Auf Warteposition


Die Idee zurückzufahren wird nicht unattraktiver
Da liegen wir nun in der Marigot Bay und sind bis dato mit der Karibik noch nicht wirklich warm geworden. Wahrscheinlich ist es auch die Kombination aus all den Ereignissen und unseren doch recht blauäugigen Erwartungen an die Karibik. Wir haben wirklich und allen Ernstes geglaubt, dass wir mit einem Bimini bestens gerüstet sind. Also wegen der vielen Sonne hier, die ewig versucht, einem das Hirn aus der Birne zu brennen. Das war wohl unser Kardinalfehler, denn außer solchen Anfängern wie uns hat hier jeder Seitenteile unter seinem Bimini. Also so eine Art Kuchenbude light. Als Sonnenschutz, aber vor allem auch als Regenschutz.

„Dieser Regen würde in anderen Teilen der Welt eher gebraucht.“

„Dieser Regen würde in anderen Teilen der Welt eher gebraucht.“

Und natürlich haben fast alle auch ein großzügiges Vorschiffzelt. Diese »Kleinigkeiten« hätten uns viel Hektik und vor allem viel Regen im Cockpit erspart. An manchen Tagen hetzt man im Halbstundentakt durch sein Schiff, um ständig wieder alle Luken zu schließen. Denn gleich nach dem Regen muss man sie ja auch wieder öffnen, um wenigstens etwas Luft ins Schiff zu bekommen. Vor allem hätten die Seitenteile das Cockpit wieder zu einem nutzbaren Platz werden lassen. Der wahre Vorteil von Katamaranen liegt nicht darin, dass sie vor Anker nicht rollen, sie bieten durch ihre Breite einfach viel mehr trockenen Lebensraum.

„Tja ... 🫢“

„Tja … 🫢“

p.s. einige Tage später:
Hinter uns liegt nun ein echter Karibik-Profi aus Kanada. Er hat sogar für seine Seitenfenster im Rumpf (!!!) kleine Markisen genäht 😂. Das macht wirklich den Unterschied. Wir sind tief beeindruckt. 👍

Doch die Karibik tut weiterhin alles, um uns den Abschied wirklich leicht zu machen. Bis einschließlich Ostersamstag, also praktisch die gesamten ersten 2 Wochen, die wir in der Marigot Bay liegen, bläst und schüttet es ohne Ende. 15 bis 20 kn Wind sind Standard, was natürlich auch für die entsprechenden Wellen sorgt, denn die Marigot Bay ist alles, aber nicht geschützt. Teilweise ziehen auch Gewitter durch und wir erleben Regenwalzen, die ihres Gleichen suchen. Jede auch noch so kleine Einkaufstour endet spätesten ab dem Verlassen des Supermarktes im Schüttregen, die Abholaktion unseres Iridium GO! wird für alle Zeiten legendär bleiben! Erst jetzt, in der dritten Woche, wird es etwas besser und es gibt auch mal den ein oder anderen wirklich schönen Tag.

„Wenn es nicht regnet, bleibt es windig.“

„Wenn es nicht regnet, bleibt es windig.“

Ein klarer Indikator, dass zu viel Wind die Gemütlichkeit trübt, ist übrigens, wenn der Wind das Notebook zuklappt, während man gerade schreibt. Es gibt ja durchaus mal einige regenfreie, aber eben nicht windfreie Stunden. Doch die Idee, sich dann mit einem Getränk auf’s Vorschiff zu setzen, um gegen seinen Frust anzubloggen, birgt einige bisher nicht bedachte Probleme.
Erstens ist da dieses Notebookproblem und zweitens führt die Idee, sich ein Getränk mitzunehmen dazu, dass man nur noch eine Hand zum Tippen frei hat, denn die Dose Bier mag schon in vollem Zustand nicht mehr alleine stehen. Eine Getränkehalterung, die man in die Reling einhängen kann, hilft da auch nur bedingt, verringert aber die Sauerei. Wenn die Halterung ausweht, ergießt sich das Bier größtenteils auf’s Sülbord, wo der nächste Regen es ja im Handumdrehen wieder wegspült.
So ist die Haltung des schreibenden Bloggers doch irgendwie verkrampft. Zwischen den Beinen klemmt das aufgeklappte Notebook, die Linke versucht die Dose Bier zu sichern und der kleine Finger der Rechten ist unnatürlich abgespreizt, um das Zuklappen des Notebooks während des einhändigen Schreibens zu verhindern. Es handelt sich um ein einhändiges Vierfingersystem, was den Autoren dieses Blogs schon bei Großbuchstaben vor eine fingerakrobatische Herausforderung stellt. In einem unbedachten Moment kippt dann die Bierdose doch um und das auch gleich so blöd in Richtung Luke, dass das auslaufende Bier es bis ins Schiff schafft, wo es auf den Teppich dröppelt. Der fromme Wunsch unter Seglern: »Immer eine Handbreit Bier in der Dose.« hilft also nur bedingt, da halbvolle Bierdosen schon ab etwa 3 Beaufort nicht mehr allein stehen können. Jeder Vergleich mit Menschen ist im Übrigen unlauter 😇. Während der Schiffsjunge wortlos zum Putzen zurück unter Deck geht, entstehen in seinem Kopf erste Pläne zu einer Starkwindgetränkehalterung für’s Vorschiff. Es ist immer etwas zu tun!

