Vom Kattegat in die dänische Südsee II


Hals -> via Begstrup Vig (A) -> Føns Vig (A)
Distanz: 141,1 sm Gesamtdistanz 2023: 8.660,2 sm


Da wir auf dem Weg in die dänische Südsee ja nun in Hals gestrandet sind und schon wieder unser eigentliches Ziel nicht erreicht haben, gibt es nun für den nächsten Versuch einen zweiten Blog. Einen mit einer »II«. Hoffen wir mal, dass nicht auch noch die »III« folgen muss 🥺.

Der Abend nach unserer Ankunft wird dann noch interessant. Etwa 7 sm hinter uns haben wir auf AIS eine dänische Segelyacht gesehen, die von Süden kam. Eigentlich müsste sie nun langsam hier eintreffen, deswegen schauen wir mal auf Marinetraffic, wo der Däne denn nun bleibt. Nun ist die Einfahrt nach Hals nicht wirklich kompliziert, aber vielleicht doch etwas unkonventionell. Es gibt ein Ober- und Unterfeuer, dessen Unterfeuer aber lustig rot-grün blinkt. So ein merkwürdiges Unterfeuer haben wir bisher nur hier gesehen und etwas blöd ist eben auch, dass das Unterfeuer genau neben dem ebenfalls rot-grün beleuchteten Fahrwasser liegt. Und richtig blöd ist, dass genau an dieser Stelle die grüne Tonne nicht beleuchtet ist und man so das Grün des Unterfeuers leicht für die grüne Fahrwassertonne halten kann. Es ist schon etwas schwierig, das alles richtig zuzuordnen. Und auf AIS sehen wir nun, dass genau das dem Dänen eben nicht gelungen ist. Sein Track führt direkt auf die Untiefe neben dem Unterfeuer und dort liegt er nun.

Die Spur auf AIS ist eindeutig und das Signal bewegt sich keinen Meter mehr. Also versuchen wir den Dänen über Funk anzurufen, um zu hören, ob er Hilfe braucht. Doch er meldet sich auch nach mehrmaligen Anruf nicht. Wir können ja schief gewickelt sein und Marinetraffic ist ja auch nicht immer zu trauen, aber unsere frisch trockengelegte AIS-Antenne empfängt sein Signal auch direkt von der Untiefe. Also versuchen wir Lyngby Radio zu erreichen, aber auch die melden sich nicht. So suchen wir uns die Telefonnummer von Lyngby Radio raus und rufen direkt an. Schon nach dem ersten Klingeln geht jemand ran. Wir schildern unsere Befürchtungen, brauchen aber gar keine Position mehr rüberzugeben, denn der Seenotfall ist schon bekannt und die Rescue ist unterwegs.

„Da saust die Rescue heran. Direkt neben der Roten sitzt der Däne auf Grund.“

„Da saust die Rescue heran. Direkt neben der Roten sitzt der Däne auf Grund.“

Soweit so gut. Kurz darauf sehen wir auf AIS das Rettungsboot mit 35 kn (!) von Fredrikshavn anrauschen. Wir bobachten das Geschehen auf AIS und verfolgen den Funkverkehr. Bald ist der Däne freigeschleppt, wird in der Fahrrinne wieder seinem Schicksal überlassen und die Rescue saust ebenso schnell wieder nach Hause.

Wir verfolgen auf AIS den Dänen und wundern uns, dass er wieder nicht ankommt, obwohl er eben schon kurz vor dem Hafen war. Nun ja, vielleicht ist er ja auch gleich weiter in den Limfjord, aber dort gibt es kein AIS-Signal von ihm. Das letzte Signal von ihm sehen wir direkt vor der kleinen Marina vor Hals, die ist allerdings so flach, dass dort nur kleine Angelboote liegen. Hmm … ankert er nun dort? Dann muss es ein echter Sparfuchs sein, noch viel sparfüchsiger als wir!

Am nächsten Morgen sehen wir ihn. Auf der Mole hat sich schon eine kleine Menschenmenge versammelt und ein kleiner Schlepper, der direkt aus einem Museum entsprungen zu sein scheint, müht sich unter viel schwarzem Qualm ab, den Dänen ein zweites Mal wieder in tieferes Wasser zu ziehen. Er ist tatsächlich keine 20 Minuten, nachdem ihn die Rescue freigeschleppt hatte, wieder aufgelaufen. Das Wetter war ja ruhig und wahrscheinlich hat er sein AIS gleich ausgeschaltet, weil es ihm am Ende doch etwas peinlich war.

