Fishnish Bay and Port Ramsay, Lismore Island


Der Sonntag beginnt kalt, aber sonnig. Die Nacht war sternenklar und es sind nur 7° übrig geblieben. Windstill und unendlich ruhig liegt das Loch Na Droma Buidhe um uns herum, aber in der Vorhersage braut sich etwas zusammen.

„Da kommt einiges auf uns zu.“

„Da kommt einiges auf uns zu.“

Nicht nur ein Tief, sondern gleich eine ganze Reihe von Tiefs steht Schlange, um über Irland und Schottland herzufallen. Zwei oder drei Tage haben wir noch, doch dann sollten wir wieder ein gutes Versteck gefunden haben. Der Wind soll aus Süd über Südwest bis West kommen. Es wäre wahrscheinlich ganz schlau, wenn wir uns etwas weiter »innen« ein Plätzchen suchen, denn die westlichen Inseln Schottlands sollen ganz ordentlich einen auf die Mütze bekommen. Ist das eigentlich alles noch Segeln oder schon Krisenmanagement?

Doch heute ist erst Sonntag und mit etwas Glück gibt’s die Haue erst ab Dienstag oder Mittwoch. Und nun macht der Sonntag erst einmal seinem Namen alle Ehre, die Sonne scheint! Bevor wir in den Caledonian Canal gehen, müssen wir noch eine Einkaufstour in Oban einschieben. Mal sehen, wann das klappen könnte. Das größte Sauwetter brauchen wir dazu ja nun auch nicht. Es wäre schon gut, wenn wir unsere Einkaufstour wenigstens halbwegs trocken hinkriegen könnten. In einem ersten Wurf planen wir Ende der Woche in den Caledonian Canal zu gehen. Dass es dann am Ende noch einmal fünf Tage mehr werden, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.


Loch Na Droma Buidhe -> via Fishnish Bay, Sound of Mull -> Port Ramsay, Lismore
Distanz: 14,9 + 15,5 sm Gesamtdistanz 2023: 7.720,7 sm

„Da ist unsere Ankerboje wieder. Es geht von Loch Na Droma Buidhe -> in die Fishnish Bay“

„Da ist unsere Ankerboje wieder. Es geht von Loch Na Droma Buidhe -> in die Fishnish Bay“

Damit uns das ablaufende Wasser mitnimmt, brechen wir früh auf. D.h. es ist Hochwasser und das zeigt unsere Ankerboje auch dadurch an, dass sie weg ist 🫢. Da waren wir wohl doch etwas zu knauserig mit der Trippleine. Nachdem die Ankerboje wieder aufgetaucht ist und wir alles oben haben, motoren wir in Richtung Fishnish Bay. Dank des schottischen Wetters ist unsere Energiebilanz nicht mehr ganz so gut. Da bietet sich so eine Motorfahrt auch gleich mal dazu an, etwas Wasser zu machen.

„Blick in den Sonnenaufgang“

„Blick in den Sonnenaufgang“

„So ruhig kann der Ausgang des Loch Na Droma Buidhe auch sein“

„So ruhig kann der Ausgang des Loch Na Droma Buidhe auch sein“

„Langsam steuert uns die Capitana raus.“

„Langsam steuert uns die Capitana raus.“


Es bleibt windstill. Gemütlich und ruhig kommen wir in der Fishnish Bay an. Die Fishnish Bay liegt auf der Nordseite von Mull und ist von Ost über Süd bis West gut geschützt. Da wir den Wind eher aus Südost bis Süd erwarten, legen wir uns in die südöstliche Ecke. Seitdem unsere Ankerwinde wieder problemlos funktioniert, werfen wir unseren Anker wieder lieber in etwas tieferem Wasser. Das bewahrt uns vor Überraschungen, wenn die Vorhersage doch mal nicht so richtig stimmt. So lassen wir unseren Anker kurz vor Niedrigwasser auf 12 m fallen. Das ist vielleicht etwas übervorsichtig, aber so können wir bleiben, wo wir sind, auch wenn es doch wieder anders kommt als vorhergesagt. Große Ankertiefen bringen ja auch Ruhe mit sich, denn ein Meter unserer Kette wiegt rund 2 kg, so müssen bei 45 m Kette erst einmal 90 kg hochgehoben werden, bevor es wirklich am Anker zieht. Ein schöner Puffer.

