Eigentlich könnte es losgehen …


Mitte April
… doch seitdem es sich ein fettes Tief mitten auf dem Atlantik bequem gemacht hat, sieht es nicht mehr so gut für unser Wetterfenster aus. Das war Anfang April durchaus schon mal anders, aber da waren wir noch nicht soweit. Seit Tagen ist nun schon keine Bewegung mehr in der ganzen Sache. Der Jetstream beult sich bis fast zu den Kanaren aus und in dieser Schlaufe körselt das Zentrum des Tiefs selbstvergessen vor sich hin. An diesem Tief perlt einfach alles ab, egal, was sich im Westen so tut. Schön wäre ein Hoch im Süden, auf dessen Westseite wir nach Norden kommen, um dann nördlich zu unserer Überfahrt anzusetzen. Für diese Jahreszeit wäre das auch eine durchaus übliche Konstellation, aber das Hoch ist auch nur noch ein Schatten seiner selbst und wagt sich höchstens mal mit einer mickrigen Hochdruckrinne etwas vor. Grundsätzlich ist so ein Tief mit seinem auf der Nordhalbkugel ja gegen den Uhrzeigersinn laufenden Winden nicht das Schlechteste, aber wenn es über den Azoren liegt und schon im Mittel schon einen Wind von 30 oder 35 kn Wind bereithält, dann ist in Böen noch deutlich mehr drin. Mit solch einem Wind und den dazugehörigen Wellen wollen wir gar nicht in Richtung der Azoren unterwegs sein. Das ist etwas für Profis, aber nichts für uns und unsere dicke Erna.

„Dieses Tief versperrt alles.“

„Dieses Tief versperrt alles.“

So bleibt uns nur abzuwarten, auch wenn das zunehmend nervt. Und ab und an merken wir, dass wir beginnen, uns die Wettervorhersagen schön zu reden. Doch Ungeduld ist ein schlechter Ratgeber, das haben wir ja inzwischen auch gelernt. Auch wenn Geduld zu haben nicht wirklich einfach ist.


Grundsätzlich kann man den Wettervorhersagen ja so ungefähr vier Tage trauen. In diesem Zeitraum sind sich die wichtigen Modelle auch weitgehend einig, wenn es darum geht, wie es werden soll. Alles was danach kommt, kann so kommen, muss aber nicht. Wenn man mal die verschiedenen Modelle ab dem 5ten Tag durchklickt, dann bekommt man schnell ein Gefühl dafür, wie verlässlich das Ganze ist. Da unsere Überfahrt allerdings so um die 20 Tage dauern wird, vielleicht sogar etwas länger, wenn wir Gegenwind oder ein Flautenloch erwischen, müssen wir 3/4 der Strecke das Wetter ohnehin so nehmen, wie es dann kommt. Doch es ist psychologisch eben auch schon mal ganz nett, wenigstens mit einer guten Perspektive in die ersten 4 Tage zu starten. Über den Iridium GO! exec werden wir dann alle 2 Tage ein 4-Tage-Wetter abrufen und versuchen, in einem moderaten Windbereich nach Osten voranzukommen. Mal etwas weiter südlich, mal etwas weiter nördlich. Doch solange so ein dickes Tief den Nordatlantik blockiert, warten wir lieber noch mal etwas ab.

Die ARC Europe geht über die Bermudas. Dort treffen sich dann auch die Starter aus Nordamerika und aus Saint Martin. Grundsätzlich sind die Bermudas in der Tat eine Option. Auch für uns, obwohl wir eigentlich lieber direkt gehen wollen, ohne die Bermudas noch mitzunehmen. Doch wenn man »eine Ecke« über die Bermudas reinsegelt, kann das auch Vorteile haben. Man hat es dann mit zwei Überfahrten zu tun, die eine führt einen dann erst in den Norden und die zweite dann nach Osten. Das kann aufgrund der Wetterkonstellationen mit einem »Break inbetween« auch einfacher sein. Ausschließen wollen wir das für uns nicht, lieber wäre es uns aber schon, wenn wir direkt segeln könnten.


Mit dem Iridium GO! exec können wir uns aufgrund der höheren Übertragungsrate ein Grib für den ganzen Nordatlantik runterladen. Genauer gesagt, nicht nur Nordatlantik, sondern auch noch einen Streifen von Nordamerika, da ja dort genau das neue Wetter geboren wird, was uns dann auf dem Nordatlantik einholt. Diese Möglichkeit zu haben, war uns wirklich wichtig und hat uns am Ende auch davon überzeugt, die nächste Generation des Iridium GO! zu nehmen.