Nach einer Stunde ist er wieder frei, aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende.
Etwas wirr körselt er dann eine weitere Stunde im hinteren Teil des Hafens von Hals herum. Nun gut, er hat eine alte Vindö und die sind ziemlich zickig, wenn es um Hafenmanöver geht, das kennen wir ja auch noch. Aber so zickig sind Vindös nun auch wieder nicht.

Irgendwann ist er jedoch fest und wir machen nachmittags mal einen Spaziergang, um uns die Chaoscrew mal aus der Nähe anzusehen. Neugierig sind wir ja schon ☺️ 😇. Die Vindö 50 ist ziemlich heruntergekommen und der junge Kerl, der im Cockpit steht, macht einen eher merkwürdigen Eindruck. Nun ja … und wer nun denkt, die Geschichte ist jetzt endlich zu Ende, der irrt sich gewaltig. Mit Einbruch der Dunkelheit, ja ja, nicht etwa bei Tageslicht, sondern erst, als es schon wieder dunkel ist, läuft er wieder aus. Diesmal kriegt er aber die Kurve in den Limfjord, ohne erneut aufzulaufen 👍. Das passiert dann erst bei Aalborg noch ein- oder zweimal. Einmal sind die Signale nicht ganz so eindeutig. Ob er auch dort freigeschleppt werden musste oder es aus eigener Kraft geschafft hat, wissen wir nicht, aber danach steuert er die Marina von Aalborg an. Es gibt schon merkwürdige Leute, aber so ganz sauber kann der Bursche auch nicht gewesen sein.


„Unser erster Liegeplatz in Hals“

„Unser erster Liegeplatz in Hals“

Wir jedenfalls beschließen, in Hals zu bleiben. 180 DKK inkl. Strom und eine wunderbar heiße und vor allem lange Dusche sind zwar für die Wintersaison auch kein Schnäppchen, machen aber das ewige Scheißwetter doch etwas erträglicher.

„Ausblick auf den Kattegat.“

„Ausblick auf den Kattegat.“

Abgesehen davon soll sich das schlechte Wetter bis zum Dienstagmorgen noch deutlich steigern. Mit bis zu 35 kn soll es aus Südost blasen, bevor es auf Nordost dreht. Unser Liegeplatz innen am ersten Steg ist für diese Windrichtung recht ungeeignet, denn die Wellen werden exakt durch die Einfahrt als erstes zu uns kommen.

„Der Eingang zum Limfjord.“

„Der Eingang zum Limfjord.“

„Die Fähre Hals - Egense“

„Die Fähre Hals – Egense“

„Sundowner unter Wolken.“

„Sundowner unter Wolken.“

Also legen wir am Montag um, solange es noch ruhig ist, und gehen innen direkt längsseits an die Mole. Die bietet bei den Wellen aus Südost wenigstens etwas Schutz. Unsere Absicht umzulegen bleibt allerdings nicht unbemerkt und so beginnt es nach dem halben Manöver, schon wieder wie blöde zu schütten. Die PINCOYA machen wir nur halbherzig fest und warten den Regen erst einmal ab. Das hilft zwar auch nicht mehr richtig, denn nass sind wir ohnehin schon, aber wir wollen das mit den winterlicher Outdoor-Aktivitäten ja auch nicht übertreiben. Gegen Mittag liegt die PINCOYA dann in einer Art Spinnennetz aus Festmachern. Der Wind sollte kein Problem sein, aber vor den möglichen Wellen haben wir schon etwas Respekt.

„Das Spinnennetz“

„Das Spinnennetz“

„Die letzten Sonnenstrahlen vor schwarzen Wolken.“

„Die letzten Sonnenstrahlen vor schwarzen Wolken.“


Am Nachmittag beginnt die PINCOYA, mit den zunehmenden Wellen in ihrem Spinnennetz hin und her zu schwingen. Nach und nach setzen sich die Festmacher. 5 Vorleinen, 2 Springs, 2 Achterleinen. In dem anfänglichen Geschwinge justieren wir noch einmal alle Leinen, damit unsere dicke Erna bei ihren Schwüngen nicht zu viel Fahrt aufnehmen kann, aber dennoch genügend Spielraum hat.

