El Hierro, Kanaren -> Cabo Verde – Die Tage –


„von El Hierro auf den Kanaren -> nach São Vicente auf den Kap Verden“

„von El Hierro auf den Kanaren -> nach São Vicente auf den Kap Verden“

El Hierro, Kanaren (E) -> Mindelo, São Vicente, Cabo Verde Start: 02.01.2023 11:00 Ende: 07.01.2023 23:03 Distanz: 774,8 sm Gesamtdistanz: 774,8 sm


Tag 1, Montag 02.01.

„Abschied von La Estaca auf El Hierro“

„Abschied von La Estaca auf El Hierro“

Es ist warm und sonnig, als wir aufbrechen. Nur mühsam können wir uns von El Hierro lösen. Der Nordost hat zwar wie vorhergesagt eingesetzt, doch der Wind körselt noch etwas verhalten um die kanarischen Insel herum.

„Die Kanaren lassen wir nun hinter uns.“

„Die Kanaren lassen wir nun hinter uns.“

Um 14:00 setzen wir dann den Parasailor und gehen mehr oder weniger auf Kurs. »Auf Kurs gehen« bedeutet dabei, dass wir einen gut segelbaren Kompromiss zwischen Wind, Wellen und Ziel finden. Der Wind bleibt bis zum nächsten Morgen verhalten, wobei der Atlantikwellen schon gleich etwas abseits von El Hierro ordentlich zunehmen. Wind und Wellen passen nicht so recht zusammen, gern hätten wir etwas mehr Wind, der uns durch die Wellen schiebt. 8 bis 9 Knoten sind hart an der unteren Grenze.

„Ruhiges Parasailor-Wetter“

„Ruhiges Parasailor-Wetter“

„Losgefahren ...“

„Losgefahren …“

„Die Kanaren gehen, aber erst einmal kommt nur Wasser ...“

„Die Kanaren gehen, aber erst einmal kommt nur Wasser …“

Die erste Nacht ist dennoch ruhig. Ab und zu müssen wir etwas korrigieren, um wieder mehr Ruhe ins Schiff zu bringen, aber insgesamt passt es. Auch wir finden diesmal ohne Anlaufschwierigkeiten in unseren Langfahrtrhythmus. Nur der Appetit hält sich noch etwas in Grenzen. So gibt es das vorgekochte Süppchen erst morgen.


„In die Nacht mit Parasailor“

„In die Nacht mit Parasailor“

Da wir bei dem wenigen Wind mit der konventioneller Beseglung kaum vernünftig vorankommen würden, lassen wir den Parasailor auch über Nacht stehen. Das geht auch problemlos und am Dienstag um 11:00 loggen wir unser erstes Etmal mit 105,5 sm. Etwas mehr hätten wir uns schon gewünscht, aber erst am Morgen hat der Wind zugelegt und lässt uns auf ein besseres Etmal in den nächsten 24 Stunden hoffen.

„Unser erster Sundowner ...“

„Unser erster Sundowner …“


Tag 2, Dienstag 03.01.

„Der Sonnenaufgang ist noch etwas trüb.“

„Der Sonnenaufgang ist noch etwas trüb.“

Um 14:00 steht unser Parasailor seit 24 Stunden und es läuft. Der Wind hat sich zwischen 11 und 14 Knoten eingependelt und lässt uns mit rund 6 kn durch die immer noch dickbäuchigen Atlantikwellen rauschen. In Richtung Kap Verden sollen sie eigentlich dann wieder etwas abnehmen, da sind wir mal gespannt. Auch der zweite Segeltag vergeht unspektakulär. Endlich einmal! … muss man sagen. Es läuft einfach so vor sich hin. Und das ist auch gut so.