„Im Sound of Mull“

„Im Sound of Mull“

„Auch die Schotten machen Holz, das erinnert schon etwas an Finnland“

„Auch die Schotten machen Holz, das erinnert schon etwas an Finnland“


Doch all das brauchen wir gerade nicht, denn das Wetter ist ein Träumchen. Das erste Mal seit den Azoren sitzen wir wieder auf dem Vorschiff und nehmen leicht bekleidet 😇 🤭 einen Aperitif. Vorher bringen wir allerdings noch schnell alles zum Trocknen an den Start, was seit Tagen und Wochen irgendwo klamm vor sich hin dämmert und hoffentlich nicht allzu sehr geschimmelt hat.

„Absolute Ruhe und warm ist es auch noch.“

„Absolute Ruhe und warm ist es auch noch.“

„Die Fishnish Bay“

„Die Fishnish Bay“

Nach einiger Zeit sehen wir, wie sich ein nicht nach Fischerboot aussehendes Schiff an der Fischfarm herumdrückt. Nach gut 30 Minuten nimmt es Kurs auf uns. Nicht direkt, sondern eher mit etwas Abstand. Unser Aperitivo, eine seit Frankreich fast vergessene Tradition, ist gerade aus, da schallt es zu uns herüber: »PINCOYA, please – channel 16!« Das zeichnet die Briten aus bzw. alle Officials hier, egal, ob sie englisch, schottisch oder walisisch sind. Für ein langgezogenes »please« ist immer Zeit und wenn man die Wettermeldungen und die Kanalankündigungen auf 16 hört, ist auch immer ein »good morning« oder »good afternoon« drin und vor dem »over« gibt es ein »goodbye« oder »wish you a pleasant watch«. Kleinigkeiten, die vielleicht als Floskeln abgetan werden können, aber nett sind sie trotzdem. – Und dabei wollen wir gar nicht an die deutsche WasPo denken, die einen Heidenspaß daran hat, nach fehlenden Ankerbällen von harmlosen Freizeitseglern zu suchen. – Nun gut, es ist glücklicherweise die britische Border Force. Wir hatten ja schon etwas über die Regularien nach dem Brexit geschrieben und unser Verständnis davon, und so haben wir es dann auch gemacht. Gekümmert hat das niemanden, so haben wir nach 24 h auch die gelbe Q-Flagge wieder runtergenommen und nur noch die schottische Gastlandflagge munter wehen lassen.

Der Officer ist absolut zuvorkommend und auch sehr geduldig, als wir sein schottisches Englisch über Funk nicht gleich verstehen. Mal spricht die Capitana, mal der Schiffsjunge. Das hängt immer davon ab, wer meint, irgendetwas verstanden zu haben. Für den Officer ist das schwierig, aber er ist ja auch »native speaker«. Die Capitana ist grammatisch korrekter, der Schiffsjunge … na ja, dafür aber meist schneller. Wann wir denn im UK angekommen wären und ob wir so ein Small Craft Report ausgefüllt hätten. »Logo«, die passende englische Übersetzung ist »Yes Sir, sure!« – Es dauert etwas, – »last port of call, please«, – unsere Aussprache von »Fahan, Lough Swilly« sorgt wohl für Verwirrung. Denn »lough« wird wie »lock« ausgesprochen und nicht wie »rough«. Das haben wir inzwischen auch gelernt. Der Schiffsjunge überlegt kurz, ob er nicht doch noch schnell die Koordinaten rübergeben soll. Zahlen sind eindeutiger als die Aussprache des Schiffsjungen. – Es dauert – wir wissen nicht, ob sie unseren Report am Ende finden oder auch nicht. Dann noch die Frage, ob wir »for pleasure« hier sind. Der Schiffsjunge verkneift sich gerade noch die Bemerkung »Yes Sir, despite of the weather…«, weil die Capitana ihn unsanft in die Seite boxt. Dann noch schnell die Frage nach unseren weiteren Plänen. Caledonian Canal, well, ok. Gut, dass uns hier nur die schottische Border Force aufgebracht hat, in Deutschland hätten wir wegen des fehlenden Ankerballs nun ein Verfahren am Hals. »Have a nice trip and goodbye, over«!