„Noch etwas justieren ...“

„Noch etwas justieren …“

„Eine der Fähren hat frei ...“

„Eine der Fähren hat frei …“

Dann ist es gut und die ersten Böen mit knapp 30 kn fallen in Hals ein. Insgesamt bleibt es relativ ruhig. Die Grundgeschwindigkeit des Windes pendelt sich zwischen 22 und 26 kn ein und die Böen erreichen maximal 36 kn. Wir liegen gut und haben eine vergleichsweise ruhige Nacht. Ab und an kontrollieren wir alles, etwas Sorge macht uns nur der stark schwankende Wasserstand, der hebt und senkt sich um fast einen Meter. Aber in der zweiten Nachthälfte dreht der Wind mehr auf Nord und treibt die Wellen nicht mehr direkt in die Hafeneinfahrt.

„Wir liegen genau unter der »30«.“

„Wir liegen genau unter der »30«.“

Ab Dienstagmittag wird es schnell ruhiger, aber draußen ist es für unseren Geschmack immer noch viel zu »weiß«. So bleiben wir bis zum Mittwoch und hoffen, bei einem frühen Start noch genügend Wind zu haben, um bei Grenå gut um die Ecke zu kommen. Die Wettervorhersagen prickeln zwar auch am Mittwoch nicht, aber vielleicht fängt der frühe Segler ja doch mal den Wind. Außerdem sollten wir schnell weiter nach Süden, der Frost aus Norwegen ist uns dicht auf den Fersen.


Der zweite Versuch, in die dänische Südsee zu kommen
Inzwischen sind wir angeschlagen. Wir merken, wie die Luft raus geht. Diese ewige Selbstmotivation kostet neben der Kälte und Nässe viel Kraft und hinterlässt Spuren. So etwas ist anstrengend. Anstrengender als wir dachten. Wenn so etwas nur ab und zu mal notwendig ist oder vielleicht auch mal eine kurze Zeit lang, dann ist das ja alles ok. Aber über Monate verbraucht das schon wirklich viel Energie. Positives Denken ist wie Heizen des Gehirns. Auch diese Heizung gibt es nicht zum Nulltarif.

»Wird schon!«, höre ich es hinter mir flüstern. Aber da ist keiner, es war nur schon wieder diese Selbstmotivation. Wo die nun wieder ihre Kraft hernimmt, ist mir schleierhaft. Wenn man andere Segelblogs liest, dann ist meist immer alles toll, kann eigentlich gar nicht einfacher sein und der Happy-Modus schlägt vor Begeisterung Purzelbäume. Auch wenn es beim Segeln unendlich viele tolle Momente gibt, es gibt auch die Zeiten, die echt 💩sind.


„von Hals -> ins Begstrup Vig“

„von Hals -> ins Begstrup Vig“

In der Nacht regnet es bei 3° durch. Morgens hört es auf. Unser Wecker klingelt um 5:30. Gestern wollten wir in dem Dauerregen nichts mehr vorbereiten, außerdem tat sich der starke Wind doch noch lange schwer damit, mal ruhiger zu werden. Es dauert etwas, bis wir unsere dicke Erna wieder aus ihrem Spinnennetz befreit haben. Im Hafen ist es nahezu windstill. Alles ist patschnass, aber es hat ja wenigstens aufgehört zu regnen.

„Im Morgengrauen geht's los“

„Im Morgengrauen geht's los“

Viel Wind sollen wir bis heute Abend nicht bekommen, und dann laufen die Modelle maximal auseinander. ECMWF bleibt moderat und GFS lässt es aus Nordosten kacheln. Absolut durch Zufall stolpern wir über das »Thema des Tages« beim DWD. Und das trifft mitten ins Schwarze. Chaos in der Wettervorhersage. Ein interessanter Artikel für all die, die etwas Hintergrund-Info mögen.


Bis zum äußeren Törchen des Fahrwassers von Hals nimmt der Wind etwas zu und pendelt sich so um die 10 kn ein. Das brüllt uns jetzt auch nicht gerade nach vorne, lässt uns aber unter Segeln vorankommen. Das wird heute dauern. So gehen wir rein, machen die Tür zu und stellen die Heizung an. Nur leider ist der Spaß schon um 9:30 wieder vorbei und wir müssen motoren. Schwierig schwierig … – entweder hackt es wie blöde oder es ist Flaute. Und in den wenigen Stunden der Übergangszeiten kommt man nicht ausreichend voran. Das Wetter wird immer digitaler.

