Die Tiefs, der Geburtstag und nicht nur ein Versteck


Wie beginnt man einen Blog, wenn man so langsam echt die Nase voll hat? Wir wollen ja nicht ungerecht sein, aber so langsam reicht’s wirklich. Die ewigen Besserwisser werden nun zwar sagen, nun ja, ihr seid eben zur falschen Jahreszeit in Irland. Aber welches ist denn die richtige Jahreszeit, wenn nicht der Hochsommer im Juli und August? Seit Donnerstag, also nun schon insgesamt seit fünf Tagen, liegen wir in so einer Art Kombination aus Windkanal und Waschstraße. Um sich das richtig vorzustellen, reicht es, sich die Bürsten einer Waschstraße wegzudenken und durch Wasserdüsen zu ersetzen. Am Ende einer jeden Waschstraße gibt es ein kräftiges Gebläse und aus diesem Gebläse bläst nun eben nicht nur Luft, sondern auch jede Menge Wasser.

Juchhe! Das ist auch so eine Art Kirmesspaß, denn dabei schleudert es uns auch immer wieder heftig hin und her. Nur leider hält sich dieser Spaß bei uns inzwischen in sehr engen Grenzen, denn wir haben nach fünf Tagen die Nase echt gestrichen voll.

„Nicht gerade ein Urlaubswetter!“

„Nicht gerade ein Urlaubswetter!“


Aber mal von vorn …
Das, was da gleich mit mehreren Tiefs auf uns zukommen soll, sieht eher unangenehm aus. Die Frage ist nur, was wir machen. Der Starkwind soll von Südost auf Südwest drehen, das könnten wir durchaus auch in der Clifden Bay abwettern. Aber uns rennt die Zeit davon und die Tage mit segelbaren Konditionen, die zudem ein Vorankommen nach Norden erlauben, sind wirklich rar. Also beschließen wir, so lange es eben noch geht, noch einen Step in Richtung Norden zu machen. Als Ziel peilen wir die Little Killary Bay an, die soll hervorragenden Schutz für jedes Wetter bieten und dort liegt auch die Mooring von Melissa und James, die wir nehmen dürfen. Das Wetter soll an diesem Donnerstag noch ok sein. Ein gemäßigter Südost sollte uns gut in unser Versteck bringen. Freitag hat Astrid Geburtstag, ein guter Tag zum Verstecken und Kuchen essen.

Obwohl wir uns ja in Irland bisher mehr verstecken und abwarten, als überhaupt zu segeln oder gar etwas Sightseeing zu machen, fühlt sich unsere Zeit hier echt gehetzt an. Zeiten, in denen es mal wirklich entspannt läuft, hat es bisher kaum gegeben. Entweder nagelt uns echtes Scheißwetter irgendwo fest und man mag noch nicht einmal seine Nase um die Sprayhood herausstecken, oder wir müssen schnell weiter, weil es eben nur diese kleine Chance gibt, voranzukommen. Eine Zeit, um einfach mal da zu sein, gibt es nicht wirklich. Das nervt schon erheblich!


Clifden Bay -> Little Killary Bay Distanz: 30,3 sm Gesamtdistanz 2023: 7.262,2 sm

„von der Clifden Bay -> in die Little Killary Bay“

„von der Clifden Bay -> in die Little Killary Bay“

„Am Eingang der Clifden Bay I“

„Am Eingang der Clifden Bay I“

In der Clifden Bay haben wir tatsächlich 15 kn Wind aus Südost. Am Eingang sind es schon 20 kn und kurz darauf sehen wir zum ersten Mal die 30. Da es zunächst recht vorwindig zur Sache geht, ist das aber kein Problem. Trotz unseres völlig mit Pocken übersäten Unterwasserschiffes, machen wir nur mit Groß immer wieder mehr als 7 kn. Als wir langsam immer weiter auf Kurs Nord gehen müssen und der Wind mal kurz Luft holt, halsen wir auf Höhe des kleinen Inselchens Cruagh.