„Die Border Force“

„Die Border Force“


„Wie in Saimaa, der finnischen Seenplatte“

„Wie in Saimaa, der finnischen Seenplatte“

Der Abend erinnert uns wieder sehr an Finnland. In dem glatten Wasser spiegelt sich das Ufer im Abendlicht. Es geht sternenklar in die Nacht, aber am Morgen ist nichts mehr von dem tollen Sonnenwetter übrig geblieben. Die klare Nacht hat nur 7° zurückgelassen, unsere Heizung läuft schon wieder. Wenn das so weitergehet, müssen wir noch einmal Diesel bunkern, nur um zu heizen.

„Das Schottenwetter ist zurück“

„Das Schottenwetter ist zurück“

Viel passiert an diesem Tag nicht mehr. Er geht grautrüb vorüber. Wir machen eine Inventur unserer Vorräte. Zu bloggen gibt es nichts. Wen interessieren schon 2 kg eingeschweißtes Mehl aus der Karibik, die wir noch ganz unten finden. Gerne hätten wir etwas mehr zu Schottland, unseren Ausflügen oder Wanderungen gebloggt bzw. sie erst einmal gemacht. Oder einfach mal Photos ins Netz gestellt, die schon auf den ersten Blick als Farbphotos erkennbar sind. Doch was soll man bloggen, wenn sich die Tiefs im 2-Tagesrhythmus die Klinke in die Hand geben, uns zwischendrin ihre trübe Rückseite zeigen und wir uns ständig irgendwo verstecken müssen. Sicher ist das für den ein oder anderen Segler auch interessant, da man ja anhand der Koordinaten unsere Ankerplätze gut finden kann und sieht, wo und wie wir uns verstecken, um schlechtes Wetter abzuwarten. In diesem Versteckspiel haben wir ja inzwischen auch schon eine gewisse Routine entwickelt. Aber irgendwann wird so etwas ja auch langweilig.

„Inventur ...“

„Inventur …“

Wenn wir so überlegen, sind bisher vielleicht 10 oder 20% vom dem in Erfüllung gegangen, was wir uns von Irland und Schottland so versprochen haben. Dann kann man vielleicht noch an weitere 30% ein mit Kompromissen durchsetztes »Geht so« schreiben. Aber der Rest war echt Grütze. Einfach zum Vergessen. Das ist nicht gerade eine Quote, die prickelt.

„Die Wolken hängen tief, liegen aber noch nicht als Nebel auf 😶‍🌫️...“

„Die Wolken hängen tief, liegen aber noch nicht als Nebel auf 😶‍🌫️…“

Sicher haben wir seglerisch auch etwas mehr Erfahrung gesammelt, das schadet ja auch nicht. Ab und an war es ja durchaus auch etwas anspruchsvoller. Und mal abgesehen davon wissen wir nun auch genau, was uns an Schlechtwetterausrüstung noch fehlt. Ganz oben auf der Liste des Schiffsjungen stehen wasserdichte und vor allem warm gefütterte Handschuhe. Aber da gibt es noch einige Sachen mehr und auch einige Verbesserungen an der PINCOYA selbst. Die Liste ist nicht unendlich, aber doch recht lang.