„Das Grau des Morgengrauens bleibt uns erhalten, der Morgen geht.“

„Das Grau des Morgengrauens bleibt uns erhalten, der Morgen geht.“

Dann geht es doch wieder. Etwas Hoffnung keimt auf. Die 8 – 10 kn reichen bei unserem Kurs gerade so. Also Genua wieder raus und losgeplätschert. Der Gegenstrom mit rund einem Knoten kommt uns allerdings sehr ungelegen.

„Hmm ... keine guten Aussichten“

„Hmm … keine guten Aussichten“

Dieses Spielchen wiederholt sich. Es geht nur zäh voran. Währenddessen schließt sich Lyngby Radio der GFS-Vorhersage an und die haben für die zweite Nachthälfte ja ein Sturmtief in ihr Programm aufgenommen. ECMWF sieht das alles immer noch viel entspannter und bleibt erst einmal bei einem freundlichen Segelwind für die ganze Nacht. Wir hatten sehr gehofft, dass dieser Kelch an uns vorübergeht. Diese unselige »gale warning« wiederholt Lyngby Radio dann stündlich, was nicht zu unserer Entspannung beiträgt. Belte und Sund NE 21 m/s, was lockeren 40 kn entspricht.
Sind wir zu langsam, wird’s ungemütlich …


„Flaute“

„Flaute“

Und wir sind zu langsam, denn der Wind schläft ein. Wo wir uns verstecken wollen, wissen wir schon. Dort können wir auch in der Nacht problemlos rein und mit einigen Metern Ankerkette mehr liegen wir dort bestimmt auch gut. Aber hinkommen müssen wir noch, denn bis ins Begstrup Vig westlich von Ebeltoft sind es noch 55 sm. Wenn der Wind endlich wieder etwas zunehmen würde, wäre das gut. So motoren wir schon wieder bei schläfrigen 3 bis 5 kn Wind Stunde um Stunde vor uns hin. Was ist das nur schon wieder für eine 💥💩! 😟

Wie gesagt, entweder Flaute oder Hackekacke. Irgendetwas dazwischen scheint es nicht mehr zu geben.


¯\_( ͠° ͟ʖ °͠ )_/¯
Und so etwas kommt dabei heraus 😂, wenn man bei Flaute über den Kattegat motort und viel Zeit hat.


Wenigstens ist es trocken und so können wir auf Höhe von Bønnerup noch schnell einen 20 l Diesel-Kanister nachtanken. Das hatten wir in Hals nicht mehr gemacht, denn dann hätten wir mehr Regenwasser als Diesel im Tank gehabt. Man gut, dass wir in Norwegen alle Kanister aufgefüllt haben, am Ende werden wir die bis Büdelsdorf auch noch brauchen. Eigentlich könnten wir die Segel auch gleich abschlagen 😳, wahrscheinlich brauchen wir die eh nicht mehr und das Groß ist gerade auch so schön trocken 🙂.


Es ist etwas trist und eintönig. Aus lauter Langeweile googeln wir nach Strömungskarten für die Ostsee. Und die gibt es tatsächlich vom BSH. Die für heute angegebenen Strömungen sind zwar etwas zu gering, denn zur Zeit klaut uns der Strom gut einen ganzen Knoten, aber schon ab 17:00 soll er ab Grenå mit uns sein. Wenn er das dann auch mit einem Knoten macht, dann wollen wir gar nicht meckern. Das wird ein Fest und wir müssen zusehen, dass wir nicht in einen Geschwindigkeitsrausch kommen.


Wenn man im Winter segelt, fällt einem noch einmal richtig auf, wie kurz die Tage sind. Ständig segelt man im Dunkeln. Als wir vor Grenå sind, ist es erst 16:30, aber schon längst wieder stockdunkel. Der Wind hat zwar etwas zugenommen, aber mit 7 bis 10 kn kommen wir nicht so schnell voran, wie wir müssten. Deswegen unterstützen wir die Segel weiterhin etwas mit dem Motor.