„Am Eingang der Clifden Bay II“

„Am Eingang der Clifden Bay II“

„Die Inselchen sind rau, felsig und einsam“

„Die Inselchen sind rau, felsig und einsam“

Selbst auf dieser Insel steht die Ruine einer kleinen Kapelle, die sich ein Mönch irgendwann einmal gebaut hat, um seinem Herrn in der Andacht näher zu sein. In der Tat hatte Irland damals gar nicht genug einsame Inseln, um dem Andrang von Mönchen gerecht zu werden, die nach Westen drängten und hier nicht weiter kamen, weil der Herr nicht genügend Inseln verstreut hatte, die eine noch einsamere Abgeschiedenheit ermöglichten. So führte dieses natürliche Ende der Welt zu einer ungewöhnlichen Mönchsdichte und damit zu der ersten urschriftsmäßig belegten Wohnungs- bzw. Inselnot. Denn nur noch die wohlhabenden Mönche konnten sich eine eigene Insel in völliger Abgeschiedenheit leisten. Ärmere Mönche mussten sich zwangsläufig in Mönchs-WGs zusammentun, aus denen sich später die sogenannten Kloster ergaben. Der Begriff »Kloster« stammt übrigens nicht, wie fälschlicherweise immer wieder behauptet wird, von dem lateinischen Wort »claustrum«, »verschlossener Ort«, sondern vielmehr gründete der Mönch Claus das erste Männerwohnheim für insellose Mönche.


„Friar Island“

„Friar Island“

Nach der Halse sausen wir zwischen den Inseln High Island und Friar Island durch. Den Weg außen herum ersparen wir uns. Die Tide zattert noch etwas herum, entscheidet sich dann aber doch noch rechtzeitig, mit uns zusammen durch den Sund zu fließen. Vor uns liegt nun Inishbofin. Eigentlich eines unserer erklärten Ziele. Doch ein Blick auf die Wetterentwicklung lässt uns vernünftig sein, obwohl man bei Südost dort sehr komfortable liegen könnte. Doch der Südost hat leider das Problem, dass er schon recht bald zu einem stürmischen Südwest werden soll, was die ganz Sache auf Inishbofin dann nicht mehr so angenehm macht.

„Es wird windig ...“

„Es wird windig …“

Mehr oder weniger hart am Wind schaffen wir es bis etwa 5 sm vor die Eingänge der Fjorde Little Killary Bay und Killary Harbour. Inzwischen liegen die Böen immer wieder über 30 kn und wir haben mit den Winddrehern unsere liebe Not, vernünftig voranzukommen. Das klappt mal mehr und mal weniger gut. Mit dem 2ten Reff im Groß ist es schwierig, die richtige Abstimmung mit dem Vorsegel zu finden. Mehrmals wechseln wir von der Genua im dritten Reff auf die Starkwindfock. In der letzten Wende erwischt uns eine 30+ Bö. Wir haben sie vorher nicht bemerkt. Die Genuaschot vertüdelt sich wild schlagend in Höhe der Wanten und drischt wie blöde um sich. Ein unachtsamer Moment und die Genua rauscht in ihrer vollen Größe und Schönheit aus. Es ist ein unheimlicher Radau und eine irre Gewalt. Nur mit Mühe können wir die Genuaschot wieder befreien, aber der Schiffsjunge bekommt zur Strafe ordentlich einen auf die Finger. Endlos winschen wir die Genua wieder rein und als wir fertig sind, verliert auch die Bö ihren Spaß daran, uns zu ärgern, und zieht weiter. Nur mühselig kommen wir voran, aber dann ist es geschafft. Killary Harbour und die Little Killary Bay sind die wenigen guten Verstecke für einen Südweststurm in dieser Ecke Irlands. Um nicht zu sagen, die einzigen beiden auf Höhe von Inishbofin.

„Anfahrt auf die Little Killary Bay I“

„Anfahrt auf die Little Killary Bay I“

„Anfahrt auf die Little Killary Bay II“

„Anfahrt auf die Little Killary Bay II“

Nun muss nur noch das Groß runter, nur gut, dass es schon im 2ten Reff ist. Es hackt inzwischen beständig mit fast 30 kn. Was ist hier los? Wo sind unsere vorhergesagten 15 kn? Pay one, take double, ein echtes Schnäppchen. Durch die Little Killary Bay pfeift es mit stehenden 30 kn von Ost nach West. Die Hügel kanalisieren den Wind ordentlich zu einer Düse. Die Mooring von Melissa und James liegt eigentlich günstig und an ihr hängen unten 2,5 Tonnen Beton. Das sollte reichen, aber ein recht abgewrackt aussehendes Fischerfloß schwimmt doch ziemlich nah an der Mooring. Uns ist das etwas zu dicht. Bei der vorhergesagten Winddrehung ist uns damit nicht ganz so wohl.