„Abends wird es meist ruhiger.“

„Abends wird es meist ruhiger.“


Es ist zum Platzen!
Zwischendrin laufen die Vorbereitungen. Etwas ruhigere und vermeintlich regenfreie Stunden nutzen wir zum Einkaufen. Mit dieser Idee sind wir allerdings nicht allein. Am Dinghy Dock geht es zu wie in einem Taubenschlag. Teilweise liegt man schon in der zweiten Reihe. Wir warten, bis eine Lücke frei wird. Das ist nicht ganz einfach, denn wie an einem verkaufsoffenen Samstag in einer deutschen Innenstadt muss man auch hier seine Parklücke verteidigen. Immer wieder versuchen irgendwelche Hasardeure, sich Kraft ihres Außenborders von hinten dazwischenzudrücken. Dies hätte uns ein Warnung sein können, denn wir hätten uns an Saint Anne erinnern können. Dennoch parken wir unser Dinghy in der Mitte des Dinghy Docks. Das ist ein Fehler, denn genau hier ist eine Leiter und genau hier versuchen alle einzuschlagen. »Einschlagen« trifft die Anlandeaktionen der schweren Ribs schon ganz gut, denn fast alle versuchen sich einfach mit Gewalt bis nach vorn voranzuquetschen. Wir sind einfach zu blöd, um eins und eins zusammenzuzählen, denn ein plattes Dinghy hängt schon am Dinghy Dock in den Seilen.

„Auf dem Weg zum Einkaufen.“

„Auf dem Weg zum Einkaufen.“

„Nach dem Einkaufen 😤“

„Nach dem Einkaufen 😤“

Und als wir von unserem Einkauf zurückkommen, sind es zwei. Unser altes Dinghy ist zwar noch nicht ganz so schlimm zugerichtet wie das andere, aber die gesamte vordere Kammer ist platt. Die zweite Naht ist nun auch auf etwa 15 cm geplatzt. Die reparierte hat oh Wunder gehalten. Das rücksichtslose Gedrängel muss unserem Dinghy einfach zu viel gewesen sein, solche Stöße halten altersschwache Nähte nicht mehr aus.

Selbst wenn wir den Blasebalg mitgenommen hätten, hätte der uns bei einer aufgeplatzten Naht nun auch nicht mehr geholfen. Aber die beiden äußeren Kammern haben noch leidlich Luft. Die verlieren zwar auch einiges an Druck, wenn der Gegendruck aus der vorderen Kammer fehlt, doch zusammen mit dem Luftboden könnten wir es vielleicht zurück zur PINCOYA schaffen. Gott sei Dank haben wir ja auf der Rückfahrt Rückenwind und fahren weitgehend mit den Wellen. So könnten wir es schaffen, nicht allzu viel Wasser über den Bug zu nehmen. Allerdings nur, solange uns nicht eines dieser bekloppten Powerboats in die Quere kommt.

„Ganz vorsichtig geht es los.“

„Ganz vorsichtig geht es los.“

Als Gewichtstrimm laden wir all unsere Einkäufe nach hinten und stopfen alles, was nicht nass werden darf, in die Rucksäcke. Im Schneckentempo geht es los. Auch wir sitzen ganz hinten und Astrid zieht an der Bugleine wie beim Rodeo-Reiten am Zaumzeug des wilden Bullen. Nur dass wir keinen wilden Ritt hinlegen, sondern alles eher in Zeitlupe abläuft. Schon nach wenigen hundert Meter kommen uns Anna & Reinhard entgegen. Etwas abseits zwar, aber wir winken zaghaft. Nur nicht zu doll, sonst gluckern wir noch gleich ab. Gott sei Dank interpretieren sie unser zartes Winken als Hilferuf, denn einen wirklich hochseetauglichen Eindruck erwecken wir gerade wohl nicht mehr. Sie kommen längsseits. Astrid steigt um und auch ein Großteil unserer Einkäufe findet noch Platz. Und schon saust der Shuttle-Service los. Und der Schiffsjunge plätschert ihnen ganz gemächlich allein hinterher.