Das ist unbefriedigend und ärgerlich, aber die ständige »gale warning« von Lyngby Radio macht uns schon etwas Sorgen, zumal das GFS-Model es ab Mitternacht auch richtig krachen lässt. Ziemlich blöd ist, dass Lyngby Radio keinen Zeitrahmen für die Warnung mitgibt. Da sind die Briten schon etwas organisierter. Wenn die sagen “gale is coming soon”, weiß man, dass man noch etwas Zeit hat, es aber in 6 bis 12 Stunden ungemütlich wird. Das ist klar geregelt und “soon” bedeutet eben, dass der Sturm in den nächsten 6 bis 12 h kommt. Wohingegen es mit “imminent” so ziemlich gleich einen auf die Mütze gibt und man sich bei “later” noch 12 h entspannen kann. Doch die Dänen wiederholen jede Stunde einfach nur stumpf ihre »gale warning«, ohne eine Zeitangabe zu machen. Und die könnte sich ja schon für die Nordsee und Ostsee deutlich unterscheiden. Denn 21 m/s sind nicht eben wenig, da macht es schon Sinn, vorbereitet zu sein. So nehmen wir mal an, dass die Dänen auch »soon« im Hinterkopf haben, wenn sie an »Belte und Sund« denken und die Fischer im Fischer in der Nordsee nun leider dumm dran sind, weil es bei denen schon mit 30 kn bläst. Wir sollten also bis Mittnacht in unserem Versteck vor Anker liegen, das empfiehlt ja auch das GFS-Modell.


Kurz hinter Grenå passieren dann drei Dinge. Erstens kentert der Strom und nimmt uns nun tatsächlich mit gut einem Knoten mit. Einen Knoten zu verlieren oder geschenkt zu bekommen, macht schon einen hübschen Unterschied. Außerdem nimmt der Wind langsam zu und liegt inzwischen beständig über 10 kn. Beides hilft uns ungemein, aber da gibt es ja auch noch den dritten Punkt. Es beginnt wieder zu regnen. Acht Stunden ohne Regen reichen ja nun auch wirklich. Und der Regen steigert sich zusammen mit dem Wind beständig.

Da es stockfinster ist, segeln wir die wenigen beleuchteten Tonnen ab. Gerade in der dänischen Südsee gibt es jede Menge unbeleuchtete Untiefentonnen, die teilweise auch für Segler nicht ganz uninteressant sind. Aber die beleuchteten Tonnen auf den Hauptrouten sind meist so gesetzt, dass man kurz hinter der einen schon das Licht der nächsten sieht. Und ab und zu gibt es auch mal ein Richtfeuer oder Leuchttürme. Alles in allem sieht man in der Nacht schon mehr relevante Navigationsmarken als bei Tag, wenn es grau und diesig ist. Dazu müssen wir allerdings doch immer mal wieder länger raus und uns nass regnen lassen. Auch wegen der »anderen« müssen wir gucken. Wobei es sich bei den »anderen« nur um Berufsschifffahrt handelt. Das macht die Sache schon einfacher. So passieren wir den einen grün-grün und den anderen rot-rot. Fischer ohne AIS gibt es hier kaum, denn in der Ostsee gibt es nichts mehr zu fischen. Und die Fischer, die zu ihren Fischgründen im Norden unterwegs sind, haben bei der Anfahrt auch noch ihr AIS eingeschaltet.


Mit zunehmenden Wind und Regen gehen wir kurz hinter der Insel Hjelm auf Westkurs. Es wird zunehmend ungemütlich. Hinter Sletterhage Fyr peitscht uns der Regen ungebremst entgegen. Inzwischen liegt der Wind bei 20 kn, es wird Zeit anzukommen. Wir wollen uns im nordöstlichen Begstrup Vig verstecken. Da sollten wir auch im Stockfinsteren gut reinkommen und es ist dort lange tief genug, damit uns keine Stellnetze in die Quere kommen. So richtig toll ist es nicht, bei Nacht in so eine Bucht einzufahren, aber was sollen wir machen? Wenn wir nur bei Tageslicht segeln wollten, würden wir nie ankommen.

Schon nach dem Bergen des wild schlagenden Groß bin ich klatschnass. Dann noch den Anker vorbereiten. Bei 3° kaltem Schüttregen, der einem mit 20 kn ins Gesicht gepeitscht wird, ist das nicht gerade ein Vergnügen. Sehen können wir bei diesem Wetter kaum etwas. Das Radar zeigt einige Echos vor der Küste. Die Dänen lieben Stellnetze ebenso, wie die Norweger ihre Lobster-Pots lieben. In der Mitte ist es frei. Unser Ankerplatz ist ein Kompromiss zwischen Wellenhöhe, Wassertiefe und dem, wie weit wir uns rein trauen. Gerne hätten wir etwas mehr Ankertiefe, bei Starkwind oder Sturm sind 6 m schon an der untersten Grenze, die wir noch gut finden. Auf der anderen Seite wollen wir näher ran, weil dort die Wellen kleiner sind. Da wir nicht genau wissen, wie weit wir am Rand des Sturmfeldes liegen, stecken wir 50 m Kette. Der Anker hält sofort. Dreimal ruckt er schon beim Rauslassen kräftig ein, da müssen wir ihn gar nicht mehr groß einfahren. Der Wind sorgt für ausreichend Schwung.