„Am Eingang der Little Killary Bay“

„Am Eingang der Little Killary Bay“

Also wählen wir die Ankervariante. Einfahren müssen wir den Anker nicht groß, wir lassen ihn bei 20, 30 und 40 m einrucken und er sitzt. Da für den frühen Morgen noch etwas mehr vorhergesagt ist, lassen wir abends noch einmal 10 m Kette raus. Platz genug ist ja. 50m sind bei 8 m Hochwasser schon eine ganze Menge, 40 würden eigentlich auch reichen, denn damit liegen schon rund 25 m auf dem Boden. Mit 50 m sorgen dann 35 m Kette auf dem Boden für Halt, das sollte auch bei viel mehr Wind reichen.

„Auf der Suche nach dem Internet, der Router wird in den Mast gezogen 🤭“

„Auf der Suche nach dem Internet, der Router wird in den Mast gezogen 🤭“

Doch leider sind wir in der Little Killary Bay in einem Funkloch, das ist blöd, denn Astrid hat ja morgen Geburtstag, aber laut Cruising Guide gibt es keine bessere Alternative. So wird das wohl ein eher ruhiger Geburtstag.


Apropos »ruhig« …

„Die Vorhersage ...“

„Die Vorhersage …“

In der Nacht beginnt es zu schütten. Immer wieder zerren kräftige Böen an uns herum. Doch wir liegen gut. Ab und an checken wir die Lage, der Anker hält bestens.
Astrids Geburtstag beginnt stürmisch und immer wieder jagen heftige Schauer begleitet von Böen um 30+ durch den Fjord. Kein wirkliches Geburtstagswetter. Die Capitana ist sich sicher, dass sie noch nie so einen Geburtstag hatte. Ist ja auch schwierig, wenn man im August Geburtstag hat und nicht auf der Südhalbkugel lebt. Doch der Tag ist ja auch noch nicht zu Ende, das Ganze kann sich ja auch noch entwickeln. Fragt sich nur, in welche Richtung 😂.

„Die Schafe müssen auch im Regen auf eine andere Weide.“

„Die Schafe müssen auch im Regen auf eine andere Weide.“

Da wir im Funkloch sitzen, kriegen wir kein neues Wetter. Also holen wir mit dem Garmin »Punktwetter« via Satellit. In der kommenden Nacht soll’s ruhiger werden, dann kommt die Drehung und bei Inishturk, also auf Höhe der Insel vor dem Eingang zum Fjord, sind 25 kn mit Böen um 35 vorhergesagt.
Ein ums andere Mal fallen Fallböen über uns her. Die hauen richtig brutal rein. Treffen die Böen uns von der Seite, holt die PINCOYA so über, dass wir die Tassen auf dem Tisch schnell festhalten müssen. In manch einem Schwinger machen wir 1,5 kn Fahrt zur Seite! Wir sind uns nicht ganz sicher, was das noch werden soll. Nach einigem Hin und Her beschließen wir, uns weiter in die Mitte des Fjords zu verlegen. So haben wir nach der angekündigten Drehung etwas mehr Abstand zum Ufer.

„Schüttregen ...“

„Schüttregen …“

„Kein Geburtstagswetter!“

„Kein Geburtstagswetter!“

Nach unserem Ankerabenteuer hinter Culatra haben wir uns ja Kopfhörer gekauft. Das ist heute ein Segen und die Teile scheinen wirklich wasserfest zu sein 😳. Die 50m Kette kriegen wir gut rein, Astrid schiebt im richtigen Moment mit Motor und ich hole die Kette nach und nach hoch. Ohne Abstimmung über Kopfhörer ist so etwas nicht möglich. Wir haben es auch schon mal mit Zeichensprache versucht, aber der Schiffsjunge konnte sich diesen Fingertwist nicht merken. Die Verwirrung war größer als ohne.
Der Ankergrund in der Little Killary Bay ist mehr als exzellent, Astrid muss richtig Gas geben, um den Anker kurzstag aus dem Modder auszubrechen. 100 m weiter, in der Mitte der Bucht, lassen wir den Anker wieder fallen. Er sitzt sofort. 50 m reichen bei so einem Ankergrund allemal. Wir triefen, inzwischen schüttet es durchgehend, aber so liegen wir besser für alles, was da kommt.

„Der Regen lässt neue Wasserfälle entstehen.“

„Der Regen lässt neue Wasserfälle entstehen.“

Die Little Killary Bay wird im Cruising Guide als Premium Anchorage beschrieben, inzwischen kommen bei uns allerdings einige Zweifel auf.