„Bordroutine, es segelt gemütlich vor sich hin.“

„Bordroutine, es segelt gemütlich vor sich hin.“

„Auch in die zweite Nacht geht es mit dem Parasailor.“

„Auch in die zweite Nacht geht es mit dem Parasailor.“

Auch in die zweite Nacht geht es wieder mit dem Parasailor. Gegen 21:00 nimmt der Wind allerdings etwas zu. Und die Tendenz zeigt nach oben und das Baro nach unten. So nehmen wir um 22:00 nach 32 Stunden den Parasailor runter. Der Wind liegt nun beständig um die 17 kn und als wir den Parasailor bergen, treffen uns die ersten 20er Böen. Das ist definitiv zu viel für das Segel und erst recht in der Nacht. Ab 15 kn Wind können wir platt vor dem Wind auch schon ganz gut nur mit dem Groß fahren.

Die Nacht bestätigt uns Stunde für Stunde, dass es die richtige Entscheidung war, den Parasailor runterzunehmen. Der Wind pendelt sich um die 20 kn ein, beutelt uns aber auch immer wieder mit lang anhaltenden, kräftigeren Phasen. So rauschen wir nur so durch die Nacht und fressen eine Seemeile nach der anderen. Allerdings werden auch die Wellen höher und es wird zunehmend ungemütlich.


Wie schon in der letzten Nacht begleitet uns ein fast voller Vollmond. Das macht einen riesigen Unterschied, denn es ist so hell, dass wir alles um uns herum gut sehen können.

„Ein voller Vollmond ist wirklich ein Segen auf diesen Nachtfahrten.“

„Ein voller Vollmond ist wirklich ein Segen auf diesen Nachtfahrten.“

Von der Barfußroute scheinen wir besonders nachts allerdings noch weit entfernt zu sein. Der Wind ist durchdringend kalt und wir verstecken uns wieder einmal im geschlossenen Decksalon. Tagsüber ist es ok, aber von den 26° Wassertemperatur, die unser Loggenthermometer meint zu messen, und von den angeblichen 20° Lufttemperatur ist in dem Wind nicht wirklich viel zu merken. Wahrscheinlich wurde der Begriff »Barfußroute« von einem fahrtensegelndem Eskimo geprägt, als er den Horizont vergeblich nach Eisbergen absuchte.

„Milchig weiß geht die Sonne auf.“

„Milchig weiß geht die Sonne auf.“

Gegen Ende der zweiten Nacht dreht der Wind noch mal etwas mehr auf. Die Wellen erreichen problemlos das Stadium »vollkommen ungemütlich«. Um 11:00 loggen wir unser zweites Etmal mit 147,6 sm. Es ist unser bisher bestes Etmal, auch wenn es den bisherigen Spitzenreiter nur um 0,3 sm schlägt.


Tag 3, Mittwoch 04.01.
Die Wellen sind nervig. Sie haben im Mittel wohl 2 bis 3 m und laufen von schräg hinten ein. Nach einigen Stunden merken wir an Schultern, Armen und an den Seiten die typischen Druck- und Stoßstellen. Die Wellen sind eher kurz und ruppig und werfen die PINCOYA immer wieder hart auf die Seite. Nicht jedes Rollen kann man parieren und wenn mal einer der dicken Vertreter um die Ecke kommt, gibt es eh kein Halten mehr. So sitzen wir immer irgendwie verkeilt, was auch so einige Druckstellen nach sich zieht. Das alles nervt etwas. Auch weil dieses starke Rollen und Schaukeln einen doch irgendwie matschig in der Birne macht. Da waren die ersten beiden Tage schon viel gemütlicher.

„Der braune Sahara-Staub schluckt alle Farbe aus dem Licht.“

„Der braune Sahara-Staub schluckt alle Farbe aus dem Licht.“

Nachmittags zieht ein 18m Grieche an uns vorbei. Sehen können wir ihn nur auf AIS. Es sollen zwar nur etwa 6 sm zwischen uns liegen, aber es ist einfach zu dunstig. Aber was heißt dunstig, alles ist irgendwie milchig blass. Dieses Licht erinnert uns an die Sahara-Staubwetterlagen auf Lanzarote, die Calima. Und tatsächlich ist alles auch schon wieder mit einer rötlich braunen Staubschicht bedeckt. Besonders die Tampen haben sich auf der Luv-Seite eine rotbraune Färbung eingefangen. Das ist schon erstaunlich, denn immerhin liegt die West-Sahara ja rund 300 sm, also gut 550 km im Osten von uns. Das muss dort ganz ordentlich stauben, wenn das bis hierher reicht.