Dann sind wir angekommen. Geschafft. Das Sturmtief kann nun kommen, hier liegen wir gut. … Unter mir bildet sich eine Pfütze im Cockpit. Die Klamotten müssen erst einmal draußen abtropfen, bevor überhaupt an so etwas wie Trocknen zu denken ist.


Die Nacht ist relativ ruhig. Es bläst so um die 20 kn und einige 25 Böen lassen uns etwas herumschwingen. Doch es schüttet ohne Ende weiter. Morgens sehen wir, dass wir das Begstrup Vig tatsächlich recht gut getroffen haben. Wir liegen schön in der Mitte und haben einen guten Abstand zu den Stellnetzen.

„Oben, dort wo der Marker ist, ist unser Versteck. 41kn im Mittel im Großen Belt.“

„Oben, dort wo der Marker ist, ist unser Versteck. 41kn im Mittel im Großen Belt.“

Und das Begstrup Vig liegt tatsächlich am Rand des Sturmfeldes, was allerdings für den Regen nicht gilt. Es schüttet und schüttet und schüttet. Morgens haben wir knapp 2°, mittags steigert sich das Ganze auf 3,5°. Schlechter kann man es wirklich nicht treffen. Seit Schottland geht es nun schon so. Eigentlich wollten wir warten, bis der Regen aufgehört hat, aber dazu gibt es wohl in den nächsten 24 Stunden keine wirkliche Chance. Wir müssen unbedingt noch die letzte 80 Liter Diesel nachtanken. Gegen 15:00 machen wir es einfach und hoffen, dass die Wasserabscheider unserer Dieselfilter effektiv genug arbeiten. Immerhin muss der Diesel ja durch zwei Filter mit Wasserabscheider, bevor er zum Motor kommt.

Bei 3° und 5 bis 6 Beaufort fühlt sich Regen wie Eiswasser an. Im Wind ist die nasse Kälte kaum zu ertragen. Ich knie im Regen am Sülbord und fülle einen Kanister nach dem anderen um. Astrid reicht von hinten an und nimmt die leeren Kanister wieder zurück. Schon nach der ersten Minute fühle ich meine Hände nicht mehr, das Gesicht brennt und die Stirn schmerzt von der Kälte, als ob eine Migräne im Anmarsch ist. Ich habe keine Ahnung, was man überhaupt bei solchem Wetter anziehen soll. Gegen Kälte kann man sich einfacher und besser schützen als gegen eine solche Dauerdusche mit Eiswasser. Das alles ist wirklich maximal. Und die letzten Wochen waren es auch schon.


Es fällt immer schwerer, noch gute Mine zum bösen Spiel zu machen. Meine Jacke und Hose triefen noch vom gestrigen Ankermanöver. Es gibt keine Möglichkeit, irgendetwas trocken zu bekommen. Wir leben in einer klapperkalten Dauernässe. Im Grunde genommen ist es ein Wunder, dass wir nicht schon längst mit einer dicken Erkältung und Fieber in der Koje liegen. Doch auf der anderen Seite bewahrt uns wohl diese gnadenlose Abhärtung auch vor Schlimmeren.

In der PINCOYA läuft das Wasser in Strömen an dem Holz herunter, alles ist nicht mehr nur feucht, sondern richtiggehend tropfnass. Wir haben den Kampf aufgegeben, nur noch die Scheiben saugen wir alle 30 Minuten ab. Doch bei der Nässe, die der ewige Regen mitbringt, ist das auch nur noch eine eher rituelle Handlung.

Wir haben noch 8 Tage bis Büdelsdorf und es sieht nicht so aus, dass wir es auf den letzten Seemeilen einfacher haben werden als in den Wochen und Monaten zuvor.


Und dann weiter … dennoch oder gerade deswegen … wer weiß?

„vom Begstrup Vig -> ins Føns Vig“

„vom Begstrup Vig -> ins Føns Vig“

Dort, wo man nachts reinfahren kann, kann man auch nachts wieder rausfahren. Unser Wecker klingelt um 4:30. Spätestens um 5:30 soll Abfahrt sein. Die nächste Untiefentonne, an der wir aufpassen müssen, ist 13 sm entfernt. Um 7:30 sollte es schon dämmern.