Für den Rest erspare ich mir mal die Prosa und nehme einfach meine Stichworte:
– 20:00: im 10-Minutentakt krachen 30+ Fallböen in uns hinein. Wir bergen beide flexible Solarzellen. Die flappen wie wild und drohen zu brechen.
– 20:30: der Druck fällt inzwischen wie irre, 6 hPa in den letzten 3 Stunden, Doppelpfeil nach unten auf dem Baro
– Wir haben inzwischen 990 hPa, das Tief über Irland sollte nach der letzten Vorhersage 995 hPa haben, das Ding draußen 991 hPa
– Es schütte wie irre, für morgen wird vor Starkregen gewarnt, mal sehen, ob wir einen Unterschied merken …
– Es wird dunkel, 988 hPa, da hat die Capitana wohl eine Nachfeier gut, so ein Wetter hat niemand zu seinem Geburtstag verdient.
– 22:00: es riecht nach Ampere. Die Ursache ist schnell gefunden, das Ladegerät des Windrads ist überfordert, immer wieder Böen mit 30+. Habe vorhin noch ans Festbinden gedacht, aber dann doch nicht gemacht. Ärgern!
– Kurz vor Mitternacht wird es ruhiger
– 0:30: kein Wind und keine Fallböen mehr. Hä?
– 3:00: wir erreichen das Druckminimum bei 986,5 hPa; etwas weniger als vorhergesagt, da scheint sich das Tief, doch etwas anders entwickelt zu haben.

„Tief gefallen!“

„Tief gefallen!“

– 6:30 der Wind dreht und nimmt wieder zu
– 7:30: 993 hPa, 6,5 hPa in 4,5 Std, auch ein schnelles Steigen bringt ordentlich Wind
– 8:30: der Hack kommt nun aus Südwest und bringt sofort den Atlantikschwell in die Bucht. Hat der Cruising Guide die Beschreibungen der Little Killary Bay mit der vom Killary Harbour vertauscht? Irgendetwas passt da doch nicht.
– Hinten an der Slippe liegt ein Segler auf den Steinen, erst dachten wir, dass es ein Unfall beim Slippen war, nun kommen uns Zweifel. Sieht echt karibikmäßig aus 🤔

„Karibischer Bootsliegeplatz 😂“

„Karibischer Bootsliegeplatz 😂“

– Nach kurzen Überlegungen beschließen wir, uns in den nördlichen Fjord Killary Harbour zu verlegen. Schlimmer kann es dort auch nicht sein und vielleicht haben wir dort eine Chance, neues Wetter zu bekommen.


Wir verlegen uns …
Little Killary Bay -> Killary Harbour Distanz: 8,9 sm Gesamtdistanz 2023: 7.272,1 sm

„aus der Little Killary Bay -> in den Fjord Killary Harbour“

„aus der Little Killary Bay -> in den Fjord Killary Harbour“

„Kleine Lichtblicke in der Little Killary Bay“

„Kleine Lichtblicke in der Little Killary Bay“

Samstag den 19.08.: Das Wetter ist durchwachsen. In der Little Killary Bay ist der Wind nicht mehr so stark und auch die Fallböen halten sich seit der Winddrehung etwas zurück. Wir gehen Anker auf. Am Eingang der Little Killary Bay sieht es jedoch schon wieder ganz anders aus. Der Wind liegt bei 25 kn und von Westen her läuft ein hässlicher Schwell ein. Die Entscheidung, nicht vor Inishbofin zu ankern, war wohl ganz schlau.

„Abfahrt“

„Abfahrt“

Vorn am Ausgang haben wir wieder Internet-Empfang und holen uns schnell neues Wetter. Wer weiß, ob nicht im Nachbarfjord auch so ein Funkloch auf uns wartet? Das erste Tief hat sich vollkommen anders entwickelt als vorhergesagt. Es hat sich tatsächlich auf 988 hPa vertieft, ist aber mit seinem großen Windfeld weiter östlich durch die irische See gezogen. Da haben wir Glück gehabt, vor Dublin hat es richtig gekachelt. Ausnahmsweise waren wir mal auf der richtigen Seite, auch wenn uns das nicht so vorkam. Um kurz nach Mitternacht muss dann tatsächlich das Zentrum des Tiefs genau über uns hinweggezogen sein.