Die nächste Wettervorhersage bringt dann auch keine Klarheit, wann wir denn überhaupt unsere Versorgungstour einschieben könnten. Unser Wunsch, dabei wenigstens halbwegs trocken zu bleiben, rückt in immer weitere Ferne. Ganz klar ist aber, dass uns das die nächsten drei Tage nicht gelingen wird. Weniger klar ist allerdings, wann es uns denn überhaupt gelingen könnte. Aber noch etwas anderes ist ziemlich klar, die Fishnish Bay ist für das, was da kommt, nicht wirklich optimal. Und da wir nicht in der Kerrera Marina dafür bezahlen möchten, dass wir abwarten, bis man mal wieder seine Nase rausstecken kann, beschließen wir, unser Versteckspiel am nördlichen Ende von Lismore Island, bei Port Ramsay fortzusetzen.


Lismore Island and Port Ramsay

„von der Fishnish Bay -> nach Port Ramsay“

„von der Fishnish Bay -> nach Port Ramsay“

Der Regen der letzten 24h war für die nächstgelegenen Mobilfunkantennen offensichtlich zu viel. Wo gestern noch die neuesten Vorhersagen ihre schlechten Botschaften mit 4G verbreiteten, geht heute nichts mehr. Obwohl man ja sagt, »no news are good news«, trauen wir dem Braten nicht. Außerdem ist ein Funkloch gleich noch ein Grund mehr zu verschwinden, denn ein 3-tägiges Versteck ohne Internet wäre dann tatsächlich etwas zu langweilig.

„Da kommt schon wieder so eine Husche... “

„Da kommt schon wieder so eine Husche… “

Unser Ziel ist Port Ramsay, eine Art Naturhafen. Dort gibt es zwar auch nichts außer Natur, aber ein Tapetenwechsel tut bei Wetterfrust auch mal ganz gut. Abgesehen davon liegt Port Ramsay weiter innen und sollte auch für die kommenden Windrichtungen gut geschützt sein.
Das ablaufende Wasser nimmt uns bis an den östlichen Eingang des Sound of Mull gut mit. Dann geht es für uns nach Nordosten und wir haben den Tidenstrom gegen uns.

„Wind, Regen und Sonne können auch etwas Hübsches zaubern“

„Wind, Regen und Sonne können auch etwas Hübsches zaubern“

„Immer wieder Regenwände“

„Immer wieder Regenwände“

Immer wieder beuteln uns heftige Schauer, aber die haben auch ordentlich Wind dabei. So merken wir den Gegenstrom gar nicht richtig. Und wenn die Sonne zwischen den Wolken herauskommt, entschädigt uns das Licht- und Regenbogenspiel.

„Und dann der hier ...“

„Und dann der hier …“

„Sommerlich geht anders ...“

„Sommerlich geht anders …“

Die Einfahrt zwischen die kleinen Inselchen und Felsen von Port Ramsay ist kniffelig, wenigstens bis man es das erste Mal gemacht hat. Wir versuchen, für die Einfahrt eine Zeit abzupassen, zu der es uns nicht ganz so doll beutelt und nehmen 2/3 der Genua weg. Aber auch der kleine Fetzen Segel bringt uns unserem Ziel immer noch viel zu schnell näher. Es ist ein nordisches Segeln. Kalt und nass und es pfeift mit bis zu 25 kn. Echt was für den Kenner!

„Tolles Tal, oder?“

„Tolles Tal, oder?“

Den Rest bummeln wir mit Motor dahin und warten noch eine dicke Schauerbö ab. Die haut richtig rein. Wir fahren in die östliche Bay von Port Ramsay. Laut Bob sollte die perfekt für uns sein.

„Die Einfahrt nach Port Ramsay“

„Die Einfahrt nach Port Ramsay“

„Port Ramsay“

„Port Ramsay“

Es ist fast Niedrigwasser und auf den Felsen, die nun aus dem Wasser gucken, liegen einige Robben und gucken uns zu. Zwei private Moorings liegen in der Bucht, das allerdings etwas mehr im Osten. So ist unser Wunschankerplatz frei. An der tiefsten Stelle der Bucht von Port Ramsay lassen wir unseren Anker auf 10 m fallen. Wenn alles so kommt, wie vorhergesagt, liegen wir hier bestens. Die Ausläufer des Sturmtief sollten uns hier nur streifen. 6 Beaufort in Böen 7, das sollte kein Problem sein. Bis dahin stecken wir mal 40 m Kette, bei Bedarf können wir ja noch nachlegen.