„Wenigstens kommen die Wellen von hinten“

„Wenigstens kommen die Wellen von hinten“

„Da kommt der Schiffsjungen angeplätschert“

„Da kommt der Schiffsjungen angeplätschert“

Irgendwann ist es geschafft, wir binden die schlappen Überreste unseres einst so stolzen Gummibootes wieder hinten an die PINCOYA und sichern erst einmal die letzten Einkäufe. Erst vor zwei Tagen haben wir die Räder wieder an den Spiegel geschraubt. Die hatten wir auf Guadeloupe leichtsinnigerweise schon abgeschraubt, als wir dachten, dass wir nur mal eben unser neues Gummiboot abholen. Hinterher ist man ja meist doch schlauer und da unser altes Gummiboot nun noch wenigstens bis Europa durchhalten muss, haben wir die Räder wieder angeschraubt. Es ist zum 🤮! Nun hängt schon wieder so ein Gummiboot-Zombi aus dem Reich der halbtoten Gummiboote hinten an unserem Heck.

„Da hängt es nun...“

„Da hängt es nun…“

Auf ihrem Rückweg schauen Anna und Reinhard noch mal bei uns vorbei. Er hätte noch Glasfasermatte, müsste aber etwas suchen. Das ist die Idee! Genial! Wieso sind wir da nicht schon mal selbst drauf gekommen? Glasfasermatte haben wir auch 👍 und suchen müssen wir genauso wie Reinhard! Im Grunde genommen kann die Matte nur an zwei Stellen liegen, d.h. wir haben sie schon so gut wie gefunden. Natürlich! Man kann geplatzte Gummibootnähte auch dauerelastisch mit Glasfasermatte und einem MS-Kleber »laminieren«. Was für eine geile Idee! Ich sage zu der Pampe ja fast immer Sikaflex, auch wenn es kein Polyurethan-Zeugs ist. Das ist so ähnlich ist wie mit Tempo, obwohl man sich die Nase doch nur mit Küchenpapier putzt. Aber eigentlich ist es ja MS-Polymer-Kleber. Klebt wie Sau und bleibt dauerelastisch. Eine Kartusche »transparent« haben wir noch, das würde sogar ganz hübsch aussehen 😂.

„Wie oft schon? Hoffentlich das letzte Mal.“

„Wie oft schon? Hoffentlich das letzte Mal.“

Gesagt getan. Unser altes Gummiboot hieven wir noch am selben Nachmittag wieder einmal zur Reparatur auf das Vorschiff. Erst verkleben wir die Naht so, dass alles wieder halbwegs dicht ist. Die erste Klebung lassen wir über Nacht durchgelieren, danach pumpen wir an. Zum Laminieren muss die Kammer schon etwas praller sein und nicht nur schlapp abhängen.

„Die geplatzte Naht wird zur Verstärkung zu laminiert.“

„Die geplatzte Naht wird zur Verstärkung zu laminiert.“

„Perfekt!!!“

„Perfekt!!!“

Dann kommt zur Stabilität noch eine Lage Pampe drüber, in die wir die Matte drücken. Abschließend gibt es noch eine Schicht Kleber damit die Matte schön eingepampt ist und der Flicken auch geglättet werden kann. Mit diesen Arbeitsschritten gehen mal eben 1 1/2 Tage ins Land, aber danach haben wir wieder ein pralles Gummiboot, dass auch wieder richtig dicke Backen machen kann. Und obendrein sieht das alles auch noch ganz solide aus. Damit sollten wir die Saison überstehen. Und wenn nicht, besorgen wir uns noch etwas MS-Klebepampe, denn Matte haben wir noch ausreichend.

„Und das Wetter gibt sich mal von seiner besten Seite.“

„Und das Wetter gibt sich mal von seiner besten Seite.“


Wir nähen uns eine Wetterversicherung
Als sich unser erstes Wetterfenster für die Überfahrt schon mit der nächsten Vorhersage stikkum aus dem Staub macht, ist es soweit. Wir haben noch einige Meter Sunbrella-Stoff an Bord und 2,5 Meter davon werden wir nun zu einer Regenversicherung verarbeiten. Wir nähen uns ein Vorschiffzelt, denn inzwischen haben wir die Faxen echt dicke, ewig für ein »Luken auf« und »Luken wieder zu« aufzuspringen. Und eins ist sicher, wenn wir das Vorschiffzelt am Start haben, wird es auch nicht mehr regnen❗️