Ansonsten vergeht der dritte Tag einfach und ohne besondere Vorkommnisse. Unsere dicke Erna rennt nun vor ungerefftem Groß und zweifach gereffter Genua bei 20 kn Wind mit 6 bis 7 Knoten in Richtung Cabo Verde. Wenn das so bleibt, dann wird es wieder ein rekordverdächtiges Etmal. Aber mal sehen, es soll ja eigentlich wieder etwas abnehmen.


Und um 20:46 fahren wir auf 23° 25,8’ N unter dem nördlichen Wendekreis der Sonne hindurch. Doch leider haben wir gerade nicht viel davon, denn erstens tut die Sonne gerade ihren Dienst auf der Südhalbkugel und zweitens ist’s schon dunkel ☹️. So bleiben unsere Tage kurz und die Nächte weiterhin etwas fußkalt. Aber nun sind wir absolut sicher, dass wir wenigsten theoretisch die Barfußroute erreicht haben.

In der zweiten Nachthälfte ist es dann plötzlich richtig gut. Wann hatten wir überhaupt schon einmal solche Bedingungen auf einer unserer Offshore-Etappen? Wenn überhaupt, dann nur sehr kurz. Der Wind nimmt nur etwas ab und pendelt sich bei 15 kn ein. Aber die Wellen werden flach und lang. Nur noch selten stört mal ein Set von größeren Wellen. Ansonsten schaukelt unsere dicke Erna eher gemütlich mit 5 bis 6 kn dahin. Der Vollmond beleuchtet die Nacht. So kann Fahrtensegeln auch mal länger dauern. Smooth and gentle sailing!


Zum nächsten Wachwechsel ist es allerdings schon wieder mit »smooth and gentle« vorbei. Wind und Wellen nehmen wieder zu und es geht genauso weiter wie in den letzten 30 Stunden.
Nach 2 Tagen und 21 Stunden feiern wir »Bergfest«. 388 sm liegen hinter uns und »nur noch« 388 sm vor uns.
Und um 11:00 loggen wir unser drittes Etmal mit sage und schreibe 155,1 sm! Unser bestes Etmal EVER!!! Noch 360 sm to go.


Tag 4, Donnerstag 05.01.
Das ständige Rollen ist anstrengend. Die Wellen sind nicht lang und rund, sondern eher kurz, recht durcheinander und oftmals steil. Das macht unser Segeln unruhig und unrund. Ein echter Segen ist die Mittelkoje der PINCOYA. Dort kann man von dem ewigen Hin und Her und Auf und Ab mal eine Auszeit nehmen. Die Mittelkoje ist im wahrsten Sinne des Wortes unser Ruheraum. Man kann dort einfach mal entspannen und merkt von der ständigen Schaukelei nicht viel. Zumindest meinen wir das 😊, wir können uns vorstellen, dass Außenstehende das durchaus anders empfinden könnten 😂.

„Badetag!!!“

„Badetag!!!“

Der vierte Seetag … und es hilft nichts, es ist wieder einmal an der Zeit zu duschen. Wir sind zwar ganz allein auf hoher See und der Wind weht gnädig und beständig frische Luft heran 🤭, doch frisch geduscht fühlt man sich ja doch besser. Eigentlich hatten wir auf etwas ruhigeres Wetter gehofft, aber nun wird eben unter erschwerten Bedingungen auf dem Vorschiff geduscht. Das Loggenthermomether zeigt immer noch fröhliche 26,7° an. Geduscht wird mit Seewasser aus unserer Deckwaschpumpe. Das ist eine sehr bequeme Sache, wenn etwas Körperpflege ansteht, wir aber nicht schwimmen gehen können. Nur in diesen Wellen ist das heute schon ein ziemlicher Balanceakt. Und ehrlich gesagt spürt man die 26° Wassertemperatur nicht gleich und schon gar nicht in einem Wind von 20 kn. Nur gut, dass wir allein auf hoher See und fernab der Zivilisation sind, denn nicht jede Duschposition, in die wir geschaukelt werden, ist für die Öffentlichkeit geeignet 🫢.