„Gegenüber ...“

„Gegenüber …“


Der Anchorage vor Port Ramsay ist etwas schwellanfällig, sobald der Wind über West etwas zu sehr auf Nordwest dreht. Das ist besonders bei Hochwasser so, denn dann ist der Schutz durch die trocken fallenden Felsen weg. Nachts dreht der Wind allerdings wieder zurück auf Süd und wir liegen trotz heftiger Böen sehr ruhig.
Den Rest des Tages kann man so etwa zusammenfassen: 🌧️🌧️💨🥶
So langsam bin ich es leid, immer und immer wieder dasselbe zu schreiben.

Das Klackern in der Steuerung, bzw. in der Steuersäule können wir nicht beheben. So wirklich neu ist es ja auch nicht, nur eben auf verschwurbelten Ankerplätzen immer wieder recht deutlich und nervig. Offensichtlich hat in der Steuersäule die Kronenmutter zum Zahnkranz etwas viel Spiel, ob das überhaupt zu beseitigen oder eher ein grundsätzliches Problem dieser Solimar-Steuersäulen ist, müssen wir uns noch mal ergoogeln.


Das Nähstübchen
Solange einen der Tidenstrom beim Ankern nicht zum Wind versetzt, weht es ja vor Anker dankenswerterweise immer von vorm. Das ist grundsätzlich schon mal sehr angenehm, weil das Cockpit dadurch einen gewissen Regenschutz genießt. Allerdings hält sich der bei uns auch trotz Rainimi sehr in Grenzen, da die Sprayhood nur etwas Seitenschutz bietet. Das hat uns in der Karibik schon sehr genervt, da auch dort bei dem ständigen Regen immer 2/3 des Cockpits nass waren. Dieses Problem tritt nun hier im Norden noch etwas häßlicher zu Tage, da uns schlicht eine Art Schleuse zum Decksalon fehlt, in der man sich umziehen und auch seine nassen und oft triefenden Klamotten hinhängen kann. Jedes Haus im Norden hat einen Windfang und genau so etwas brauchen wir nun mehr als dringend auch auf der PINCOYA.
Seit Monaten überlegen wir schon herum, wie wir das hinbekommen könnten und ob wir das Bimini als Rainimi mit einbeziehen sollen. Das wäre schon schön, denn wir wollen uns auf jeden Fall die wunderbare Stehhöhe erhalten, die wir mit der Sprayhood und dem Bimini haben. Eine Kuchenbude, in der man immer nur gebückt herumkriechen kann, wäre ein NoGo.
Auf der anderen Seite darf die ganze Sache auch nicht zu viel Windwiderstand haben, denn schlechtes Wetter wird meist auch von viel Wind begleitet, egal ob der Regen nun kalt oder warm ist.
Doch wenn man kein Segelmacher ist und das Handwerk nicht gelernt hat, dann hilft ewiges Nachdenken auch nur begrenzt weiter. So kramen wir eine alte Plane heraus und beginnen einfach mal mit dem Anhalten von möglichen »Seitenteilformationen«. Ohne Vorlage wollen wir nicht an dem teuren Sunbrella-Stoff herumschnippeln, von dem wir ja auch noch einige Meter haben. Erst einmal muss die Idee reifen und die reift bei uns nunmehr nur noch mit einem Muster, ständigem Anhalten und Anpassen und einfach mal ausprobieren.

