor sich hin murmelt, ist zwar eindeutig, aber nicht ganz jugendfrei, und muss deswegen an dieser Stelle unerwähnt bleiben. Aber dann druckt der Drucker mit und ohne Internet einfach so, wie es Drucker früher auch schon getan haben.


Und wer sich nun fragt, was wir sonst noch so gemacht haben, dem sei versichert, dass wir bisher wirklich keine freie Minute hatten. Da ist nämlich noch dieses Ding mit den Handy- und Internetkosten. Da Vodafone Deutschland sich ja das EU-Roaming mit 2,36 € pro GB extra bezahlen lässt, wenn man mehr als 8 Wochen am Stück im EU-Ausland ist, haben wir unsere bestehenden Handyverträge ja gekündigt. So weit so gut, auch wenn nun die Vodafone Hotline täglich anruft.
Aber auch der Kauf einer Datenkarte hat so seine Tücken. Simyo hat zwar ein prima Angebot, aber leider funktioniert gerade der Computer nicht und die promoteten Wifi-HotSpots sind leider auch gerade aus. Doch vielleicht Miércoles, denn morgen ist ja Fiesta Patria, da geht eh nichts. Nun gut, es gibt ja auch noch andere Anbieter. Die Zeit drängelt nämlich, denn ab dem siebten sollten wir alternativ online sein. Am Ende kriegen wir dann bei Movistar 210 GB für 20 €. Ein Weihnachtsangebot, dass wir nicht ausschlagen können. Damit können wir auch gleich noch einmal alle Handys, Notebooks und iPads updaten und die WM gucken, auch wenn uns das eigentlich nicht wirklich interessiert.

„Und immer wieder einkaufen und andere Besorgungen.“

„Und immer wieder einkaufen und andere Besorgungen.“

Wider Erwarten ist unsere Gasversorgung dann vollkommen einfach. Wir tauschen die Disa-Flasche problemlos an einer Tanke und freuen uns, dass die 6 kg Butan sogar noch einen Euro preiswerter geworden sind. Bei der Energiekrise hatten wir sehr mit der anderen Richtung gerechnet, aber alles müssen wir auch gar nicht verstehen. Nun müssen wir nur noch umfüllen, aber das machen wir lieber mal zu einer ruhigen Stunde auf einem ruhigen Ankerplatz.


„Der kleine Advent bei uns.“

„Der kleine Advent bei uns.“

Und dann bleibt noch die Erweiterung unseres Versicherungsschutzes auf die neuen Fahrtgebiete Kap Verden, Karibik und USA. Das ist ein teurer Spaß, der zudem noch einigen Einschränkungen in der Hurrikansaison unterliegt. Dennoch wollen wir nicht ohne Kaskoversicherung fahren, gerade weil wir wissen, dass viele andere nur mit sehr eingeschränktem oder gar keinem Versicherungsschutz unterwegs sind. Hätte uns der Dreimaster damals hinter Culatra versenkt, hätten wir die PINCOYA verloren und unsere Reise wären damals schon ein für alle Mal zu Ende gewesen. Das Risiko wollen wir auch zukünftig nicht eingehen, deswegen beißen wir in den sauren Apfel und versichern unsere dicke Erna auch für die neuen Fahrtgebiete.

„Den großen Advent gibt's im Shopping-Center.“

„Den großen Advent gibt's im Shopping-Center.“


In Puerto del Rosario hören wir dann von einem Norweger die vielleicht plausibelste Erklärung für die Orca- Attacken. Begonnen hat ja alles vor Galizien und es ist ja inzwischen auch kein Geheimnis mehr, dass nicht jeder Fischer nur Fische vor der spanischen und portugiesischen Atlantikküste fischt. Paketweise wird dort Kokain von vorbeifahrenden Frachtern zu verabredeten Zeitpunkten ins Meer geworfen. Wahrscheinlich haben die beiden jungen Orcas von einem dieser Pakete genascht und dann vollkommen stoned die erstbeste Yacht angefallen. Und da die Burschen ja intelligent und vor allem kommunikationsfreudig sind, hat sich die Sache und natürlich auch der Spaß schnell rumgesprochen. Und nun machen auch schon Mama- und Papa-Orca mit und auch Oma- und Opa-Orca genießen die Abwechslung zur Thunfischjagt.


Und während der Schiffsjunge brutal lustige Blogs schreibt, blüht die Capitana förmlich in ihrer neuen Berufung als Proviantmeisterin auf. Schon ein flüchtiger Blick reicht, um dem Schiffsjungen jede Furcht zu nehmen, unterwegs zu verhungern. Und an dieser Stelle zahlen sich die fundierten Kenntnisse der Capitana im Projektmanagement endlich einmal in wirklich essenziellen Dingen des täglichen Lebens aus. Nicht nur die Einkaufslisten sind digitalisiert, auch ein Essensplan steht und selbst die Lagerung ist lückenlos digital dokumentiert. Der einzige Unsicherheitsfaktor wäre, wenn wir nun doch einen Fisch fangen, dann müsste der Speiseplan spontan umgestellt werden. Doch einer artgerechten Haltung des Schiffsjungen steht absolut nichts mehr im Wege, auch weil ganz speziell der Lagerort von Pfeffernüssen und Lebkuchen zielgerichtet und leicht zu erreichen ist.

„Unsere Versorgung!“

„Unsere Versorgung!“


Insgesamt sind wir nun schon 8 Tage in Puerto del Rosario. Das ist bei einer Hafengebühr von 12 € zu verschmerzen, doch es nervt schon, dass ein Wetterwechsel ständig 3 bis 4 Tage in der Zukunft liegt. Weihnachten wollen wir auf El Hierro verbringen, doch es steht in den Sternen, wie wir mit den aktuell vorherrschenden Winden dorthin kommen sollen. Klar könnten wir motoren, das wäre bei einem Dieselpreis von 1,35 € auch noch zu verschmerzen. Aber motoren nervt und schließlich ist unsere dicke Erna ja auch ein Segelschiff. Aufgrund der doch recht schwierigen Windverhältnisse haben wir seit Mitte Oktober eh schon mehr Motorstunden gehabt als das ganze übrige Jahr. So kann und darf das nicht weitergehen.

„Ein gewisses Ungleichgewicht ist da nicht zu übersehen.“

„Ein gewisses Ungleichgewicht ist da nicht zu übersehen.“

Puerto del Rosario ist keine spektakuläre Stadt und das oft trübe und regnerische Wetter, das von den Tiefs doch immer wieder bis nach Fuerteventura geschoben wird, regt nun auch nicht gerade zu irgendwelchen Landausflügen an. Aber wir sind fertig und vollständig verproviantiert. So heißt es nun warten, bis uns mal ein Wind etwas weiter nach Süden kommen lässt.

03. -> 08.12 Puerto del Rosario
28° 29′ 45,5″ N, 013° 51′ 29,5″ W