Nachmittags holen wir ein Punktwetter. Drei Punkte liegen noch vor uns und wenn wir unsere Fahrt über diese Punkte hochrechnen, dann bleibt es genauso, wie wir es schon die ganze Zeit haben. Insgesamt ist der Wind etwas kräftiger als vorhergesagt und die Wellen sehen auch keinen Sinn darin, auch nur etwas abzunehmen. Irgendwer scheint die Phase mit dem leichteren Wind gestrichen zu haben. Die dauerhaften 5 bis 6 Beaufort bleiben uns also erhalten, was am Ende ja auch zu den hübschen Etmalen führt. So werden wir in jedem Fall zeitig, aber auch problemlos auf den Kap Verden ankommen. Ein richtig ungemütliches Wetterchen liegt nicht voraus.


Doch was heißt hier überhaupt problemlos? Die Ironie will es, dass ich gerade den Blog »Wartezeit …« Korrektur lese, als es heftig knallt und ein Zittern durch die PINCOYA geht. Im ersten Moment denke ich, dass wir ein Ufo, ein unknown floating object, gerammt haben. Astrid schläft gerade etwas vor. Der Blick in die Pantry, die tiefste Stelle in der PINCOYA und der Blick nach hinten sind eins. Aber kein Wassereinbruch und achteraus ist nichts auszumachen. Also noch mal richtig nachsehen, doch alles scheint ok zu sein. Wir sind dicht!!! Erleichterung. Die Capitana guckt schlaftrunken aus der Koje. Was war das denn?
Und draußen? Hmm, die Segelstellung ist irgendwie komisch. War das Groß vorhin im Top auch schon so weit geöffnet? Das hatten wir doch eigentlich mit dem Niederholer flach gezogen. Dann sehe ich es. Der Niederholer schlabbert herum. Nicht schon wieder dieser Scheiß-Kicker. Erst kickt er nicht mehr und nun scheint da auch noch irgendetwas gebrochen zu sein. Gott sei Dank ist es noch hell. Die Sonne ist zwar schon untergegangen, aber eine halbe Stunde Dämmerlicht bleibt uns noch.

„Nun hat der Kicker seinen Geist vollständig aufgegeben.“

„Nun hat der Kicker seinen Geist vollständig aufgegeben.“

Und schon ist die Capitana einsatzbereit. Der Schiffsjunge begutachtet vorn den Schaden und die Capitana passt hinten auf ihn auf. Der Drahtstrop innerhalb des Kickers ist gebrochen. Wir sichern erst einmal den Baum über die Mittelklampe, sodass der nicht nach oben abhauen kann. So können wir auch die Last vom Kicker nehmen. Gott sei Dank ist die Strippe der Niederholertalje lang genug und wir müssen nicht auch noch einen längeren Tampen einziehen. Den Kicker demontieren wir komplett und stauen ihn erst einmal unter Deck zur späteren Untersuchung. Dann schlagen wir die Niederholertalje direkt am Baum und am Mastfuß an. Es ist fast dunkel, als wir fertig sind. Unverhofft kommt oft, aber wir konnten uns schon wieder selbst helfen. Das macht ein gutes Gefühl.


„Der Vollmond begleitet uns weiter.“

„Der Vollmond begleitet uns weiter.“

Die Nacht vergeht dann ruhig und ohne neue Überraschungen. Obwohl die beständigen 18 bis 23 kn Wind schon für ausreichend Welle sorgen, um es nicht zu gemütlich werden zu lassen. Um 11:00 loggen wir unser nächstes Etmal mit 148,1 sm. Der dazu notwendige Schnitt von 6,2 kn lässt etwas erahnen, wie es auf der PINCOYA seit Tagen zugeht. Noch 213 sm to go.