Das Wetter ist zwar nicht optimal dafür, aber wir sind sowieso in Wartestellung, denn das dicke Ende soll erst in der kommenden Nacht kommen. Doch mit dem Regen haben wir ja auch einen aktuellen Testfall, der zeigt, ob das, was wir uns gerade aus der Bauhausplane zusammenschnippeln und -nähen, auch Sinn macht.
Am Ende haben wir zwei »Prototypen-Seitenteile«, die zwar noch nicht optimal sind, aber schon mal viel von dem erfüllen, was wir uns immer so sehr herbeigewünscht haben. In jedem Fall können wir anhand dieser Teile nun unseren Zuschnitt der schlussendlichen Seitenteile aus dem echten Persenningstoff optimieren. Das machen wir aber dann erst im Winter, bis dahin wird auch die Baumarktplane noch halten.

Vollkommen erstaunt stellen wir bei diesen Näharbeiten fest, dass wir in den letzten drei Jahren, in denen wir die Sailrite haben, schon eine Spule mit 1.500 m Segelgarn weggenäht haben. Unglaublich, als die Sailrite damals kam und wir die Spulen gesehen haben, dachten wir, dass das ewig reicht und wir niemals Segelgarn nachkaufen müssen. Und nun steht auch Segelgarn auf unser Einkaufsliste. So eine Sailrite ist zwar teuer, aber wenn wir uns mal umsehen, was wir damit alles schon genäht haben und wieviele Nähte wir auch schon immer wieder nachgenäht haben, dann hat sich diese Anschaffung schon längst amortisiert.


Der tiefe Fall des Drucks oder der erste Härtetest für die neuen Seitenteile
Nach Einbruch der Dunkelheit steigert sich der Regen noch einmal. Eigentlich hatten wir das gar nicht mehr für möglich gehalten, aber nun ja … Der Druck fällt seit Stunden mit einer Rate von mehr als 5 hPa in 3 Stunden. Das verheißt nicht wirklich eine ruhige Nacht. Inzwischen sind wir bei einem Luftdruck von 980 hPa. Leider kommt der Wind nicht ganz aus der Richtung, aus der er vorhergesagt wurde. Nordwest wäre ja schon blöd gewesen, aber aktuell ist es leider ein Nordost. Das ist schon ärgerlich, wenn man sich eine Bucht wegen Starkwind aus Süd ausgesucht hat. Das alles riecht nach einer ganz anderen Zugbahn des Tiefs als vorhergesagt. Wir lassen noch mal 10 m Kette raus, nur gut, dass unser Anker in schottischem Lehmboden steckt, da geht er so einfach auch nicht wieder raus. Doch nach und nach wird’s echt ungemütlich. Bleibt nur die Hoffnung, dass das Teil nicht wirklich komplett südlich von uns durchzieht und doch noch nach Norden abbiegt.

„So ungemütlich sollte es bei uns eigentlich gar nicht werden.“

„So ungemütlich sollte es bei uns eigentlich gar nicht werden.“

Zu allem Überfluss ist noch Hochwasser, so ist der Schutz nach Nordosten noch etwas eingeschränkter. Der Druck fällt weiter, 979 hPa, nun ist’s aber auch wirklich langsam mal gut. Die Wellen laufen nun aus Nord fast ungehindert ein. In einem Anfall von Dusel, haben wir ja unseren Anker in der Mitte der Bay von Port Ramsay fallen gelassen. Nun kommt der Wind 180° aus genau der entgegengesetzten Richtung, die eigentlich gut für diese Bay ist. Wenn wir exakt auf unserem Track wieder rausfahren und mit Radarunterstützung aufpassen, könnten wir uns wohl auch in dieser stockfinsteren Nacht hier noch verdrücken. Aber ohne Risiko ist das auch nicht und ohne echten Grund wäre das schön blöd. Nur weil es ungemütlich ist, macht man so etwas nicht. Mit uns liegen inzwischen noch 2 Briten in der Bucht. Die sind spät reingekommen und hatten wohl dieselbe Wettertheorie wie wir.