„Das Tief in der Nacht. Hier der mittlere Wind, nicht die Böen.“

„Das Tief in der Nacht. Hier der mittlere Wind, nicht die Böen.“

„Am Eingang der Little Killary Bay“

„Am Eingang der Little Killary Bay“

Von einer »Strecke draußen« kann bei unserer Aktion umzulegen eigentlich keine Rede sein, wir fahren ja unter Motor nur einmal kurz ums Eck. Doch selbst auf diesem kleinen Stückchen, werden wir ganz ordentlich durchgeschaukelt und als Abrundung gibt es genau in dem Moment einen Platzregen, als wir den maximalen Wind genau von achtern haben. Im Handumdrehen trieft nicht nur das gesamte Cockpit, sondern wir auch ☹️. Wind und Regen kommen definitiv aus der falschen Richtung.

„Eingang zum Killary Harbour Fjord“

„Eingang zum Killary Harbour Fjord“

„Blick zurück ...“

„Blick zurück …“

Schon nach einer halben Seemeile im Killary Harbour Fjord verliert sich der Atlantikschwell und mit dem achterlichen Wind, der auch hier zu kräftigen Böen kanalisiert wird, können wir prima bis ganz hinten in den Fjord hineinsegeln. Das sind immerhin 6 sm, was bei uns die Hoffnung schürt, dort auch wirklich Ruhe zu haben.

„Nicht nur die Berge triefen ...“

„Nicht nur die Berge triefen …“

Zwischendrin kontrollieren wir immer mal wieder den Internet-Empfang. Zwar haben wir nun ja neues Wetter, aber ein kurzer Blick auf die Lage lässt vermuten, dass wir selbst am Montag noch nicht sinnvoll weiterkommen. Inzwischen zerrinnt uns die Zeit wirklich zwischen den regennassen Fingern und verfliegt mit dem ewigen Starkwind der Tiefs, die ohne Ende heranziehen. So gut der Empfang auch am Eingang des Fjords ist, so wenig »Online« gibt es zwischendrin. Deswegen verwerfen wir auch einen möglichen Ankerplatz auf halber Strecke. Aber dann sehen wir unseren (!!!) Ankerplatz.

„Hoffentlich ist der Sendemast auch wasserdicht!“

„Hoffentlich ist der Sendemast auch wasserdicht!“

Kurz hinter der Mooring des Ausflugsbootes, das tapfer bei Wind und Wetter begeisterte Touristen spazieren fährt, und kurz vor den Small-Craft-Moorings steht ein Sendemast. Treffer! Maximalausschlag! Hier lassen wir den Anker fallen, denn viel weiter kommen wir eh nicht rein, weiter hinten ist Schluss, dort fällt alles schon trocken. Pünktlich zum Ankermanöver schüttet es noch einmal wie aus Eimern. Eine Schwalldusche in einer Sauna ist nichts dagegen. Der Regen erinnert an die Karibik, nur dass er dort deutlich wärmer war.

„Samstag, Sonntag oder Montag, keiner weiß es mehr, alle Tage waren recht ähnlich.“

„Samstag, Sonntag oder Montag, keiner weiß es mehr, alle Tage waren recht ähnlich.“


In Killary Harbour liegen wir schon mal besser als in der Little Killary Bay. Von dem Atlantikschwell ist definitiv nichts mehr zu spüren, aber das Wetter ist eine Katastrophe, wenn man es freundlich ausdrücken möchte. Der Wind ist heftig und wird im Fjord gnadenlos kanalisiert. Die Fallböen sind ausgesprochen brutal. Als erstes binden wir unser Windrad fest, es riecht schon wieder nach Ampere. Später setzen wir den Start der Bremse von 27 A auf 20 A herunter. Danach geht’s, aber die Ausbeute ist gering, weil die Fallböen umgehend für ein Abschalten sorgen.

„Fallböen ...“

„Fallböen …“

Da der Regen besonders gerne in Kombination mit heftigen Böen kommt, fühlt es sich an, als ob man in einem Windkanal duscht. Das alles ist schon recht dicht an der Grenze, an der man noch gute Miene zum bösen Spiel machen kann. Die Fallböen sind unberechenbar und schaffen es in der Tat kurz aufeinander folgend, aus entgegengesetzten Richtungen zu kommen. Der Tidenstrom trägt in windlosen Minuten gerne mal dazu bei, dass die PINCOYA besonders ungünstig für den nächsten Einschlag liegt. »Einschlag« hört sich übertrieben heftig an, aber wenn man aus einer Windstille heraus eine 35 kn-Fallböen-Ohrfeige bekommt, dann ist das schon wie ein Einschlag. Wenn die Fallböen von achtern einfallen, dann nimmt die PINCOYA bereitwillig Fahrt auf, fährt munter geradewegs über ihre Ankerkette, um dann brutal gestoppt zu werden, wenn die Kette steif kommt. Das sorgt jedes Mal für ein ganz ungutes Geräusch ab Bug, nur gut, dass unser Bugspriet so stabil ist.
Auch der Ankergrund in Killary Harbour muss absolut phantastisch sein. Egal welches Spielchen der Wind und der Strom auch mit der PINCOYA treiben, der Anker hält.