Es regnet immer noch. Nun schon wieder seit 36 Stunden. Als ich das Gas für unseren Gutenmorgenkaffee aufdrehe, merke ich sofort die schneidende Kälte. 2° und Dauerregen sind wirklich nichts, was einen auch nur irgendwie herauslockt. Wir müssen es heute wenigstens bis Juelsminde, am besten bis in den Gamborg Fjord schaffen. Dann müssen wir wieder eine Flaute und den Starkwind aus Süden aussitzen. Montag dann bis hinter Sønderborg und vielleicht bei Hørup ankern, Dienstag dann bis Kiel. So unser Plan. Wieder einmal recht engagiert, aber hoffentlich machbar, denn der Wind ist nur kurz mal auf unserer Seite und wir müssen uns beeilen.


Für die Stopps suchen wir uns immer Ankerplätze aus, die natürlich zum einem für den Wind passen müssen, die wir aber zum anderen auch bei Nacht anfahren können. Die Tage sind zu kurz und da kommen wir mit den wenigen hellen Stunden einfach nicht hin.

Der ein oder andere wird sich fragen, warum wir nicht in eine Marina gehen. Die Erklärung ist recht einfach. Als erstes geht Ankern einfacher und schneller und ist so für uns bequemer. Eine Marina anzulaufen und dort festzumachen, dauert länger und das ist bei dem schlechten Wetter ziemlich blöd. Außerdem liegen wir bei Sturm vor Anker sicherer und haben immer den Wind von vorn. Das schützt das Cockpit etwas und das Mistwetter steht nie direkt auf den Niedergang. Abgesehen davon sind die dänischen Marinas eh geschlossen, wollen aber in der Regel dennoch den vollen Hochsaisonpreis. Und viele von den Marinas in der dänischen Südsee sind von dem Orkan im Oktober ebenso betroffen wie die in Deutschland. Doch wir wissen nicht, welche und mit welchen Schäden. Da ist es dann noch blöder, nachts anzukommen, wenn vielleicht doch einiges nicht mehr ganz so ist wie vorher.


Im Stockfinsteren holen wir den Anker auf, verstauen alles und setzen das Groß. Viel Wind ist in der Abdeckung nicht. Begstrup Vig war die richtige Wahl, um abzuwarten. Und wie toll das Wetter hier war, sieht man auch daran, dass wir nicht ein einziges Photo haben. So etwas hatten wir wohl noch nie.

Dann geht’s los. Wir können gleich segeln. Nicht schnell, aber wir segeln wenigstens. In der Abdeckung von Helgenæs halten sich Seegang und Wind noch in Grenzen. Schön wäre es, wenn wir dann möglichst bald die vorhergesagten 17 kn haben könnten. Die Schnellfähren, die Aarhus anlaufen, donnern ohne Ende hin und her. Manche mit »nur« 25 kn, andere mit 35. Wir finden eine Lücke und schlüpfen durch. Der Seegang nimmt schnell zu. Zum Kattegat im Nordosten ist hier alles offen und auch der Wind nimmt schnell zu. Das ist gut, wir müssen dringend ein paar Meilen fressen.

„Zwischendrin ...“

„Zwischendrin …“

Draußen ist es furchtbar. Der Regen wird direkt von achtern ins Cockpit geweht und die inzwischen fast schon sommerlichen 3,5° fühlen sich dabei allerdings wie -10° an. Da meine Jacke aus Norwegen immer noch nass ist, auch sie hat ihre Schwächen bei Dauerregen, habe ich auf mein Segelzeug zurückgegriffen. Die Jacke und Hose haben eine Kältleitfähigkeit wie ein mittelalterliches Kettenhemd 😟 🥶. Besonders, wenn sie nass sind. Es hilft kaum, dass ich doppelt und teilweise dreifachen Fleece darunter trage. Solche Segelsachen sind etwas für Schönwetterregen, aber nichts für kalte Regionen. Und wenn man viel unterzieht, sitzt die Schwimmweste wie so ein Schlafkragen um den Hals, den normale Touristen immer so gerne mit in den Flieger nehmen.


Draußen ist nichts zu sehen, es ist maximal diesig und die erste Untiefentonne finden wir schon mal gar nicht. Nur im Radar ist sie zu sehen. Zwischen den einzelnen Passagen, auf denen wir aufpassen müssen, liegen immer so 6 bis 8 sm. Genug Zeit, um mal wieder im Decksalon aufzutauen. Das, was wir nun seit Wochen machen, ist echtes Hardcore-Segeln ohne jeglichen Spaß und nur noch mit der Maßgabe »durchhalten, weitermachen und ankommen«.