„Rechts sieht man gut den unerwarteten Winddreher.“

„Rechts sieht man gut den unerwarteten Winddreher.“

Um 22:30 haben wir nur noch 978 hPa und kurz darauf wird es windstill. Dann wieder 30er Böen aus Nordost. 20 Minuten später eine abrupte Winddrehung auf Nordwest. Auch nicht optimal, aber schon mal besser. Die Wellen laufen aus Nord noch etwas nach, aber vielleicht wird es ja bald doch besser. 20 kn Grundwind, Böen Anfang 30. Dann eine plötzliche Drehung auf Südwest. Das bringt schnell Ruhe. Wenigstens bei den Wellen, der Wind kann uns nun mal, 50 m Kette reichen. Immer wieder Böen bis 30. Bei 977,5 hPa kratzt der Druck die Kurve und fällt nicht weiter. Ein gutes Zeichen. Nun sind wir zwar auf der anderen Seite und somit der Seite mit dem potentiell stärkeren Wind, aber vielleicht hält sich das Tief ja nun an die Verabredung, dass es doch schnell nach Norden zieht.

Es war schon etwas Glück oder Dusel, dass wir so schön in der Mitte der Bucht geankert haben, so hat uns der Dreher nicht in Bedrängnis gebracht und bei Niedrigwasser hätte es auch noch gepasst. Der eine der beiden Briten hatte Glück, dass sich der Wind vor dem Niedrigwasser wieder gedreht hat. Er hat wohl auch die Nase ziemlich voll, denn er haut im Morgengrauen gleich wieder ab.

„Der Morgen danach“

„Der Morgen danach“


Der schottische Robinson
Morgens haben wir 15 kn und ein schottischer Sommertag ist heraufgezogen. Nicht, dass etwa die Sonne scheint, aber wir haben 14° und es regnet nicht.
Wir warten auf den Mittag, dann soll es noch einmal richtig losgehen. Sturmtief Nummer 2 kommt.
Auf einer der Yachten, die an den Moorings liegen, sieht wohl der Eigner nach dieser Nacht auch nach dem Rechten. Während wir frühstücken, sehen wir, wie er mit seinem Dinghy wieder ablegt, aber rudernd in Richtung einer der kleinen Inseln treibt. Sein Dinghy sieht einer Walnussschale wirklich nicht ganz unähnlich. Augenscheinlich lässt sich ein Eimer besser rudern. Er treibt an den Felsen entlang und landet auf der kiesigen Landzunge an, die bei Niedrigwasser trocken fällt und eigentlich im Besitz der Robben ist. Wie ein Robbenforscher sieht der Schotte nicht aus. Er läuft auf der Landzunge entlang und fummelt offensichtlich mit seinem Handy herum. Vielleicht zählt er doch die Robben oder macht von Neuankömmlingen ein Foto für’s Robbenarchiv.

Irgendwie merkwürdig ist es dennoch, aber Schotten sind ja auch eher unaufgeregt, solange es nicht ums Dudelsackspielen oder darum geht, irgendwelche Felsbrocken oder Baumstämme besonders weit zu werfen. Das ist übrigens der Grund, warum die Highlands weitgehend baumfrei sind, die Bäume wurden in all den Jahrhunderten schlicht heruntergeworfen. Was auch zur Erfindung der »Flöße« führte, um die Stämme in den Lochs nicht einfach herumschwimmen zu lassen und zusammengebunden leichter abtransportieren zu können.

Doch unser schottischer Robinson klettert nun über die Felsen und geht auf die andere Seite der Insel. Was die Robbentheorie zunichte macht, denn auf der Seite gibt es gar keine Robben. Wir beobachten ihn, wie er wieder zurückkraxelt. Insgesamt kommt uns die ganze Sache schon recht komisch vor. Der Wind nimmt langsam zu, unser Außenborder hat immer noch nicht seinen neuen Vergaser bekommen und stottert immer etwas herum und unser Benzinvorrat könnte noch gerade dafür reichen, mal zur Insel zu fahren und zu fragen, ob wir helfen können. Die Windrichtung ist etwas ungünstig, sollte unser Außenborder streiken oder das Benzin ausgehen. Dass der Schiffsjunge dann bei dem immer stärker werdenden Wind gegenan rudern kann, erscheint zweifelhaft. Aber was soll’s, der Schotte auf der Robinson-Insel sieht irgendwie so aus, als ob er Hilfe gebrauchen könnte. Also machen wir unser Dinghy fertig, das immer noch so schön sturmsicher hochgebunden ist.