Tag 5, Freitag 06.01.
Insgesamt haben wir uns noch nicht so richtig an die Rauschefahrt gewöhnt. So schön es ist, schnell voranzukommen, so anstrengend ist es auch. Zumindest empfinden wir das so. Trotzdem oder gerade deswegen schlafen wir beide abwechselnd mal richtig aus. Unser Wach-Schlafrhythmus von 3 Stunden in den Nächten trägt ja auch nicht gerade dazu bei, dass wir uns morgens immer gleich taufrisch fühlen.


Das Groß steht auf dem Vorwindkurs zwar hervorragend, aber die Wellen bringen die Genua immer wieder zum Straucheln. Dann fällt sie ein und füllt sich krachend wieder mit Wind. Das passiert alle 1 bis 2 Minuten, denn in dieser Frequenz wird die PINCOYA immer wieder von hohen Wellen richtig auf die Seite gelegt. Und dann strauchelt nicht nur die Genua, auch wir müssen höllisch aufpassen nicht selbst ins Straucheln zu geraten. Das ist anstrengend und das merken wir. Seit 72 Stunden werden wir ständig hin und her geworfen. Zu keiner Sekunde kann man irgendwo stehen oder gehen, ohne Gefahr zu laufen, in der nächsten Sekunden ziemlich unsanft zur Seite geschubst zu werden. Wir könnten gut mal für 24 Stunden mit etwas weniger Wind gebrauchen.

Unser Wassermacher im übrigen auch. Wenn wir mit 6 und 7 Knoten durch die Wellen pflügen, ist nicht daran zu denken, über das Spülventil der Toilette Wasser anzusaugen. Dort, wo dieses Ventil sitzt, sprudeln und schäumen die Wellen noch so entlang, dass wir in voller Fahrt ständig auch Luft ansaugen. Das ist ein Problem, das wir gleich beim nächsten Mal, wenn wir die PINCOYA aus dem Wasser nehmen, beheben müssen. Nur gut, dass wir nicht schon in Povóa aus dem Wasser gegangen sind, um ein Seeventil für den Wassermacher einzubauen. Das hätten wir nämlich auch vorn eingebaut und das wäre der totale Flop gewesen.

Damit die Genua halbwegs steht, laufen wir per Windsteuerung mit 154° zum wahren Wind. Manchmal passt der Kurs zu unserem Ziel Mindelo ganz gut, aber meist ist er doch etwas zu östlich. Da hängen wir im Windmodus eben ganz vom Wind ab. Spätestens Freitag werden wir das korrigieren müssen und dann wohl nur noch mit dem Groß direkt vor den Wind gehen.


Um 21:00 taucht vor uns das AIS-Signal eines Franzosen auf. Es ist schon lustig, was das selbst mit dem Schiffsjungen macht. In den Adern der Capitana fließt ja viel mehr Regattablut, aber der Satz: »zwei Schiffe eine Regatta« stimmt. Zwischen dem Franzosen und uns passen auch die Voraussetzungen. Laut AIS hat er dieselbe Größe wie wir. Als wir sein Signal das erste Mal sehen, fährt er mit 5,5 kn, wir aber mit 6,3. Ein leichtes Ziel! Aber auch der Franzose hat uns bemerkt und wohl doch noch schnell etwas mehr Segel ausgerollt. Bis 3:00 haben wir uns auf 3,5 sm herangearbeitet. Es ist schon schön, wenn man was zu tun hat und nicht nur so ganz allein durch die Wellen pflügt.
Doch der Franzose kämpft und wir müssen mehr vor den Wind gehen, aber dort steht die Genua im zweiten Reff dann gar nicht mehr. Also lassen wir ihn fahren, nehmen die Genua weg und gehen auf Kurs Mindelo. Nur mit Groß sind wir zwar nur etwas langsamer, aber das reicht, um den Franzosen nicht mehr einzuholen.

„Kein Sonnenaufgang, sondern ein Vollmonduntergang.“

„Kein Sonnenaufgang, sondern ein Vollmonduntergang.“


Um 11:00 loggen wir unser fünftes Etmal mit 149,0 sm. Noch 66,4 sm to go. Wir schaffen es tatsächlich in 5 Tagen und einigen Stunden. Wer hätte das gedacht?