„Der erste Zuschnitt unserer Wetterversicherung.“

„Der erste Zuschnitt unserer Wetterversicherung.“

Ein Trapez von 2 x 2,10 auf 1 m sollte reichen. Damit verschwindet die Vorschiffsluke unter dem Zelt, und die beiden kleinen Luken liegen wenigstens im Wind- bzw. Regenschatten, wenn der Wind von vorm kommt, was er ja auch meist tut, wenn man vor Anker liegt. Doch dieses Trapez hat nicht wirklich Maße, die man in einem Schiff wie der PINCOYA noch gut verarbeiten kann. Irgendwelche Arbeiten an Deck scheiden aus, denn der ständige Wind ist einfach zu stark. Außerdem ist unsere Regenversicherung ja auch noch gar nicht fertig, deswegen wird es bestimmt auch nicht nur bei dem Wind bleiben 🙄.

„Unter Deck ist es schon etwas eng...“

„Unter Deck ist es schon etwas eng…“

Egal, wie wir die Stoffbahnen drehen und wenden, der Platz unter Deck reicht vorn und hinten nicht, um irgendetwas mal gerade und glatt hinzulegen. Wir messen, zeichnen an, schneiden, kleben und nähen. Es ist eine ziemliche Fummelei und immer wieder müssen wir die Bahnen mal so und mal so herum drehen, um alles wenigstens halbwegs gerade anzuzeichnen und zu zuschneiden. Einhand wären schon die Vorbereitungen unmöglich, und dann braucht es wenigstens vier Hände, um das Trapez durch die Nähmaschine zu führen und auf der anderen Seite wieder abzunehmen. Dazu muss die Seite, die unter dem Arm der Maschine durch soll, aufgerollt werden.

Bei gut 30° unter Deck eine schweißtreibende Angelegenheit. Das Band für die Kante ist besonders störrisch. 7,5 m an einem Stücke einmal ringsherum. Dann ist es geschafft, am Abend ist wenigstens das Trapez schon mal fertig. Kurz nach Sonnenuntergang legen wir es probehalber auf dem Vorschiff aus. Im Groben und Ganzen scheint es gut zu passen, doch es fehlen noch einige »Kleinigkeiten«. Schlaufen, Verstärkungen, Ösen und in der Mitte soll eine Segellatte eine Art Giebel bilden. Dafür müssen wir auch noch von unten eine Segellattentasche aufnähen. So wie bei unseren Bimini, seitdem läuft dort der Regen gut ab, ohne eine Pfütze zu bilden. Eine Segellatte haben wir zwar nicht an Bord, aber zuhause im Keller liegt noch eine.

„Letzte Handgriffe ...“

„Letzte Handgriffe …“

Als am nächsten Tag alles fertig ist, schlagen wir noch einige Ösen ein. Dann spannen wir unser neues Vorschiffzelt ab. Alles sitzt auf Anhieb perfekt. Genauso hatten wir es uns vorgestellt. Doch nun ist weit und breit keine echte Regenwolke mehr zu sehen. Am frühen Morgen haben noch einige dunkle Wolken im Osten über Insel geschaut. Die ziehen nun aber im Westen als abgemagerte Tuffiwolken ab.

„Unsere Regenversicherung ist fertig.“

„Unsere Regenversicherung ist fertig.“

Unsere Regenversicherung scheint zu wirken 😂. Aber für einen Windtest reicht es allemal. Gut abgespannt sind Böen mit 20 kn schon mal kein Problem. Aber was ist nun mit Regen? Bisher hat es ständig geregnet und nun stehen wir da und ein echter Praxistest scheint in weite Ferne gerückt zu sein.

„Und was ist nun mit Regen? 😂“

„Und was ist nun mit Regen? 😂“

Erst in der Nacht hören wir plötzlich einige Tropfen. Kein richtiger Schüttregen, aber dennoch schön gleichmäßig. Jippy, ein erster Test! Wir springen auf und stecken unsere Köpfe aus der geöffneten Luke unter dem Zelt. Einige Schauerböen begleiten den Regen, aber ein echter karibischer Regen ist das nun wirklich nicht. Nichts im Vergleich zu den letzten Wochen und Monaten. Aber … wir bleiben schon mal trocken. Ein voller Erfolg, die Luke kann geöffnet bleiben und so weht nun auch weiterhin eine kleine Brise durch die PINCOYA. Zufrieden schlafen wir wieder ein. Dann noch ein Schauer, wie gut ist das denn? Auch diesmal bleibt alles trocken, obwohl die Luken weit geöffnet sind. Wenn wir uns nun noch Seitenteile für’s Cockpit nähen, wären wir gut gerüstet, falls es uns noch einmal in die Karibik verschlagen sollte.

Marigot Bay IV, Saint Martin
18° 03′ 49,5″ N, 063° 06′ 05,7″ W