Die Sicht ist wirklich richtig schlecht. Die enge Durchfahrt westlich vom Svanegrund und nördlich von Endelave finden wir nur schwer. Außerdem hoffen wir, dass der Sturm im Oktober die Sände hier nicht verschoben hat. Der schmale Streifen um 3,5 m war auch vorher schon nicht üppig. Im Regen sehen wir die nördliche Untiefe, auf die wir direkt zufahren müssen, erst, als wir schon in der Rinne sind. Gut, dass der richtige Schüttregen erst hinter der Passage beginnt und wir schon wieder drin sind.

Ja ja, es gibt immer eine Möglichkeit, sich noch zu steigern! Was 💩 ist, kann auch noch 💥💩 werden. Doch nun müssen wir nur noch einmal abbiegen und schiften, dann liegen fast 20 »gerade« Seemeilen vor uns, die keine Sperenzien mehr erfordern. Zeit für die Heizung und zum Aufwärmen.

Seit Schottland lief unsere Heizung übrigens schon bereits 300 Stunden und hat sich wahrscheinlich gut 120 Diesel reingezogen. Beschweren wollen wir uns lieber nicht, ohne Heizung wären wir eingegangen.


Gerade Strecken sind bei diesem Wetter ein Wohltat. Wir bleiben einfach im Decksalon, anders wären wir schon längst den Heldentod gestorben. Außer einigen Fähren und wenig Berufsschifffahrt ist absolut nichts los. Das macht es einfach. Juelsminde war unser Minimalziel, aber der Wind meint es gut mit uns. Er ist etwas stärker als vorhergesagt und das ist gut, da wir nur mit Groß und ohne Genua segeln. Der Wind kommt meist genau von achtern, da passen 22 kn besser als 17.

„Es gab auch mal kurz Lichtblicke“

„Es gab auch mal kurz Lichtblicke“

„Vor Fredericia“

„Vor Fredericia“

Schon gegen 13:00 haben wir Juelsminde querab. Der Gamborg Fjord bzw. das Føns Vig rücken in greifbare Nähe. Endlich läuft es mal, auch wenn das Wetter freundlicher sein könnte.

„Fredericia Harbour“

„Fredericia Harbour“

„Die Autobahnbrücke bei Middelfart über den Kleinen Belt“

„Die Autobahnbrücke bei Middelfart über den Kleinen Belt“

„Das Strib Fyr kurz vor Middelfart“

„Das Strib Fyr kurz vor Middelfart“

Bei Fredericia, kurz vor der Einfahrt in das schmale Fahrwasser bei Middelfart, schläft der Wind ein und auch der Regen gönnt sich mal eine Pause. Was für eine Wohltat! Es ist 15:30, vor uns liegen noch rund 15 sm. In dem Fahrwasser bei Middelfart ist es ruhig, wir kommen gut und unaufgeregt voran.

„Die alte Eisenbahnbrücke über den Kleinen Belt.“

„Die alte Eisenbahnbrücke über den Kleinen Belt.“

„Abendstimmung im Kleinen Belt“

„Abendstimmung im Kleinen Belt“

Noch im Hellen holen wir das Groß runter, eine Chance auf Wind besteht eh nicht mehr. Auch den Anker bereiten wir vor. Um 17:45 tuckern wir vorsichtig in Føns Vig. Im Radar sehen wir, dass uns nichts im Weg ist. Kurz nach 18:00 fällt unser Anker auf 7 m im Føns Vig kurz vor dem kleinen Anleger. Da sollten wir auch bei dem stärkeren Südost gut liegen. Zwei Ruhetage warten auf uns und dann werden wir mal sehen, ob es am Montag mit einem oder zwei Steps bis Kiel weitergehen kann.

„Und wo liegen wir und wie zieht das Regenband? Genau, von Südwest nach Nordost. Wir haben die maximale Ausbeute!“

„Und wo liegen wir und wie zieht das Regenband? Genau, von Südwest nach Nordost. Wir haben die maximale Ausbeute!“


Stationen:
11. -> 14. Hals
56° 59′ 25,4″ N, 010° 18′ 25,8″ E
16.11. Begstrup Vig
56° 10′ 09,7″ N, 010° 31′ 12,2″ E
17.11. Føns Vig
55° 25′ 01,5″ N, 009° 49′ 10,0″ E