„Do ziagt’s nei«, wie der Schotte gerne auf bayrischem Gälisch sagt. Es wird dicke kommen, also schnell noch einen Schotten retten!“

„Do ziagt’s nei«, wie der Schotte gerne auf bayrischem Gälisch sagt. Es wird dicke kommen, also schnell noch einen Schotten retten!“

Ich nehme die Handfunke mit und verabrede mit Astrid, dass sie die Coast Guard anruft, wenn irgendetwas schief geht und ich mit dem Wind auf das Loch Linnhe treibe. Meine Position hätte ich auf dem Handy. Im Zweifel wird das nur hinreichend ungemütlich, aber nach 3 sm sollte ich auf der anderen Seite ankommen oder mich eben die Coast Guard eingesammelt haben.
Also los. Der Schotte beobachtet, wie ich näher komme. Die Capitana beobachtet uns beide. Auf meine Frage, ob er vielleicht Hilfe gebrauchen könnte, sagt er: »I wonder if you could give me a lift to Ramsay.« »That’s the reason why I’m here. It looked like you could do with a lift.« »I would appreciate it very much.«
Zusammen ziehen wir seine Nussschale hinter die Hochwassergrenze. Dann fahre ich Andy rüber nach Port Ramsay. Er bedankt sich sehr für seine Rettung, das alles wäre schon »a bit inconvenient« gewesen. Er hat es tatsächlich nicht geschafft, mit seiner Nussschale gegen den Wind anzurudern und ist so als schottischer Robinson auf der Insel gelandet. Zurück bleibe ich schön in Luv, um ggf. noch rudernd die PINCOYA zu erreichen.


„Und es kommt dicke!“

„Und es kommt dicke!“

„Unser verbliebener Nachbar, der andere hat schon früh das Weite gesucht.“

„Unser verbliebener Nachbar, der andere hat schon früh das Weite gesucht.“

Kaum ist unser Dinghy wieder verstaut, frisch es erheblich auf. Viel später hätten wir nicht sein dürfen. Gegen den Wind ist ohnehin schon genug Wasser übergekommen. Glücklicherweise hat der kleine Honda durchgehalten. Hätte er gestreikt, wäre es auch für mich »a bit inconvenient« geworden.
Ab Mittag beschreibt sich unsere Wettersituation so: 🌧️💨💨😕

„Auch an den Moorings wird ordentlich herumgezerrt.“

„Auch an den Moorings wird ordentlich herumgezerrt.“

Die provisorischen Seitenteile bewähren sich prima. Als ich diesen Blog schreibe, stellen wir fest, dass wir nicht ein einziges Photo davon haben. Das werden wir nachholen.

„Ganz schön windig ...“

„Ganz schön windig …“

Diesmal fällt der Luftdruck auf 975 hPa. Gegen 13:30 knabbern die Böen an der 40-kn-Marke. Hier beginnt eigentlich der Bereich, für den wir das Bimini besser wegnehmen sollten.

„Im Wind“

„Im Wind“

Aber eine halbe Stunde später beginnt der Wind zu drehen und um 15:00 haben wir im Mittel nur noch 20 kn. Das war zum Glück ein kurzer Durchgang. So wäre auch das mal erledigt, nun müssen wir mal sehen, wann wir in die Kerrera Marina kommen, um dann in Oban einzukaufen. Es wird Zeit, an den Caledonian Canal zu denken. Abwarten hilft nicht weiter.


Stationen:
16. und 17.09. Fishnish Bay
56° 30′ 46,2″ N, 005° 49′ 43,9″ W
18. -> 20.09. Port Ramsay, Lismore Island
56° 33′ 20,1″ N, 005° 27′ 20,3″ W