Tag 6, Samstag 07.01.
Der Wind weht weiterhin erstaunlich konstant mit 17 bis 23 kn. Seit gut vier Tagen segeln wir mit großen 5 oder kleinen 6 Beaufort herum. Für kurze Zeiten sind die Wellen immer mal wieder recht angenehm und ausgeglichen, aber meist ist es doch eher ruppig. Da sich am Wind nichts ändert und es auch durchgehend mehrere tausend Meter tief ist, sind diese teilweise abrupten Änderungen des Wellenbildes wenigstens für uns nicht ganz nachvollziehbar. Zumal auch kein Tief nördlich von uns durchzieht, das seine Wellen bis zu uns herunterschicken könnte.


Seit gestern, also nach dem Ausschlafen, geht es uns wesentlich besser als die Tage zuvor. Irgendwie hatten wir wohl zwischendrin doch noch einen Durchhänger. Das ständige Hin- und Hergeschubse ist schon anstrengend und raubt Kräfte. Man fühlt sich wie wie eine alte, ausgepresste Zitrone. So haben wir abwechselnd viel geschlafen. Und das war richtig gut. Vielleicht braucht es ja doch immer etwas länger, um sich an die ewige und niemals enden wollende Bewegung zu gewöhnen. Da es definitiv nicht ruhiger geworden ist, muss es wohl tatsächlich die Gewöhnung sein.

„Astrid bei ihren Fimarbeiten. Es wird wieder ein Video geben.“

„Astrid bei ihren Fimarbeiten. Es wird wieder ein Video geben.“

Als Neulinge des Crossings fragen wir uns, ob ein so konstanter und kräftiger Wind auf der Passage normal ist. Wir hätten eher mit wechselnderen Winden gerechnet. Einigen längeren schwächeren Phasen und einigen Starkwindtagen. Dass der Wind aber so konstant, fast wie angenagelt bei 19 kn liegt, finden wir schon überraschend. Doch vielleicht haben wir auch nur ein besonderes Wetterfenster erwischt. Wenn es auf dem Schlag von den Kap Verden nach Martinique genauso stark und konstant weht, dann rauschen wir da in Rekordzeit rüber. Zumindest für unsere dicke Erna, die ja nicht unbedingt die schnellste dicke Erna aller schnellen dicken Ernas ist.


Und wer sich fragt, was man die ganze Zeit tun kann, wenn nichts als Wasser um einen herum ist, dem sei gesagt, dass man sich sehr sehr lange damit beschäftigen kann, einen Schwarm fliegender Fische zu filmen. Das gelingt, wenn überhaupt, nur zufällig. So sitzt der Schiffsjunge nicht nur eine Stunde an der Reling und versucht, so einen fliegenden Schwarm fliegender Fische zu erwischen. Doch entweder werden die Arme lahm, der Akku des Handys gibt auf 🙄 😤 oder der Schiffsjunge ist wieder einmal einfach zu langsam.

„Fliegende Fische, leider haben die sich verflogen und es nicht geschafft.“

„Fliegende Fische, leider haben die sich verflogen und es nicht geschafft.“

Angefangen hatte das alles am Morgen, als wir zwei fliegende Fische an Deck fanden. Die waren natürlich schon hin, weil sie sich schon irgendwann in der Nacht verflogen hatten.
Bisher hatten wir ja immer mal den ein oder anderen fliegenden Fisch im Gleitflug zwischen den Wellen gesehen, aber nun fliegen richtige Schwärme von 10 bis wenigstens 30 Fischen über die Wellen. Das sieht atemberaubend aus, doch leider ist es uns nicht gelungen, solch ein tolles Schauspiel zu filmen. Die unzähligen Video-Schnipsel müssen wir allerdings noch sichten, vielleicht hat ja der Zufall geholfen 😇. Sie tauchen ganz plötzlich auf, wie aus dem Nichts, gleiten wenige Sekunden zwischen den Wellen durch die Luft und sind schon wieder verschwunden. Und wenn der Schiffsjunge noch nicht zu Ende überlegt hat, was der Finger am Auslöser denn nun eigentlich tun soll, sind sie schon wieder weg. Ein ungleiches Spielchen mit einem Verlierer, der schon vorher feststeht 😢.