„Oder wird es dahinten doch schon heller?“

„Oder wird es dahinten doch schon heller?“

Doch egal. Auch wenn diese Kapriolen schon unangenehm sind und man sich durchaus etwas anderes wünscht, Killary Harbour ist dennoch ein gutes Versteck für jedes noch so schlimme Wetter. Killary Harbour ist insgesamt ein absolut sicherer Ankerplatz und man muss keine Befürchtungen haben, wirklich in Not zu kommen. Auch wenn der Fjord ein echtes Regenloch zu sein scheint, man hat ja Internet und kann auf Änderung hoffen.


„Es gibt sie noch, die Sonne!“

„Es gibt sie noch, die Sonne!“

Obwohl es ja durchaus hilft, das ganze Desaster mit etwas Humor zu nehmen, kommt uns der so langsam doch abhanden. Seit unserem Start in Kilrush haben wir gerade mal sechs Tage gehabt, die man als halbwegs sommerlich bezeichnen kann. 6 von 21 Tagen ist nicht gerade eine üppige Ausbeute. Unsere Sturmtiefbilanz dagegen kann sich echt sehen lassen. Erst haben wir in Kilrush gewartet und konnten nicht starten, dann mussten wir uns in der Cashla Bay und wenig später in der Cloonile Bay verstecken. Und nun hier. Erst in der Little Killary Bay, nun in Killary Harbour. Und jedes Mal haben wir einige Tage etwas von den Tiefs, denn sie ziehen langsam, sind unberechenbar und vergnügen sich ganz offensichtlich gerne mal etwas länger in, um oder über Irland.

„Ein Sonnenloch!“

„Ein Sonnenloch!“

Inzwischen geht es nur noch darum, segeltechnisch möglichst sicher voranzukommen. Unsere Irland-, Schottland- und Nordsee-Etappen haben jeglichen Sightseeing-Effekt abgelegt, es geht nur noch um das reine Segeln in einem wirklich anspruchsvollen Revier. Wenn man diesen Schwenk auch im Kopf nachvollzieht, hilft das ungemein, um nicht unruhig zu werden.


Und wen wundert es, unsere Energiebilanz ist absolut im Keller. Wo sonst die Solarzellen noch im diffusen Licht für eine befriedigende Ausbeute gesorgt haben, ist nun nichts mehr. Gerade einmal 400 Wh zeigt unser Ladegerät für einen Tag, was rund 30 Ah sind. Das ist nichts, denn selbst in Irland hatten wir bisher immer zwischen 1,2 und 1,7 kWh, also 94 bis 133 Ah.

„Energieversorgung ...“

„Energieversorgung …“

Diese geringe Ausbeute reicht nicht mehr, um Wasser zu machen. So müssen wir den Generator zur Hilfe nehmen. Doch der viele Regen und die Wassermassen, die sich in Sturzbächen und Wasserfällen in den Fjord stürzen, sorgen für einen so geringen Salzgehalt, dass wir schon mit 30 bar 55 Liter Wasser machen. So hat der Regen doch sein Gutes, obwohl uns etwas mehr Sonne schon lieber wäre.


Segeltechnisch leben wir inzwischen nur noch von der Hand in den Mund. Es sieht ganz danach aus, dass wir es am Dienstag bis in die Blacksod Bay schaffen könnten. Vielleicht ergibt sich dann auch noch ein Step mehr, aber mal sehen, die Entwicklung ist schwer vorherzusagen und wir müssen auch immer mit einem Auge auf ein sicheres Versteck schielen.

„Sollte sich doch etwas ändern?“

„Sollte sich doch etwas ändern?“


Stationen:

17. und 18.08. Little Killary Bay 53° 36′ 45,4″ N, 009° 51′ 04,9″ W

19. bis 21.08. Killary Harbour
53° 36′ 01,2″ N, 009° 43′ 09,6″ W