Unser erster „distress alarm“


Weil der Fleece-Kragen unserer Schwimmwesten herstellerseitig etwas klein gelungen ist und deswegen bei T-Shirt-Wetter das Kletti am Hals schubbert, haben wir uns im Winter XXL-Fleece-Kragen genäht. Ja…es gab schon T-Shirt-Wetter ? und ja, da hat es geschubbert ?, … wirklich! Zur Zeit ist das zwar gerade nicht so, aber das T-Shirt-Wetter kommt schon noch! Und weil das T-Shirt-Wetter ganz bestimmt kommt, will ich die XXL-Fleece-Kragenenden noch schnell mit 2 – 3 gekonnten Waldorf-Handarbeitsstichen etwas tiefer an der Schwimmweste anheften. Meine Waldorf-Handarbeitslehrerin wäre stolz auf mich, viel stolzer, als sie damals zu Unterrichtszeiten auf mich war.

Nun ja, und um diese Handarbeitsstiche gekonnte wie ein Herzchirurg zu setzen, muss ich halt die Schwimmwesten öffnen. Doch aus dem geöffneten Thorax meiner Schwimmweste springt mir die Antenne meines MOB-Senders entgegen. Ein MOB-Sender ist, nur mal so für die nicht segelaffinen Blogleser, ein Sender, der um Hilfe ruft, wenn man über Bord gegangen ist. Eben MOB, man-over-board. Bei Frauen tut er das auch, das heißt deswegen aber nicht WOB, weil Frauen in der Seefahrt wie Männer behandelt werden, wenn sie über Bord gegangen sind. Aber dass mir nun diese Antenne entgegen springt und die ganze MOB-Geschichte „armed“ ist, macht mich schon stutzig. So soll das eigentlich nicht sein, denn der Sender soll eigentlich in freudiger Erwartung auf den unwahrscheinlichen Martin-über-Bord-Fall, in bereitwilliger Habachtstellung auf diesen unwahrscheinlichsten Fall aller unwahrscheinlichen Fälle warten.

Also fummele ich die ganze Geschichte wieder zusammen und frage mich, ob denn nun alles wieder ok ist und der Sender auch wirklich um Hilfe ruft, wenn ich außenbords bin. Bei der ganzen Fummelei, – ja der Mann hat sogar die Gebrauchsanweisung zu Rate gezogen, was für Männer ja bekannter Maßen durchaus ungewöhnlich ist -, beginnt das Teil plötzlich zu blinken. Bevor ich in der Gebrauchsanweisung den Absatz unter „flashing light“ auch nur ansatzweise lesen kann, während ich parallel versuche, die graue Plastikkappe wieder in die Position zu schieben, die richtig für sie zu sein scheint, beginnt unser Funkgerät mit einem DSC-Alarm zu piepen. Das Plastikteil in der vermeintlich richtigen Position bringt aber keine Besserung. Unsere Funke piept mit ihrem DSC-Alarm weiter und das flash light fläscht mit wachsender Begeisterung vor sich hin. Keine 30 Sekunden später ertönt ein „PINCOYA PINCOYA PINCOYA, this is Lyngby Radio….“ aus unseren Funkgerät. Nun muss man wissen, dass Lyngby Radio die Bremen Rescue der Dänen ist, also der Seenotrettungsdienst der königlich, dänischen Seenotrettung. Die Dame von Lyngby Radio fragt nach, ob bei uns einer über Bord gegangen ist. Mein English ist in a minute irgendwie gone. Mir fällt statt life jacket nur noch broken rescue vest ein und unbeholfen versuche ich, mein Rumgefummel mit reassembling the vest möglichst positiv zu umschreiben. Die Lyngby-Dame ist geduldig und hat offensichtlich einige Erfahrung mit dinglisch stammelnden Deutschen, denen irgendwie 75% ihres Wortschatzes schlagartig abhanden gekommen sind. Sie fragt noch zweimal nach, ob wir ok sind und ob auch wirklich alle an Bord sind. Dann ist der Spuk vorbei, denn zwischenzeitlich habe ich auch den Off-Button gefunden. Die Lyngby-Dame wünscht uns noch a good watch und ich würde vor Scham eigentlich im Boden versinken, wenn wir nicht auf einem Schiff wären, was ja dort durchaus böse Folgen hat und die Lyngby-Dame bestimmt gleich wieder auf den Plan rufen würde.

Uff, wie peinlich! Wir haben einen echten distress alarm ausgelöst. Aber … Astrid hat ja eigentlich recht, denn sie sieht immer gleich das Positive … es ist schon irgendwie cool, dass wir nun wissen, dass das Teil so funktioniert, wie es funktionieren soll. Das hilft zwar nicht bei diesem saukalten Wasser, da würde jede Hilfe immer zu spät kommen, aber dass da draußen immer einer ist, der horcht und der unsere Notsignale empfängt, das ist schon ziemlich beruhigend.

noch auf Bornholm in Rønne, kurz vor dem Aufbruch nach Hel
55° 6′ 18,5″ N, 14° 41′ 38,7″ E