„Genau hinsehen! Santo Antão voraus!“

„Genau hinsehen! Santo Antão voraus!“

Gegen 18:00 schält sich ganz schemenhaft Santo Antão aus dem Dunst. Wir haben es fast geschafft. Wir können die Kap Verden schon mal sehen. Leider werden wir nun im Dunkeln ankommen. Das ist nicht optimal, weil die Ankerbucht immer recht voll sein soll und dort auch einige Wracks herumliegen.

„Die Kap Verden können kommen“

„Die Kap Verden können kommen“

In Richtung Einfahrt zwischen den Inseln São Vicente und Santo Antão werden die Wellen noch etwas ruppiger und der Wind legt zu. Die Kap Verden haben auch so ihre Düsen, genauso wie die Kanaren. Ein wirres Durcheinander wirft uns wild hin und her und der Wind knabbert an den 30 kn. Die Genua ist ja schon lange weg, aber wir fahren noch vor dem ungerechten Groß. Eigentlich wäre nun ein erstes Reff angesagt, aber wir haben es einfach verdaddelt und von hinten kommt nun ein Tanker auf, den wir auch nicht rechtzeitig gesehen haben. Er fährt natürlich auf genau demselben Kurs wie wir, weil er ja auch genau dorthin möchte, wo wir auch hin möchten. Wir mit 6 bis 7 kn, er mit 12.

„Santo Antão im Abendlicht“

„Santo Antão im Abendlicht“

Zum Reffen müssten wir einige Kapriolen direkt vor seinem Bug machen. Das ist jetzt ein ziemlich blöder Zeitpunkt. So etwas kommt eben davon, wenn man sich nur noch ums Ankommen kümmert und nicht mehr ausreichend nachdenkt und aufpasst. Wir quengeln uns soweit es geht nach Osten. Viel geht da aber nicht, denn wir haben vorhin gehalst und das Groß steht nun backbord. Und noch eine Halse bei 25 kn und diesen Wellen ist uns zu risikoreich. Der Tanker fährt einen kleinen Bogen nach Westen. Als wir auf derselben Höhe sind, schlagen wir bei fast 30 kn Wind einen flachen Haken, gerade so, dass das Groß drucklos ist und wir das erste Reff reindrehen können. Die Wellen erwischen uns brutal, aber wir sind schnell. Ein rekordverdächtiges Manöver! Gerefft fahren wir immer noch genauso schnell. Auf Höhe des Felsen Ilheu dos Passaros schleudern wir eine Q-Wende ins Fahrwasser des Tankers und sausen in die Bucht von Mindelo vor São Vicente.

Das Einlaufen in solch eine Bucht mit all den großen und kleinen Ankerliegern ist bei Nacht und ohne Radar echt blöd. Sicherheitshalber suchen wir uns ganz hinten einen Ankerplatz. Dort ist es zwar ziemlich unruhig, aber bei Tageslicht können wir immer noch gucken, wohin wir uns dann verdrücken können.

„Die Sonne geht hinter Santo Antão unter.“

„Die Sonne geht hinter Santo Antão unter.“

Nach 5 Tagen, 12 Stunden, 3 Minuten und 774,8 sm fällt unser Anker vor Mindelo.
Das war nicht eben langsam, aber auch nicht eben ruhig. Etwas ruhiger darf es bei der großen Überfahrt schon sein, auch wenn wir dann nicht ganz so schnell sind.

p.s.
Die Capitana hat ja schon vor vielen Jahren in Verden an der Aller das Licht der Welt erblickt und erst jetzt hat sie es endlich mal ans Kap Verden geschafft 😂. Eine echte, fast heimatliche Premiere!!!

„Die Liste unserer Etmale“

„Die Liste unserer Etmale“

Mindelo, São Vicente, Cabo Verde
16° 52′ 49,3″ N, 024° 59′ 55,8″ W