„4 Tage, 12 Stunden Intervall, ein Modell (Wind, Druck, Wellen), 50 km Auflösung, 718 kB“

„4 Tage, 12 Stunden Intervall, ein Modell (Wind, Druck, Wellen), 50 km Auflösung, 718 kB“

Mit der Übertragungsrate des originären Iridium GO! war überhaupt nicht daran zu denken, so große Gribs herunterzuladen. Viele Cruiser berichten, dass mit dem alten Iridium GO! Grib-Schnipsel von 100 kB schon eine echte Herausforderung sind und ewig dauern. Aber mit so einem kleinen Grib-Schnipsel bekommt man keinen Überblick und schon mal gar keine Hinweise, was einen vielleicht in einigen Tagen erwarten könnte. Doch es ist essentiell, Reaktionszeit zu haben, um ggf. seinen Kurs anzupassen. Deswegen haben wir auch nie ernsthaft über die »alte« Iridium GO! Lösung nachgedacht. Der Nutzen schien uns einfach im Vergleich zu den Kosten nicht gegeben zu sein.

„4 Tage, 12 Stunden Intervall, ein Modell (Wind, Druck, Wellen), 50 km Auflösung, 97 kB“

„4 Tage, 12 Stunden Intervall, ein Modell (Wind, Druck, Wellen), 50 km Auflösung, 97 kB“

Das ist nun mit der neuen Generation definitiv anders und wir haben inzwischen einen Weg für uns gefunden, der die Kosten wirklich nur auf die Air-Time, also den Dataplan beschränkt. Alles andere kann man umgehen und sich ersparen. So sind wir nun für 139 € pro Monat dabei und können ohne Zusatzkosten die Karte aktivieren oder deaktivieren, so wie wir es brauchen. Für unsere Überfahrt bedeutet dies, dass wir insgesamt 280 € für 2 Monate Sat-Wetter bezahlen. Wenn man nicht ständig über den Atlantik bügelt, hält sich die Investition so tatsächlich in Grenzen. Ein Coaching wäre deutlich teurer.


Ende April
Inzwischen hat das Tief »seinen Stammplatz« in der Mitte des Atlantiks tatsächlich verlassen. Es ist wieder etwas Bewegung in das Wettergeschehen auf dem Atlantik gekommen. Das Azorenhoch ist zwar auch noch nicht zu neuer Höchstform aufgelaufen, aber im Grunde genommen stehen die Chancen für ein gutes erstes Wetterfenster gar nicht so schlecht.

„Marigot Bay“

„Marigot Bay“

Nach und nach kristallisiert sich das letzte Aprilwochenende als möglicher Abfahrtstermin heraus. Zunächst sind wir skeptisch, zu viel ist schon immer wieder dazwischen gekommen. Aber sowohl GFS wie auch ECMWF liegen in der Tendenz durchaus vergleichbar beieinander. Das ist auch schon mal ein gutes Zeichen.

„Am Dinghy Dock ist es auch voller geworden“

„Am Dinghy Dock ist es auch voller geworden“

„Restliche Versorgung“

„Restliche Versorgung“

Mittwoch erledigen wir unsere letzten Einkäufe und beginnen langsam mit dem Countdown. Gott sei Dank haben wir schon vieles vorab erledigt, so kommt keine Hektik auf. Donnerstag dann noch der zweite Ausflug zur Halbinsel, auf der La Belle Créole liegt. Und Freitag vorkochen, Rigg-Check und Abschied von Anna & Reinhard. Die beiden gehen Anfang nächster Woche erst einmal nach Panama, um dort die Hurrikansaison abzuwarten. Vielleicht treffen wir uns nächstes Jahr auf Porto Santo wieder. Die beiden kommen dann von Westen rüber und wir werden wohl auch wieder aus dem Norden in den Süden segeln. So groß ist die Welt ja nun auch wieder nicht 😂.


Auf unsere nächste Überfahrt freuen wir uns. Die erste hat keine Traumata hinterlassen. Ohne Frage kann wieder etwas schiefgehen, aber unser Vertrauen in unsere Möglichkeiten ist auch gewachsen. So gehen wir das »Crossing back« mal ganz entspannt an. Die Aussichten sind schon gut, nur die Laune ist noch besser.

„Morgen geht's los“

„Morgen geht's los“

Marigot Bay VI, Saint Martin
18° 03′ 44,8″ N, 063° 06′ 07,5″ W